Paderborner Erwin Grosche seit 50 Jahren auf der Bühne: "Es geht um Magie"

Paderborn. Es riecht nach Stoff, Teppichen und Kabelsalat, wie in einem Kino der 1970er Jahre eben. Doch der Saal im Amalthea-Theater von Paderborn ist bedeutend kleiner. 70 Gäste passen rein in die künstlerische Heimat von Erwin Grosche. Auf den Stuhllehnen stehen Namen. Man kennt sich in der Szene. &bdquo;Das Licht lügt nicht“, sagt Grosche mit leuchtenden Augen. Jenen charakteristischen Augen, die der Kleinkünstler als bedeutenden Katalysator seiner Karriere einzusetzen versteht. Nun steht er genau in diesem Lichtkegel und man merkt: Jedes Zucken im Mundwinkel, jede Änderung im Augenaufschlag, jede Geste mit den Händen – das ist alles andere als ein Zufall. Sie sind das auf die Bühne gebrachte, ursprüngliche Leben. Seit 50 Jahren steht der Kleinkünstler im kommenden Jahr auf den Brettern, die auch für den 67-jährigen Paderborner die Welt bedeuten. &bdquo;Ich komme von der Bühne auf die Bühne“, sagt Grosche, der den Spaß am Auftreten vor Publikum bei seinem Bruder Heiko abschaute. &bdquo;Es geht um Magie“, umschreibt er das Faszinierende arm Beruf und der Mission der Kleinkunst. Sein Credo lautet: &bdquo;Das Kleine überhöhen und das Große kleinmachen.“ Mit Kuchen die Welt erklären So gewinnen die vermeintlich weniger wichtigen Dinge des Lebens eine große Bedeutung, denn sie sagen viel über das Wesen der Menschen und die Verwicklungen ihres Zusammenlebens aus. So philosophiert Grosche, Sohn eines Bäckermeisters, seit jeher gerne über die Vorlieben für bestimmte Kuchensorten. Kostprobe: &bdquo;Es gibt Kuchen, die geben Antworten, Mohnkuchen aber stellt Fragen.“ Deshalb bevorzugt Grosche Mohnstollen auch erst ab 17 Uhr. &bdquo;Es muss immer jemand dabei sein, der auf einen achtet.“ Die Lösung der Welt im Kuchenessen finden – das ist eine herrliche Vorstellung für Grosche. Herrlich fand er es deshalb, als jüngst bei einem Auftritt in Fürstenberg die rund 100 Zuschauer Kuchen genossen und er selbst oben auf der Bühne über das Kuchenessen fabulieren konnte. Motto: &bdquo;Lass mich dein Apfelkuchen sein.“ Metaphern, die Grosche groß gemacht und ihm zahlreiche Preise eingebracht haben, darunter den Deutschen Kleinkunstpreis im Jahr 1999. Mehr als 100 Bücher hat Grosche bislang geschrieben – inklusive Pixi, wie er schmunzelnd feststellt. Kinderbücher und Kinderlieder, sie ziehen sich wie ein roter Faden durch sein künstlerisches Leben. Der Herder-Verlag fragte einen Band mit Kindergebeten bei ihm an, das ist eines seiner nächsten Projekte. &bdquo;Wenn was läuft, dann sind das meine religiösen Kinderbücher“, sagt Grosche. Grosche hat schon einen Rentenausweis Auch ein neues Bühnenprogramm gibt es zu seinem Jubiläumsjahr. &bdquo;Die Follkommenheit – Wie der Vehler in die Welt kam“, heißt der Titel. Was dahinter steckt, müssen seine Fans selbst herausfinden; am 23. November gibt es auch ein Jubiläumsprogramm mit Gästen in der Paderhalle Paderborn. &bdquo;Perfektion ist das Ende“, verrät Grosche, der schon unter der Regie von Doris Dörrie oder Margarethe von Trotta vor der Kamera gestanden hat. Doch in der Kleinkunst ist die Akribie solcher Filmgrößen nicht angesagt. &bdquo;Wie liebt es das Publikum, wenn man seinen Text vergisst, die Technik quietscht oder das Licht ausgeht.“ Dabei müsste es gar nicht zu weiteren Bühnenjahren kommen, rein formal betrachtet. &bdquo;Ich habe schon einen Rentenausweis“, lacht Grosche. Man kann es kaum glauben und stellt sich den Kleinkünstler als Ruheständler im Ohrensessel vor, der nur dann und wann einmal mit dem Hund Gassi geht. Publikum, was war das noch gleich? So in etwa fühlte sich Grosche auch nach der Unterbrechung des Spielbetriebs infolge der Corona-Pandemie. "Ich stehe morgens auf, weil ich so viel zu tun habe" &bdquo;Ich habe gemerkt, dass die Texte verschwinden, die ich 40 Jahre lang auswendig konnte“, erinnert er sich. Er habe die eigenen Programme wieder bei Null begreifen müssen, da der Zusammenhang zum Alltag verloren gegangen sei. &bdquo;Ich habe die Texte zum Glück neu begriffen.“ Dennoch haben ihn die Pandemie-Folgen nachdenklich gemacht. Denn diese Zeit sei &bdquo;eine Infragestellung der Kultur“ gewesen. Die Politik habe ihr die Systemrelevanz abgesprochen, die anderen Berufen zugebilligt worden sei. &bdquo;Ich hätte es schön gefunden, wenn die Stadt Paderborn gesagt hätte, wir machen die Buchhandlungen und Bibliotheken auf“, blickt Grosche durch die Brille des Lokalpatrioten auf jene Zeit zurück. Doch einen Künstler wie ihn lässt die Kunst der Mimik natürlich nicht los. So zieht es Erwin Grosche auch künftig auf die Kleinkunstbühnen, nur wird der Radius, innerhalb dessen er sich bewegt, etwas kleiner. Das Publikum in Deutschland und insbesondere in Paderborn und Ostwestfalen-Lippe wird ihn noch weiter erleben dürfen, wie er beruhigt. &bdquo;Ich stehe morgens auf, weil ich so viel zu tun habe.“ Und natürlich liebt es Erwin Grosche, wenn sein Publikum mitgeht und viel Beifall spendet. So wie seine Eltern, die oft bei Auftritten in Lippstadt dabei waren, stets in der ersten Reihe. &bdquo;Da musste ich immer aufpassen, dass mein Vater nicht zu viel klatscht. Er klatscht eigentlich immer.“ Seine Mutter sagte dann und wann: &bdquo;Ich verstehe es nicht, aber ich find's klasse.“ Vielleicht sind damit Sätze gemeint wie diese: &bdquo;Ich hasse Brot in Plastiktüten oder Frischhaltebeuteln. Es muss alt werden können. Papiertüten sind besser.“ Das Licht geht aus im Amalthea-Theater. Möge es möglichst rasch wieder angehen.

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