Digitale Verwaltung: Was der Bürger will, aber nicht bekommt

Der Austragungsort des diesjährigen Digital-Gipfels der Bundesregierung ist gut gewählt: Frankfurt. Nirgendwo sonst in der Republik liegen so viele superschnelle Datenkabel im Boden wie in Frankfurt am Main. Ein Drittel der hiesigen Rechenzentrumskapazitäten befinden sich in Frankfurt und um Frankfurt herum. Die Main-Metropole als Leuchtturm: Das passt zu den Ambitionen der Bundesregierung: Digitalminister Volker Wissing (FDP) sprach zur Eröffnung der zweitägigen Mammutveranstaltung von einer &bdquo;spektakulären Aufholjagd“. Die Gigabit- und die Digitalstrategie zeigten deutlich Wirkung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: &bdquo;Hier auf dem Digitalgipfel sieht man lauter Innovationen.“ Die großen Datenschätze des klassischen deutschen Mittelstands seien ein fantastisches Instrument, um das Rennen um die künstliche Intelligenz zu gewinnen: Wohlklingende Zukunftsmusik. Gravierende Lücken sind offenbar Doch wie sieht die Gegenwart aus? &bdquo;Wir sehen weiterhin gravierende Lücken in der deutschen Digitalpolitik“, sagte Jörg Schamberg vom Vergleichsportal Verivox. Ein Grund für das nur schleppende Vorankommen der Digitalisierung sei der mangelnde Ausbau der Netze. Das sei etwa im Mobilfunk abzulesen, dessen Fortschritte beim neuen 5G-Standard von Wissing (FDP) am Montag mehrfach gepriesen wurde. Aber damit werden keine Funklöcher geschlossen, die vor allem in dünner besiedelten Regionen immer noch beträchtliche Ausmaße haben. Laut einer Verivox-Erhebung gibt es im Süden der Republik zahlreiche Landkreise mit einer massiven Unterversorgung, weil es dort an LTE-Technik (4G) hapert, die eine Grundversorgung gewährleistet. In diesen &bdquo;grauen Flecken“ sind die Nutzer auf das veraltete 2G-Netz angewiesen, was lediglich Telefonate und allenfalls den Versand einer Messenger-Nachrichten oder SMS ermöglicht. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, forderte denn auch in Frankfurt, &bdquo;ein bisserl mehr Gas zu geben“. Und damit meint er auch die Bundesregierung höchstselbst. Laut aktuellem &bdquo;Monitor Digitalpolitik“ des Bitkom sind von insgesamt 334 Vorhaben, die die Regierung sich selbst vorgenommen hat, erst 104 abgeschlossen. Alle anderen wurden nur gestartet oder noch gar nicht begonnen. Auffällig ist, dass ausgerechnet in Wissings Ressort derzeit sogar lediglich 12 von 51 Projekten abgehakt sind. Der allergrößte Teil (34 Vorhaben) wurde immerhin angestoßen. Die Prognose des Digitalverbandes fällt allerdings relativ trübe aus: dass nämlich in einem Jahr, nach dem Ende der Legislaturperiode, noch immer insgesamt rund 200 Vorhaben nicht zu einem guten Ende gebracht worden sind. Hightechverband sieht Stagnation Auch anderswo im Staat, in den Landratsämtern und Kommunen gibt es Handlungsbedarf. &bdquo;Die Digitalisierung der Verwaltung kommt nicht voran“, betont Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Dabei ist die Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen enorm. So fordern neun von zehn Bürgerinnen und Bürgern, dass in den Rathäusern die Digitalisierung mit Nachdruck forciert wird – das geht aus einer aktuellen Umfrage des Hightech-Verbandes hervor. Schon 2017 hatte sich die damalige Bundesregierung vorgenommen, dass insgesamt 579 Dienstleistungen komplett und flächendeckend digitalisiert werden. Und zwar bis Anfang 2023. So stand es bis vor Kurzem im Online-Zugangsgesetz (OZG). Bei nur gut hundert Dienstleistungen wurde das Ziel erreicht. Noch nicht einmal bei den 16 Serviceangeboten, die besonders häufig von privaten Haushalten und Unternehmen nachgefragt werden und eigentlich mit Priorität umgesetzt werden sollten, ist das bislang gelungen – also etwa bei Wohnortummeldung, Elterngeld und Eheschließung oder bei Baugenehmigungen, im Führerscheinwesen und beim Wohngeld. Besonders Niedersachsen und Brandenburg hinken hinterher. Bundesregierung weicht Ziele auf Mehr noch: Im Juni hat die aktuelle Bundesregierung das OZG in seiner 2.0-Version sogar aufgeweicht, indem konkrete Ziele und Deadlines gestrichen wurden. Verwaltungsdigitalisierung wird jetzt offiziell als &bdquo;Daueraufgabe“ bezeichnet. Verivox-Experte Schamberg betont, dass zudem viel zu wenig für digitale Teilhabe – insbesondere von älteren Menschen – getan werde. Und: &bdquo;Ein Internetzugang sollte längst zum Grundbedarf gehören, so wie die Versorgung mit Strom und Wasser.“ Wissing wies auf der Pressekonferenz des Digital-Gipfels indes darauf hin, dass mittlerweile immerhin mehr als 1,5 Millionen Wagen digital zugelassen wurden – das ist eine der 16 wichtigen Dienstleistungen. Doch der Minister kündigte auch an, dass er nun mit einer &bdquo;Digital-Only“-Strategie mehr Zug in die Angelegenheit bringen will. Bitkom-Chef Rohleder findet das gut: &bdquo;Wir können nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag ineffiziente analoge Prozesse weiterführen.“ Sie müssten Schritt für Schritt auslaufen und abgestellt werden. Wichtig sei, dass &bdquo;Digital only“ auch und zuerst für Deutschlands Verwaltungen gelte. &bdquo;Dabei müssen digitalferne Menschen auf den Ämtern die nötige Unterstützung beim Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen erhalten.“ Durchgängig digital arbeitende Behörden seien die Grundlage des digitalen Deutschlands.

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