Bielefeld. Die Äußerung des Bundeskanzlers über das „Stadtbild“ hat einen Nerv getroffen – nicht nur in Berlin, sondern hier bei uns in Ostwestfalen. Wiebke Esdar steht plötzlich im Zentrum einer bundesweiten Debatte – nicht wegen eines Skandals, sondern weil sie ihr Recht auf Demonstration wahrgenommen hat. Die Bielefelder Bundestagsabgeordnete, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Mutter, Wissenschaftlerin und Bürgerin hat am Freitag wegen der Äußerungen des Bundeskanzlers zum Stadtbild demonstriert.
Was folgte, war jedoch keine politische Auseinandersetzung auf Augenhöhe, sondern eine Flut aus Hass, Drohungen und persönlichen Angriffen. Kritik an politischem Handeln ist legitim, Gewaltfantasien jedoch nicht. Hier überschreitet die Debatte eine Grenze, die unsere Demokratie schützt: den Respekt vor der Person.
Was sagt diese Woche über unser Land aus? Vor allem eines: Wir stehen an einem Scheideweg. Entweder wir führen die notwendigen Gespräche über Migration und Integration differenziert und lösungsorientiert – oder wir überlassen das Feld den Lautesten, den Vereinfachern und Spaltern.
„Stadtbild“-Begriff in Verbindung mit Migration ist spaltend
Denn was von Merz als politische Aussage über Ordnung und Sicherheit gedacht war, wurde als pauschale Zuschreibung empfunden. Der Begriff „Stadtbild“ in Verbindung mit Migration ist nicht nur unglücklich gewählt, er ist spaltend. Er schiebt Menschen, die längst Teil unserer Gesellschaft sind, in eine Schublade des Fremden. Dieser Vorwurf bleibt bestehen, auch wenn der Kanzler seine Äußerungen postwendend konkretisiert und eingeordnet hat.
Die eigentliche Auseinandersetzung, die dieses Land ehrlich führen muss, ist eine über Kriminalität, Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum – ohne Pauschalurteile, aber mit klaren Maßnahmen. Die Probleme sind sichtbar: Drogenhandel an Hauptbahnhöfen, Gewaltvorfälle in Innenstädten, Organisierte Kriminalität.
Wer diese Probleme benennt, darf nicht Menschen an den Pranger stellen, sondern muss Lösungen liefern: Mehr Präsenz der Polizei an Brennpunkten, schnellere Strafverfahren für Wiederholungstäter, Sicherheitskonferenzen, bei denen Polizei, Jugendhilfe, Sozialarbeit und Ordnungsbehörden gemeinsam handeln – nicht nebeneinander. Verbindliche Ausstiegs- und Integrationsangebote in gefährdeten Milieus. Klares staatliches Vorgehen gegen Organisierte Kriminalität.
Regierung steht inmitten zweier Krisen
Es ist Aufgabe der Bundesregierung, diese Debatte zu führen und zu gestalten. Dafür braucht es eine Koalition, die handlungsfähig ist und nicht mit sich selbst beschäftigt. Diese Regierung steht inmitten zweier Krisen: einer globalen Sicherheitslage, die sich zuspitzt, und einer innenpolitischen Lage, die zerreißanfällig ist.
Wenn sich SPD und CDU weiter in Abgrenzungsrituale flüchten, statt gemeinsame Antworten zu formulieren, riskieren sie ihren eigenen politischen Bestand – und die Stabilität dieses Landes. Jetzt ist nicht die Zeit für Profilierung. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu zeigen. Denn wenn die Koalition sich nicht zusammenreißt, droht weit mehr aus den Fugen zu geraten, als eine Debatte über das Stadtbild.