Meinung

Disney, Jimmy Kimmel und die Frage, wie viel Meinungsfreiheit wir uns noch leisten

Der Medienkonzern Disney streicht Moderator Kimmel aus dem Programm – auf Druck aus der Politik. Nun reagieren die Kunden auf eindrucksvolle Art, findet unser Autor Christian Lund.

Barack Obama mit Jimmy Kimmel in dessen Show. | © picture alliance/dpa/epa

Christian Lund
20.09.2025 | 20.09.2025, 05:00

Es ist eine Szene, die nach Provinzposse klingt, aber in Wahrheit das Grundrauschen einer Demokratie verrät, die ihre Stimme verliert. Disney nimmt in den USA die Late-Night-Show von Jimmy Kimmel aus dem Programm. Ein Moderator, der seit Jahrzehnten zur amerikanischen Popkultur gehört, verschwindet nach einem makaberen, zugespitzten Kommentar über den Tod des rechten Aktivisten Charlie Kirk aus dem Abendprogramm.

Man muss Kimmels Worte nicht mögen, man darf sie geschmacklos finden – doch was hier passiert, ist mehr als ein Streit über schlechten Humor. Es ist ein Präzedenzfall. Wenn einer der größten Medienkonzerne der Welt, getrieben von politischen Drohungen und regulatorischem Druck, eine Sendung absetzt, dann ist das nichts weniger als ein Alarmzeichen für die Presse- und Meinungsfreiheit.

Lesen Sie zum Hintergrund: Kimmels US-Talkshow wegen Kirk-Äußerungen vorerst abgesetzt

Disney wird sagen, es gehe nicht um Zensur, sondern um Verantwortung, um Rücksicht, um gesellschaftlichen Frieden. Doch das klingt unglaubwürdig. Zu oft schon hat Jimmy Kimmel verbal eine zu scharfe und verletzende Klinge geführt und das bislang ohne jede Konsequenz. Das war und ist nun einmal die Idee seiner Show. Worum es diesmal in Wahrheit geht, ist Angst: Angst vor staatlichen Sanktionen, vor Shitstorms, vor dem Verlust von Marktanteilen. Und Angst ist ein schlechter Ratgeber für Medien. Wer sich dem Druck der Politik beugt, setzt die Spirale der Selbstzensur in Gang. Ob er will, oder nicht.

Wo endet diese Logik?

Man muss kein Kimmel-Fan sein, um zu erahnen, wo das hinführen kann. Heute trifft es den zynischen Late-Night-Host, morgen einen Dokumentarfilmer, übermorgen einen investigativ recherchierenden Reporter. Wo endet diese Logik? Stellen wir uns nur vor, die Washington Post hätte in den 1970er Jahren nicht zu Bob Woodward und Carl Bernstein gestanden. Der Watergate-Skandal wäre nie aufgedeckt worden.

An dieser Stelle beginnt die Verantwortung des Publikums – und das reagiert offenbar. Die viel zitierte „Kultur des Cancelns“ trifft nun ironischerweise den Disney-Konzern selbst. Der Hashtag #CancelDisney ist schnell zum Online-Trend geworden, weil Menschen ein Zeichen gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit setzen wollen.

Die Kündigungen der Abonnenten des Streamingdienstes Disney+ sind hier mehr als nur ein Konsumentenstreik. Sie sind eine politische und gesellschaftliche Botschaft: Wir bezahlen nicht für Inhalte von Unternehmen, die sich vor der Politik kleinmachen, anstatt die dringend notwendige Haltung zu zeigen.

Was sagen wir bloß den Kindern?

Eltern, die sich jetzt fragen, wie sie das Ende ihres Disney+-Abos den Kindern erklären, die „Frozen„und „Star Wars“ lieben – sagen vielleicht das: Wir hören auf, Disney zu unterstützen, weil wir glauben, dass Meinungsfreiheit wichtiger ist als ein paar Serien. Manchmal muss man auf etwas verzichten, um für etwas Größeres einzustehen. Genau das ist Demokratie: unbequem, manchmal traurig, aber immer wertvoller als jede Fantasiewelt.

Disney hat mit der Suspendierung Kimmels mehr verloren als ein paar Abonnenten. Es hat Vertrauen verspielt. Vertrauen in die Idee, dass Medien nicht nur Unterhaltungsmaschinen sind, sondern auch Orte, an denen man Dinge sagen darf, die anecken. Wer dieses Vertrauen verspielt, sollte sich nicht wundern, wenn die Menschen sagen: Dann eben ohne euch.