Meinung

Polens Wahlergebnis ist eine Katastrophe für das liberale Europa

Polens Politik wird EU-skeptischer – und auch die Solidarität mit der Ukraine steht auf dem Spiel, meint unser Autor.

Der Rechtskonservative Karol Nawrocki setzte sich knapp gegen den
proeuropäischen Kandidaten Rafal Trzaskowski durch. | © Pawel Supernak/PAP/dpa

Jan Sternberg
02.06.2025 | 02.06.2025, 11:41

Äußerst knapp war die Niederlage des liberalen polnischen Präsidentschaftskandidaten Rafał Trzaskowski – und um so bitterer. Trzaskowskis Scheitern ist nicht nur ein Schock für die liberale Regierung von Premier Donald Tusk. Es ist mehr als das: Es ist eine Katastrophe für das liberale Europa, eine schwere Bürde für einen Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen und eine Hiobsbotschaft für die Ukraine.

Tusk hatte gehofft, endlich durchregieren zu können. Nun muss er weiter mit einem Präsidenten leben, der mit seinem Vetorecht zentrale Vorhaben der Mitte-Links-Koalition stoppen kann. Für die Regierung ist das Wahlergebnis ein Schlag ins Gesicht.

Polen bleibt tief gespalten: In den großen Städten holte der liberale Trzaskowski zwei Drittel der Stimmen, auf dem platten Land triumphierte Nawrocki. Auch bei den Jungen lag der Rechtskandidat vorn, dies aber nicht aus eigener Kraft: Es waren die Wählerinnen und Wähler des rechtspopulistischen Drittplatzierten Slawomir Mentzen, die ihm am Ende den knappen Sieg bescherten.

Polen ist jetzt ein Land im Dauerwahlkampf

Mentzen inszenierte sich als Königsmacher, Nawrocki ging auf seine Forderungen ein – darunter die Ablehnung eines Nato-Beitritts der Ukraine.

Polen ist ab heute wieder ein Land im Wahlkampf – zwei Jahre vor dem regulären Parlamentswahltermin. Die Rechte wird den knappen Sieg als ein Misstrauensvotum gegen Tusk und die Liberalen deuten und versuchen, die Regierung vor dem Ende der Legislaturperiode zu stürzen.

Doch die Gewichte haben sich verschoben: Nicht mehr die graue Eminenz der PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, sondern der „polnische Trump” Mentzen bestimmt jetzt die Agenda von rechts. Die Nationalkonservativen, deren neues Aushängeschild Nawrocki sein wird, werden durch die Bedrohung von Mentzen noch nationalistischer, noch radikaler, noch EU-feindlicher auftreten müssen, und auch die Solidarität mit dem Nachbarland Ukraine könnte dabei auf der Strecke bleiben. Und auch Tusk muss gegenüber Brüssel und Berlin äußerst selbstbewusst auftreten, will er noch eine Chance gegen die Rechte haben.

Nawrocki hat mit antideutschen Tönen nicht gespart

Für den Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen bedeutet das nichts Gutes. Jetzt rächt sich, dass Olaf Scholz das Thema Reparationen nicht durch eine symbolische Geste gegenüber Tusk abgeräumt hat. Nawrocki hat im Wahlkampf mit antideutschen Tönen nicht gespart und wird auch dieses Thema, mit Billionenforderungen, wieder auf die Agenda setzen. Es rächt sich zudem, dass Friedrich Merz mit den unabgesprochen verschärften Grenzkontrollen der polnischen Rechten einen Wahlkampfschlager geliefert hat.

Gegenüber Warschau wird nun viel Geschick und Geduld nötig sein. Man kann nur hoffen, dass die Bundesregierung beides aufbringt.