Geht es nach Lukas Kwasniok, sind in der zweiten Runde des DFB-Pokals gleich reihenweise Schiedsrichter falsch abgebogen. «Wenn du halt immer mit Navi unterwegs bist, lernst du irgendwann diese Straßen nicht mehr», kommentierte der Coach des 1. FC Köln das umstrittene Gegentor durch Luis Diaz beim 1:4 (1:2) gegen den FC Bayern München.
Die ungeahndete Abseitsstellung des Kolumbianers war die offensichtlichste Fehlentscheidung bei den Partien am Dienstag und Mittwoch. Und stand in gewisser Weise sinnbildlich für das Dilemma dieses Wettbewerbs. Tradition trifft Moderne. Das geht auch im Fußball nicht immer gut.
Der Pokal - von vielen Fans mitunter genau dafür geliebt, dass er noch so rein und deutlich weniger durchkommerzialisiert daher kommt als die Profiligen - kann er wirklich bis zum Achtelfinale auf den Videobeweis verzichten? Die Diskussionen nehmen wieder Fahrt auf, um in Kwasnioks Bild zu bleiben. Sie drehen sich um Gerechtigkeit, Geld und das Gespür der Unparteiischen.
Eberl für VAR ab zweiter Runde
Was Kölns Trainer mit seinem durchaus treffenden Vergleich meinte: Im Liga-Alltag können sich die Schiedsrichter darauf verlassen, im Zweifelsfall über Funk korrigiert zu werden. Im Pokal gibt es diese Hilfe in den ersten beiden Runden nicht. Wer sich erst einmal daran gewöhnt hat, dem fällt der Umstieg auf die klassische Spielleitung womöglich aber gar nicht so leicht.
Er glaube nicht, dass die Schiedsrichter ihre Entscheidungsfindung verlernt hätten, sagte Kölns Torwart Ron-Robert Zieler. Aber: «Wenn du das ganze Jahr nicht darauf gepolt bist, dann ist es schwieriger in solchen Spielen», sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl. «Wenn man es gewohnt ist und es auch funktioniert, sollte man es auch nutzen.» Es gehe um so viel und er persönlich sei ein «Freund vom Video-Assistenten», erklärte Eberl und meinte daher: «Ich glaube schon, dass ein Video-Assistent ab der zweiten Runde hilfreich wäre.»
Gemessen an den Diskussionen der vergangenen Tage dürften etliche Trainer und Spieler dem Sportchef des Rekordmeisters zustimmen. Auch beim Sieg von Borussia Dortmund bei Eintracht Frankfurt hatte es ein Tor nach Abseitsstellung gegeben. Bei den Erfolgen des Hamburger SV beim 1. FC Heidenheim und des 1. FC Magdeburg beim FV Illertissen durchaus strittige Elfmeterpfiffe.
Drees für Veränderung «grundsätzlich offen»
Sorgt diese Vielzahl an Fehleinschätzungen, die dem Ruf der Referees nicht gerade helfen dürfte, womöglich bald für eine Veränderung? Gibt es den VAR im Pokal künftig schon früher? «Wir als Schiri GmbH sind Dienstleister und würden uns grundsätzlich offen zeigen, sollte der Wunsch an uns herangetragen werden», sagte Jochen Drees, Leiter Innovation und Technologie, auf Anfrage.
Es wären Fragen zur personellen Besetzung und Infrastruktur zu klären, so der 55-Jährige. Wie viele mobile Einheiten überhaupt zur Verfügung stehen. Oder wie die Gegebenheiten an den jeweiligen Standorten aussehen. «In der ersten Runde mit zahlreichen Amateurvereinen wäre die Herausforderung definitiv zu groß», schränkte Drees, jahrelang selbst Profi-Schiedsrichter, aber auch ein.
VAR kostet Bundesliga fast fünf Millionen Euro
In den Stadien der unterklassigen Teams fehlen oftmals die Voraussetzungen für einen Einsatz des Video-Assistenten. Den hohen technischen und vor allem finanziellen Aufwand wolle man diesen Clubs nicht zumuten, hieß es vom DFB. Schließlich tragen sie die Kosten selbst. Die Bundesligisten zahlten allein für die VAR-Technik in der vergangenen Saison zusammen fast fünf Millionen Euro.
Zudem, so der DFB, sollen alle Partien unter den gleichen Voraussetzungen stattfinden. Heißt: Wer auf dem Dorfplatz eines Amateurvereins antritt, soll nicht durch eine Entscheidung benachteiligt werden, die in einer modernen Arena mit technisch besserer Ausstattung womöglich anders ausfallen würde.
In der Bundesliga ist der VAR am Wochenende wie gewohnt wieder im Einsatz. Moderne statt Tradition. Neue Diskussionen dürfte es trotzdem geben.

