Als der Computerspiel-Entwickler Obsidian Entertainment sein neues Rollenspiel “Avowed” ankündigte, kamen gleich Vergleiche mit “Skyrim” auf, dem noch heute einzigartigen Rollenspiel der Bethesda Game Studios. Im Laufe der Entwicklung wurde das Ziel vom Team etwas heruntergeschraubt, und jetzt haben wir uns angeschaut, ob “Avowed” diesen Vergleich überhaupt nötig hat.
“Avowed” beginnt wie viele Rollenspiele seiner Art. Nach einem Schiffbruch kommen wir an einem Strand zu uns und Garryck, der einzige andere Überlebende, berichtet, dass wir von einem unserer eigenen Außenposten angegriffen wurden. Das können wir uns gar nicht erklären, weshalb wir uns gleich auf den Weg machen, das Rätsel zu lösen.
Dieser erste Bereich im Spiel funktioniert als Tutorial, und nachdem wir die Start-Insel durchgespielt haben, machen wir uns mit einem Boot auf den Weg nach Paradis, der Hauptstadt im Land der Lebenden. Die Lage ist ziemlich angespannt, denn die meisten Bewohner sind nicht gut darauf zu sprechen, dass sie das Aedyrische Reich quasi besetzt hat und mit eiserner Hand regiert. Aber eigentlich wurden wir vom Imperator von Aedyr ins Land der Lebenden geschickt, um dort einer seltsamen Seuche auf den Grund zu gehen. Und dann ist da noch diese seltsame Stimme in unserem Kopf, die uns um Hilfe bittet.
Wie spielt sich „Avowed“?

Wir sind ein Gottähnlicher, eine von einem Gott gesegnete Person, was sich neben besonderen Fähigkeiten auch an einem pilzähnlichen Geflecht in unserem Gesicht bemerkbar macht. Form und Größe dieses Pilzes können wir im umfangreichen Charaktereditor am Anfang anpassen und sogar für uns deaktivieren, im Spiel spielt es aber immer wieder eine Rolle und wir werden öfter darauf angesprochen oder sogar angefeindet. Eine besondere Klasse spielen wir nicht, stattdessen wählen wir unseren Kampfstil aus mehreren Talentbäumen aus.
Die Geschichte ist durchaus interessant erzählt, teilweise aber etwas unspektakulär. Während des Abenteuers reisen wir durch vier große Gebiete, begleitet von mehreren Charakteren, auf die wir im Laufe des Spiels treffen. Jeder von ihnen hat eine eigene Hintergrundgeschichte, die sie uns während unserer Reise erzählen – manche davon waren wirklich bewegend. Alle Begleiter haben ihren eigenen Talentbaum, den wir aufleveln können, um sie im Kampf stärker zu machen. Wobei sie meistens nicht sehr hilfreich sind, da die Gegner sich eher auf uns konzentrieren.
Eine wirkliche Open World hat “Avowed” nicht, die Gebiete sind aber schön gestaltet und laden zum Erkunden ein. In verfallenen Ruinen ist neue Ausrüstung versteckt, bewacht von Gegnern wie Echsenwesen, Bären oder Geistern. Die Kämpfe sind je nach Waffengattung mehr oder weniger fordernd. Im Nahkampf mit Schwert und Schild haben wir öfter das Zeitliche gesegnet, deshalb haben wir uns für den Bogen und Magie entschieden, damit wir gut durch die meisten Kämpfe kommen.

“Avowed” ist aber kein reines Fantasy-Abenteuer, sondern bietet auch die Möglichkeit, Pistolen und Musketen zu benutzen. Dann fühlt sich das Spiel schon fast wie ein First-Person-Shooter an. Von Anfang an können wir zwischen zwei Waffensets wechseln, was auch in heiklen Situationen gut von der Hand geht. Mit dem Craftingsystem verbessern wir unsere Waffen und Rüstungen, damit wir auch in schwierigeren Kämpfen nicht zu schnell das Zeitliche segnen. Dafür erwischen wir uns aber immer wieder beim langwierigen Sammeln von Material in Nebenquests, was “Avowed” unnötig in die Länge zieht. Das Spiel zwingt uns allerdings regelrecht dazu, denn schnell werden Gegner zu stark.
Positiv aufgefallen ist uns, dass sich “Avowed” fast wie ein Parkour-Spiel anfühlt. Wir finden Holzpalisaden, Mauerreste oder Felsvorsprünge in der Welt, bei denen wir denken: “Mmmh, da könnte man doch mal hochklettern.” Gesagt, getan, und plötzlich haben wir viele Höhenmeter überwunden, blicken auf die wunderschöne Landschaft und finden eine versteckte Kiste, die noch besseren Loot enthält. Das macht wirklich Spaß, und wir hätten gerne mehr von der Mechanik gesehen.
Während des Abenteuers treffen wir auf verschiedene Charaktere, die uns auf Nebenquests schicken oder in der Hauptgeschichte weiterbringen. Während der Unterhaltung können wir zwischen mehreren Antworten wählen, hatten aber immer wieder das Gefühl, dass keine zu dem passt, was wir eigentlich gerne gesagt hätten. Die Charaktere und Dialoge sind toll geschrieben, aber manchmal fühlen wir uns wie ein Statist, der mal in den Raum kommt und einen Satz sagt, um die Geschichte voranzubringen. Wirkliche Entscheidungsfreiheit fühlt sich anders an.
“Avowed” ist übrigens im Universum von “Path Of Exile” angesiedelt, einem weiteren Spiel von Obsidian Entertainment. Wir müssen uns dort aber nicht auskennen, “Avowed” spielt sich auch ohne Hintergrundwissen problemlos.
Was hat uns gefallen?

Die Welt von “Avowed” ist sehr bunt und schön und lädt zum Entdecken ein. Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Kampfstilen zu wechseln, hält das Gameplay frisch und spannend. Außer unserer Spielfigur sind alle Charaktere – leider nur auf Englisch – vertont und klingen sehr professionell. Für Menschen ohne Englischkenntnisse gibt es aber deutsche Untertitel. Unser Testexemplar lief stabil und ohne Abstürze.
Was hat uns nicht gefallen?
So schön die Welt auch ist, sie wirkt manchmal wie eine Theaterkulisse. Immer wieder finden wir Kisten, Rucksäcke oder Schränke an interessant aussehenden Orten, mit denen wir aber nicht interagieren können. Auf einem Tisch liegt dann ein Brief oder ein Buch, das die Geschichte weitererzählt. Die ist Obsidian-typisch gut erzählt, aber wir hätten uns gewünscht, öfter auch mal Gegenstände in die Hand nehmen zu können, um sie genauer zu untersuchen. Auch Paradis, immerhin die Hauptstadt, wirkt überraschend leer. Zusammen mit der gefühlten Statistenrolle in den Dialogen ist das leider eine offensichtliche Schwäche von “Avowed”.
Unser Fazit zu „Avowed“
“Avowed” hat sich viel vorgenommen, aber man merkt dem Spiel an, dass während der Entwicklung immer mehr Ideen dem Schneidetisch zum Opfer fielen. Trotzdem ist es ein spannendes Abenteuer, das dank der schönen Welt, den komplexen Charakteren und der spannenden Geschichte überzeugen kann – wenn man die kulissenhafte Inszenierung ignoriert. Auf ein neues “Skyrim” werden wir daher wohl weiter warten müssen.
“Avowed” ist seit dem 18. Februar 2025 für PC und Xbox Series S/X erhältlich, außerdem ist die Standardversion im Gamepass enthalten. Eine PS5-Version ist derzeit leider nicht angekündigt. Die Standardversion kostet rund 70 Euro, für knapp 20 Euro mehr gibt es die Premium-Edition, die neben fünf Tagen früheren Zugang (begann bereits am 13. Februar) auch ein Artbook und den Soundtrack enthält. Ein Seasonpass oder Story-DLCs sind bisher nicht angekündigt, da wartet Microsoft womöglich die Verkaufszahlen ab.