
Mit „The Alters“ liefert 11 Bit Studios ein Science-Fiction-Spiel, das weit über das übliche Survival- und Management-Genre hinausgeht. Die Prämisse: Jan Dolski, einziger Überlebender einer gescheiterten Expedition auf einem fremden, tödlichen Planeten, kämpft nicht nur gegen äußere Gefahren – sondern auch gegen sich selbst, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Um zu überleben, muss er sich mithilfe des mysteriösen Elements Rapidium alternative Versionen seiner selbst schaffen, sogenannte „Alters“, die unterschiedliche Lebensentscheidungen getroffen haben und daher eigene Persönlichkeiten, Fähigkeiten und Schwächen mitbringen.
Die Atmosphäre ist von Anfang an bedrückend und intensiv: Die fremde Welt ist karg, bedrohlich und voller tödlicher Sonnenstrahlung und Magnetstürme, die einen ständigen Zeitdruck erzeugen. Die mobile Basis, ein riesiges Rad, muss immer weiterbewegt werden, um nicht vom gnadenlosen Sonnenaufgang eingeholt zu werden. Das Spiel inszeniert so einen ständigen Überlebenskampf, bei dem zu jeder Minute jede Entscheidung zählt – sowohl draußen beim Ressourcenabbau als auch drinnen bei der Verwaltung und dem Umgang mit den eigenen Klonen.
Worum geht’s in dem Spiel?

Im Kern ist „The Alters“ ein Survival- und Managementspiel mit starker narrativer Komponente. Die Spieler steuern Jan Dolski, der auf einem lebensfeindlichen Planeten gestrandet ist. Um zu überleben, erschafft er alternative Versionen seiner selbst, die verschiedene Lebenswege eingeschlagen haben. Diese „Alters“ bringen jeweils spezifische Fähigkeiten, aber auch eigene Wünsche, Ängste und Überzeugungen mit. Die Spieler müssen Ressourcen sammeln, die Basis ausbauen, die Bedürfnisse der Alters managen und gleichzeitig versuchen, der tödlichen Sonne immer einen Schritt voraus zu sein.
Was hat uns gefallen?

„The Alters“ hebt sich mit seiner Prämisse deutlich von anderen Survival-Spielen ab. Die Möglichkeit, alternative Versionen der Hauptfigur zu erschaffen, ist nicht nur ein erzählerischer Kniff, sondern wird tief in die Spielmechanik integriert. Die Alters sind keine bloßen Klone, sondern glaubwürdige Charaktere mit eigenen Biografien, Stärken, Schwächen und Weltanschauungen. Jede Interaktion mit ihnen kann neue Perspektiven eröffnen, Konflikte auslösen oder überraschende Synergien schaffen. Die Dialoge sind bewegend, manchmal humorvoll, und regen auch zum Nachdenken an. Besonders gelungen: Das Spiel stellt existenzielle Fragen nach Identität, Reue und den Konsequenzen von Entscheidungen, ohne dabei belehrend zu wirken.
So verliert einer unserer Alters einen Arm. Der Wissenschafts-Alter sagt: „Klar, ich forsche einfach nach einer Prothese.“ Aber der Techniker-Alter sagt im Gespräch: „Schonmal drüber nachgedacht, was das mit einem Menschen macht, wenn da jemand über seinen Kopf hinweg entscheidet? Vielleicht will er lieber einen echten Arm?“ Als Spieler haben wir dann die Entscheidung: Lassen wir nach einer Prothese forschen oder nach einem Serum, das den Arm nachwachsen lässt?
Das Survival- und Management-System verlangt ohnehin durch und durch strategisches Denken. Ressourcen sind knapp, jede Entscheidung – vom Bau neuer Module bis zur Auswahl, welche Alters erschaffen werden – hat spürbare Konsequenzen. Der ständige Zeitdruck durch die wandernde Sonne zwingt zu effizienten Abläufen und Priorisierungen. Und: Die Alters sind nicht nur Arbeitskräfte, sondern Individuen mit eigenen Bedürfnissen, die gepflegt und motiviert werden wollen.

Außerdem hat uns gefallen, dass die eigentlich karge, lebensfeindliche Welt visuell beeindruckend umgesetzt ist. Die ständige Bedrohung durch die tödliche Sonne und die Einsamkeit auf dem Planeten erzeugen eine dichte, fast klaustrophobische Stimmung. Das Sounddesign verstärkt diese Atmosphäre: Dezente Musik, das Dröhnen der Maschinen und die gelegentlichen Funksprüche sorgen für eine packende Stimmung.
Da man nie alle Alters in einem Durchlauf freischalten kann und jede Partie durch andere Kombinationen von Persönlichkeiten und Fähigkeiten geprägt ist, lädt „The Alters“ zu mehreren Spieldurchgängen ein. Unterschiedliche Entscheidungen führen zu völlig neuen Dynamiken, was das Spiel auch langfristig interessant hält. So haben wir in rund neun Spielstunden unserer mobilen Basis zweimal den Garaus gemacht.
Beim ersten Mal haben wir die Magnetstürme auf die leichte Schulter genommen und hatten nicht genug Ersatzteile parat, weshalb alle Alters gestorben sind. Beim zweiten Durchgang haben zwei Alters gegen uns rebelliert – vielleicht waren wir etwas knauserig bei der Zubereitung der Mahlzeiten. Aber man muss auch sagen: Manche Alters sind auch ganz schön fordernd: Während wir als Spieler das Gefühl haben, dass wir den ganzen Laden am Laufen halten, genießen unsere Alters geregelte Arbeitszeiten und eine Runde Bierpong am Abend. Und sobald der Chef nicht hinhört, wird die Rebellion geplant. Das haben wir ja gern!
Technisch haben wir keinerlei Probleme festgestellt. Die Steuerung ist intuitiv, das Interface übersichtlich und die Ladezeiten angenehm kurz.
Was hat uns nicht gefallen?

Obwohl die Story stark ist, werden viele entscheidende Szenen lediglich als animierte Storyboards mit Voiceover präsentiert. Das nimmt manchen Momenten ihre emotionale Wucht und lässt die Inszenierung im Vergleich zu AAA-Titeln etwas altbacken wirken.
Und so tiefgründig die Alters auch angelegt sind: Nach einigen Stunden wiederholen sich bestimmte Gesprächsfetzen und Konflikte. Gerade bei längeren Spielsessions kann das die Immersion stören und den Eindruck erwecken, dass die Charaktere doch weniger komplex sind, als wir zunächst angenommen haben.
Das Ressourcen- und Zeitmanagement ist fordernd, Fehler werden kaum verziehen. Wer das Genre nicht kennt oder sich nicht intensiv mit den Mechaniken auseinandersetzt, kann schnell in Sackgassen geraten. Einsteigerfreundliche Tutorials oder adaptive Schwierigkeitsgrade fehlen weitgehend. Zwar können wir die Action-Elemente auf „leicht“ stellen, das besonders fordernde Wirtschaftsmanagement kennt nur die Schwierigkeitsstufen „Standard“ und „Herausforderung“. Hier wäre eine leichte, einsteigerfreundliche Option gut gewesen.
Die Aufgaben im Basenbau und Ressourcenmanagement wiederholen sich dann leider auch nach einigen Stunden. Auch die Umgebung des Planeten bleibt trotz atmosphärischer Inszenierung relativ monoton, was auf Dauer zu Langeweile führen kann.
Unser Fazit zu „The Alters“

„The Alters“ ist ein außergewöhnliches Science-Fiction-Erlebnis, das die Grenzen zwischen Survival, Strategie und narrativem Rollenspiel auflöst. Es ist ein Spiel, das auch existenzielle Fragen stellt und den Spieler zwingt, sich mit den eigenen Entscheidungen auseinanderzusetzen.
Die innovative Mechanik der alternativen Ichs ist mehr als ein Gimmick: Sie ist das Herzstück eines Spiels, das Mut zur Komplexität beweist und dabei seltene emotionale Tiefe erreicht. Kleine Schwächen in der Präsentation und Zugänglichkeit trüben das Gesamtbild kaum.
Wer sich auf das Abenteuer einlässt, wird mit einem der klügsten und eindringlichsten Spiele des Jahres belohnt.
„The Alters“ ist seit dem 13. Juni 2025 für PC, PlayStation 5 und Xbox Series X|S erhältlich und kostet rund 35 Euro. Das Spiel ist ab 16 Jahren freigegeben.