Die Zeit der finanzpolitischen Bazooka und des Doppelwummses ist endültig vorbei. Trotz großzügiger neuer Schuldenaufnahme wird und kann der Staat nicht mehr alles finanzieren, um Bürgerinnen und Bürgern zu entlasten oder was für sie wünschenswert ist. Der Koalitionsausschuss hat nun beschlossen, die Stromsteuer nicht für alle Unternehmen und nicht für alle Haushalte im Land zu senken. Das ist inhaltlich richtig, auch wenn sich nun alle auf die Koalition stürzen und ein großer Kritiker-Chor der jeweiligen Interessensgruppen sein Requiem auf die schwarz-rote Koalition anstimmt.
Und weil die Koalition erstens große Versprechungen zur Entlastung bei der Stromsteuer gemacht hat und zweitens in derselben Sitzung die Mütterrente sogar um ein Jahr vorgezogen hat, ist sie selbst für die Kritik verantwortlich.
Zunächst haben die Verhandler gestern am späten Abend jedoch bewiesen, dass sie entscheidungs- und handlungsfähig sind. Man erinnere sich an die teils tagelangen Sitzungen der Ampel zu solchen Themen. Die dabei gefällten Beschlüsse wurden spätestens am Tag darauf schon wieder bemäkelt und teils einkassiert. Da war es von Kanzler Friedrich Merz gestern klug nachzugeben. Auch wenn er persönlich nun im Zentrum des Orkans selbst aus seiner eigenen Partei steht.
Merz hat zum zweiten Mal Wahlversprechen gebrochen
Ja, er hat nach der Schuldenaufnahme zum zweiten Mal Wahlversprechen gebrochen. Das gilt es festzuhalten. Entscheidungs- und Regierungsfähigkeit ist für Merz aktuell jedoch wichtiger, als jedem einst gemachten Versprechen nachzuhecheln. Der Fehler wurde vor Monaten im Wahlkampf und bei den Koalitionsverhandlungen gemacht. Wann lernen Politiker endlich, dass sie sich vorher überlegen müssen, was sie versprechen?
Dass die Haushaltslage eng ist, wissen alle nicht erst seit gestern. So produziert die Unionsseite der jungen Koalition Enttäuschungen. Denn die SPD mit ihrem Finanzminister Lars Klingbeil steht bei der Stromsteuer schon länger auf der Bremse und hat sich im Koalitionsausschuss gegen die CDU und CSU in dieser Frage durchgesetzt. Nebenbei: Alle, die Klingbeil nach dem für ihn miesen Wahlergebnis beim SPD-Parteitag für geschwächt hielten, werden eines Besseren belehrt.
Hoher Preis für die Einigung
Der Preis für die Stromsteuer-Einigung ist jedoch hoch: vor allem Glaubwürdigkeitsverlust und Mütterrente. Denn dass die auf Drängen von CSU-Chef Markus Söder ohne Not sogar um ein Jahr vorgezogen wurde, führt die Entscheidungsbegründung bei der Stromsteuer ins Lächerliche. Warum ist für deren Senkung angeblich kein Geld da, für die vorgezogene Mütterrente dagegen sehr wohl? Da hört das Wählerverständnis auf.
Politik ist das Austarieren von Interessen, ein Geben und Nehmen. Entsprechend können nicht alle als Gewinner vom Platz gehen. Aber die Begründungen der Entscheidungen müssen glaubwürdig und nachvollziehbar sein. Da muss die Koalition noch viel lernen.