Es gibt in Dresden auch nach dem Einsturz der Carolabrücke ein paar stabile Brücken über die Elbe. Und es gab im sächsischen Landtag direkt am Elbufer am Mittwoch noch einen einigermaßen gesichtswahrenden Weg für Michael Kretschmer, Ministerpräsident zu werden. Ist also alles gut in Sachsen?
Nichts ist gut. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer (49) und seine Minderheitsregierung mit der arg geschrumpften SPD sind nur deshalb mit Ach und Krach und im zweiten Wahlgang im Amt bestätigt worden, weil er sich von Sahra Wagenknecht und ihrem Polit-Start-up abhängig gemacht hat. Das BSW habe von Kretschmer laut Wagenknecht Zusagen für „Initiativen für den Frieden“ bekommen. Die Partei-Alleinherrscherin machte aber auch klar: „Wir werden diese Regierung nicht tolerieren. Wir werden sehr klar sagen, was wir uns erwarten, und wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, werden wir dagegen stimmen.“
Michael Kretschmer hat sich also auch nach dem Scheitern der Brombeer-Koalitionsgespräche in Wagenknechts Hand gegeben – ohne das BSW als Teil einer Landesregierung in die Verantwortung nehmen zu können. Er hat sich selbst in diese Situation manövriert, durch seinen aggressiven und oft unfairen Wahlkampf gegen den Ex-Koalitionspartner Grüne und durch sein Festhalten an der längst obsoleten Brandmauer gegen die gefledderte Linkspartei. Nun ist er – Ironie des zweiten Wahlgangs – zudem auch Ministerpräsident von Gnaden der Linken.
Sachsen drohen fünf Jahre Instabilität
Sachsen, das mit vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern bevölkerungsreichste Ost-Bundesland und Kretschmer, Friedrich Merz wichtigster Statthalter im Osten, stehen nun vor fünf Jahren Instabilität. Wie eine schwankende Elbbrücke, die nur noch mit Seilen und Klebeband in Position gehalten wird und beim nächsten großen Hochwasser unweigerlich weggeschwemmt wird.
Kretschmer kann nur dankbar dafür sein, dass die Populisten und Rechtsextremen, also die AfD und Matthias Berger, der einzige Abgeordnete und gescheiterte Gegenkandidat, sich am Mittwoch selbst ausgetrickst haben. Der „doppelte Kemmerich“ ist eben ein wahltaktisches Manöver, das nicht jeder beherrscht. Die AfD beließ ihren Partei- und Fraktionschef Jörg Urban im zweiten Wahlgang im Rennen, wählte dann aber Berger - anscheinend in der Hoffnung, dass dieser auch vom BSW gewählt würde und so unverhofft Kretschmer besiegen könne. Die Folge: Urban ist beschädigt, Kretschmer wiedergewählt.
Aber auch die AfD wird in den kommenden Jahren dazulernen und die Punkte finden, an denen sie Kretschmer wehtun kann. Dass Kretschmer jede Zusammenarbeit mit der in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei ausgeschlossen hat - auch gegen den Widerstand einiger seiner Parteifreunde - klärt zumindest die Fronten.
Michael Kretschmer muss sein Minderheitskabinett mit Vorsicht und Pragmatismus durch die nächsten fünf Jahre steuern. Sollte ihm das gelingen, könnten die Begriffe „sächsische Verhältnisse“ und „Stabilität“ wieder zusammenpassen.