Meinung

Grenzkontrollen: Deutschland und Polen müssen das böse Spiel beenden

Der Grenz-Streit zwischen Deutschland und Polen trifft Europa in seinem Kern. Die Lösung liegt an den EU-Außengrenzen.

Vom 7. Juli 2025 bis zum 5. August 2025 wurden von der polnischen Regierung an der Staatsgrenze zur Bundesrepublik Deutschland und zur Republik Litauen vorübergehende Grenzkontrollen wieder eingeführt. | © Tomasz Golla/PAP/dpa

Eva Quadbeck
07.07.2025 | 07.07.2025, 15:36

Die Kontrollen durch Polen an der eigenen Westgrenze sind eine nachvollziehbare Reaktion unserer Nachbarn auf das Vorgehen Deutschlands. Deutschland hatte zuvor nach zehn Jahren hoher irregulärer Migration das Signal gesetzt, dass nicht mehr von den europäischen Außengrenzen in die größte Volkswirtschaft Europas mit ihrem guten Sozialsystem durchgewunken werden kann. Das Signal dürfte in den europäischen Hauptstädten und in Brüssel angekommen sein.

Signale sind genug gesetzt. Es ist dringend Zeit, eine gemeinsame Lösung zu finden – auch im Sinne der Menschen, die für ihre Arbeit, ihre Dienstleistungen oder für die Lieferung von Waren oft die Grenze passieren müssen. Eine gute Grundlage ist die GEAS-Reform, die das europäische Asylsystem einheitlicher, gerechter und solidarischer machen soll. Verabschiedet wurde die Reform bereits im vergangenen Jahr. Aber die Mühlen der EU mahlen langsam. Umgesetzt sein werden die Neuregelungen erst im Sommer 2026 – und auch bis dahin ist nicht garantiert, dass das neue System funktioniert.

Gemeinsam das böse Spiel beenden

Der Streit zwischen Deutschland und Polen darf nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden. Die Menschen im Grenzbereich hin- und herzutreiben, wie bereits in Einzelfällen geschehen, ist keine Option.

Jene Flüchtlinge, die über Polen versuchen, nach Deutschland zu gelangen, wandern in der Regel über Belarus ein. Der Vorwurf der EU: Belarus lässt im Einvernehmen mit Russland Schlepperbanden gewähren, um die Flüchtlinge in die EU weiterziehen zu lassen. Das wiederum geschieht in der Absicht, den Druck der irregulären Migration in den Demokratien Europas zu erhöhen. Dieser Druck gibt rechtspopulistischen Parteien Auftrieb. Zynischer geht es nicht.

Deutschland und Polen sollten gemeinsam mit der EU dieses böse Spiel beenden. Möglich wäre das durch eine Verstärkung der Grenzschutzagentur Frontex an der polnischen Ostgrenze. Sie konnte zuletzt mit verstärkten Kontrollen im Mittelmeerraum und auf dem Balkan die Migration eindämmen.

Lesen Sie auch: Polen und Deutsche kontrollieren Reisende an der Grenze

Erstanträge auf Asyl im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen

Dafür müssen alle Beteiligten ihren Beitrag leisten: Die EU muss über Frontex das Personal bereitstellen. Polen wiederum muss zulassen, dass die Grenzschutzagentur übernimmt und auf humanitäre Standards achtet. Unter dieser Voraussetzung sollte die Bundesregierung ihre Grenzkontrollen nach Polen einstellen und zum bisherigen gesetzmäßigen Vorgehen zurückkehren. Das heißt, Asylbegehrende würden zumindest überprüft, ob sie einen Anspruch in Deutschland geltend machen können.

Für die deutsche Debatte um irreguläre Migration ist der Moment gekommen, von der Schnappatmung zum realistischen Blick zu wechseln. Die Zahl der Erstanträge auf Asyl ist im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte zurückgegangen. Die verschärfte Gangart der neuen Bundesregierung, die sicher auch in den Herkunftsländern registriert wurde, wird dazu beigetragen haben. Der Systemwechsel in Syrien kommt dazu – von dort kamen 61 Prozent Flüchtlinge weniger. Eine Entspannung der Lage ist also gelungen.

Wenn das Jahr so weiterläuft, werden deutlich weniger als 200.000 geflüchtete Menschen 2025 in Deutschland ankommen. Diese einst als Obergrenze diskutierte Zahl hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich als eine Schwelle herausgestellt, die bei Überschreiten die politische Stimmung wegen Überforderung von Kommunen, Schulen und Gesundheitssystem angeheizt hat.

Migrationspolitik muss konsequent bleiben

Das deutliche Unterschreiten der Zahl verschafft Luft. Die Migrationspolitik muss konsequent bleiben. Die Debatte aber braucht den Blick nach vorn, den integrierbaren Menschen eine Perspektive zu bieten und kriminelle Ausreisepflichtige loszuwerden.

Mehr zum Thema: Polen: 5.000 Soldaten sollen bei Grenzkontrollen helfen