Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die Verletzung des polnischen Nato-Luftraums mit Militärdrohnen scharf verurteilt. Es gebe keinen Anlass zu vermuten, dass es sich um Kurskorrekturfehler handele, sagte der SPD-Politiker im Bundestag. «Diese Drohnen sind ganz offenkundig gezielt auf diesen Kurs gebracht worden. Um in die Ukraine zu fliegen, hätten sie diesen Weg nicht fliegen müssen», sagte Pistorius. «Sie waren offenkundig, so die Ansagen aus Polen, auch entsprechend munitioniert. Es hätte also auch jederzeit etwas passieren können.»
Vertreter der Nato-Staaten berieten auf Antrag Polens im Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses in Brüssel über die Ereignisse. Die Sitzung lief unter Artikel 4 des Nato-Vertrags. Dieser sieht Beratungen mit den Verbündeten vor, wenn sich ein Nato-Staat von außen bedroht sieht.
Ein abschließendes Urteil wollte die Nato im Anschluss allerdings noch nicht abgeben. Die Prüfung sei noch im Gange, sagte Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel. Er nannte das Vorgehen Russlands allerdings absolut rücksichtslos – ganz gleich, ob die Luftraumverletzung absichtlich erfolgt sei oder nicht. Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe einer Verletzung des polnischen Luftraums zurück.

In der Nacht auf Mittwoch waren während eines massiven russischen Angriffs auf die Ukraine mehrere Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen und abgeschossen worden. Nach Angaben von Regierungschef Donald Tusk handelte es sich um russische Drohnen. Nach EU-Angaben wurden mehrere Flugobjekte als Drohnen vom iranischen Bautyp Shahed identifiziert.
Viele Drohnen kamen aus Polen Nachbarland Belarus

Tusk sagte, es seien mindestens 19 Verletzungen des polnischen Luftraums in der Zeit zwischen 23.30 Uhr und 6.30 Uhr festgestellt worden. Viele der unbemannten Flugobjekte kamen demnach direkt aus dem Nachbarland Belarus. Das autoritär regierte Belarus ist ein enger Verbündeter Russlands im Ukraine-Krieg.

Nach Angaben des Innenministeriums in Warschau wurden bislang sieben Drohnen oder Trümmerteile von Drohnen gefunden. Fünf unbemannte Flugobjekte seien in der ostpolnischen Woiwodschaft Lublin gefunden worden, sagte eine Sprecherin. Eine Drohne sei über der Woiwodschaft Lodz in Zentralpolen abgestürzt, eine weitere über der nordöstlichen Woiwodschaft Masuren-Ermland.

Bisher gibt es keine Berichte über Verletzte. Im ostpolnischen Dorf Wyriki wurde das Dach eines Wohnhauses von Trümmern einer abgeschossenen Drohne getroffen, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Verletzt wurde niemand. Wyriki liegt in der Woiwodschaft Lublin und ist etwa 15 Kilometer von der Grenze zu Belarus und um die 35 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Polizei und Militär sind weiterhin auf der Suche nach Drohnen oder Drohnenteilen. Der Generalstab rief die Bevölkerung auf, sich gefundenen Trümmerteilen nicht zu nähern, sondern den Notruf zu wählen und die Polizei über den Fund zu informieren.
Auch deutsche Patriot-Systeme an Abwehraktion beteiligt

Polen ließ in der Nacht Kampfjets der eigenen Luftwaffe und die im Land stationierten Maschinen von Nato-Partnern aufsteigen. An dem Abwehreinsatz gegen die Luftraumverletzung waren laut Nato-Generalsekretär Rutte neben polnischen F-16-Kampfjets auch niederländische F-35, italienische Flugzeuge sowie deutsche Patriot-Flugabwehrsysteme beteiligt. Zudem nannte er auch ein Awacs-Spezialflugzeug der Nato zur Luftraumüberwachung sowie militärische Tank- und Transportflugzeuge.

Das Verteidigungsministerium in Berlin erklärte, die zwei deutschen Feuereinheiten des Luftverteidigungssystems Patriot am polnischen Flugplatz Rzeszow hätten in der Nacht «sofort die Alarmbereitschaft erhöht». Das deutsche Kontingent in Rzeszow habe, so wie andere Verbündete auch, in der Folge zum Gesamtlagebild beigetragen. Ein direkter eigener Waffeneinsatz, also ein Verschuss von Patriot-Lenkflugkörpern, sei nicht erfolgt.
Russland dementiert

Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. «Es waren keine Objekte zur Zerstörung auf dem Territorium Polens eingeplant», teilte das Ministerium bei Telegram mit. «Die maximale Flugreichweite der bei dem Angriff eingesetzten russischen Drohnen, die angeblich die Grenze zu Polen überquert haben sollen, beträgt nicht mehr als 700 Kilometer», hieß es weiter. Dennoch sei man bereit, zu diesem Thema mit dem polnischen Verteidigungsministerium Beratungen zu führen.