Entkräftet, aber überglücklich breitete Rad-Star Tadej Pogacar nach der Kletter-Show im Land der tausend Hügel seine Arme aus und ließ sich flankiert von Scharen an Fans in Ruanda feiern. Der slowenische Ausnahmerennfahrer hat bei der ersten Weltmeisterschaft in einem afrikanischen Land seinen zweiten WM-Triumph nach einem beeindruckenden 66-Kilometer-Solo perfekt gemacht und den Titel erfolgreich verteidigt. Zudem nahm er Revanche für die denkwürdige Pleite im Zeitfahren gegen den Belgier Remco Evenepoel.
Pogacar trotzte am Sonntag den harten Bedingungen des Straßenrennens und triumphierte nach einer äußerst erfolgreichen Saison samt Tour-de-France-Sieg in der Hauptstadt Kigali. Der beste Fahrer seiner Generation meisterte die anspruchsvollen 267,5 Kilo- und 5475 Höhenmeter mit über einer Minute Vorsprung vor Evenepoel und dem Iren Ben Healy. Im vergangenen Jahr hatte Pogacar in der Schweiz seinen ersten WM-Titel gefeiert, nachdem er rund 100 Kilometer an der Spitze gefahren war.
Pogacar distanziert Konkurrent Evenepoel früh

Angefeuert von zehntausenden ohrenbetäubend feiernden Fans am Mont Kigali legte der Slowene den Grundstein für seinen zweiten WM-Sieg. Schon 100 Kilometer vor dem Ziel wurde klar, dass es nicht zum erwarteten Duell zwischen dem viermaligen Tour-de-France-Champion und dem dreimaligen Zeitfahrweltmeister Evenepoel kommen würde. Wie schon oft zuvor zeigte der künftig für das deutsche Red-Bull-Team fahrende Belgier Probleme bei langen Anstiegen.

Dafür entwickelte sich nach der bergigen Kopfsteinpflaster-Herausforderung an der Mur de Kigali zunächst ein Team-internes Duell zwischen Pogacar und dem mexikanischen Jungstar Isaac del Toro. Beide fahren für den UAE-Rennstall. Del Toro sorgte beim diesjährigen Giro d'Italia für Aufsehen mit seinem zweiten Gesamtrang.
Evenepoel verlor währenddessen weitere wertvolle Sekunden, als sein Fahrrad einen Defekt hatte und er genervt auf seinen Ersatz wartete. Knapp 66 Kilometer vor dem Ziel fuhr Pogacar dem entkräfteten del Toro davon und begann seinen nächsten Soloritt. Evenepoel kam überraschend wieder zurück in Pogacars Verfolgergruppe. Allerdings blieb der Abstand zwischen dem Slowenen und der kleinen Gruppe konstant bei etwa einer Minute.
Pogacar dürfte die Revanche für seine deutliche Pleite im Zeitfahren vor einer Woche in Ruanda genossen haben. Der Belgier war dabei 2:37 Minuten schneller. Obwohl er zweieinhalb Minuten später gestartet war, hatte er den Slowenen noch überholt.
Magenprobleme bremsen Deutsche
Die Strecke des Straßenrennens bei der ersten WM in einem afrikanischen Land hatte es in sich: Auch anspruchsvolle klimatische Bedingungen bei etwa 28 Grad in der rund 1.500 Meter hoch gelegenen Hauptstadt Kigali forderten ihren Tribut. Hunderttausende Fans aus dem Radsport-begeisterten Land erlebten das Spektakel am Straßenrand.
Die Deutschen erlebten derweil einen Tag zum Vergessen, niemand kam im Ziel an. Drei der vier deutschen Profis stiegen früh vom Rad. Dafür sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor allem Magenprobleme verantwortlich gewesen. Der deutsche Straßenmeister Georg Zimmermann, Jonas Rutsch und Felix Engelhardt waren alle schon vor der Hälfte nicht mehr Teil des Rennens. Marius Mayrhofer fuhr zu Beginn lange in der Spitzengruppe mit, wurde aber knapp 115 Kilometer vor dem Ziel eingeholt. Auch er erlebte die finale Zieleinfahrt nicht.
Schon während der Woche hatten deutsche Radsportler über Magenprobleme geklagt. Liane Lippert etwa musste das Mixed-Rennen am Mittwoch auslassen und berichtete am Samstag, dass sie sich während des Straßenrennens übergeben musste. Angesichts der Bedingungen wurde schon vor dem Rennen erwartet, dass nur ein kleiner Teil der Profis das Rennen beenden wird.
Medaillenlose WM aus deutscher Sicht
Die Deutschen hatten beim Straßenrennen ohnehin kaum Chancen auf eine Spitzenplatzierung. Ohne die aus verschiedenen Gründen daheim gebliebenen Topstars Florian Lipowitz, der bei der Tour de France sensationell Dritter wurde, und etwa Pogacars Edelhelfer Nils Politt startete das schwarz-rot-goldene Aufgebot. Die beste Platzierung feierte zuletzt der in Ruanda wegen einer Krankheit nicht angetretene Maximilian Schachmann, als er bei der Corona-Ausgabe 2020 Neunter beim Straßenrennen wurde, davor hatte André Greipel zuletzt 2011 eine Medaille auf der Straße geholt.
Die Deutschen beendeten die historische WM in einem afrikanischen Land ohne Medaille. Seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 gab es mit Ausnahme der nur im Profibereich ausgetragenen Corona-Ausgabe 2020 bei den Straßen-Weltmeisterschaften immer mindestens eine deutsche Medaille.