Meinung

Diese Regierungschefs haben Putins Täuschungsmanöver durchschaut

Die Forderung der Europäer nach einer 30-tägigen Waffenruhe im Ukraine-Krieg mag wenig Chancen auf Erfolg haben – richtig ist sie trotzdem, meint unser Autor.

Großbritanniens Premierminister Keir Starmer (v.l.), der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der deutsche Kanzler Friedrich Merz und Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen, bei ihrem Treffen in Kiew. | © Kay Nietfeld/dpa

11.05.2025 | 11.05.2025, 09:58

Genau das haben der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine wichtigsten europäischen Verbündeten bei ihrem Gipfeltreffen in Kiew befürchtet: Dass der russische Präsident Wladimir Putin auf ihre Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe mit der für ihn typischen Verzögerungstaktik reagiert. Denn genau darum handelt es sich bei seinem vergifteten Gegenangebot, direkte Friedensgespräche mit der Ukraine aufzunehmen.

Putin versteht sich meisterhaft darin, Friedenswillen zu simulieren, während er ukrainische Städte mit Drohnen und Raketen terrorisieren lässt. Ginge es ihm um eine Friedensperspektive, könnte er mit einem Federstrich die Waffen schweigen lassen – und damit die Grundlage für ernsthafte Verhandlungen schaffen. Was Moskau von der Initiative der Europäer wirklich hält, machte Putins Mann fürs Grobe, Dmitri Medwedew, deutlich: Sie könnten sich ihre Friedenspläne „in den Hintern“ schieben, verkündete der Vizechef des nationalen Sicherheitsrates – auf Englisch, damit es im Westen auch jeder versteht.

Trump trägt die Initiative offenbar mit

Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und Polens Ministerpräsident Donald Tusk haben Putin durchschaut. Bei ihrem gemeinsamen Besuch bei Selenskyj in Kiew haben sie ihre Forderung daher mit einem Ultimatum verknüpft: Sollte der Kremlchef einer Waffenruhe ab diesem Montag nicht ohne Vorbedingungen zustimmen, haben sie eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland angedroht. Jetzt müssen sie beweisen, dass ihren Worten Taten folgen.

Das Spitzentreffen in Kiew, das Teil eines Gipfels der „Koalition der Willigen“ zur Unterstützung der Ukraine gewesen ist, hat den Druck auf Moskau besonders aus einem Grund erhöht: Nach übereinstimmender Aussage Selenskyjs und seiner Besucher trägt US-Präsident Donald Trump die Initiative mit. Der Westen, den der unberechenbare US-Präsident gerade noch zu spalten drohte, scheint nun wieder als Bollwerk gegen Putin zusammenzustehen.

Putin ist nicht isoliert

Selbst wenn diese Einigkeit allerdings heute herrschen sollte: Angesichts von Trumps Unberechenbarkeit könnte sie morgen schon wieder Geschichte sein. Zudem ist Putin nicht so isoliert, wie die demonstrative Geschlossenheit bei dem Spitzentreffen glauben machen könnte. Das hat er gerade erst mit seiner als Weltkriegsgedenken getarnten Machtdemonstration bewiesen, wo ihm unter anderem Chinas Präsident Xi Jinping die Ehre gab.

Dass der Vorstoß für eine Waffenruhe wohl keinen schnellen Frieden bringt, wissen auch Merz und seine Mitstreiter. Das ändert nichts daran, dass die Initiative richtig ist. „Vielleicht eine kleine Chance“ auf ein Ende des Krieges rechnet sich der neue Bundeskanzler aus. Nach mehr als drei Jahren der russischen Aggression ist das allemal besser als keine Chance.