Elektroschock-Waffe

Studien zu Tasern: Polizisten zufrieden - aber auch Kritik

Ein Polizeibeamter demonstriert einen Taser (Archivfoto) | © Rolf Vennenbernd/dpa

10.11.2025 | 10.11.2025, 16:36

1.500 bis 2.600 Volt jagen durch den Körper, wenn man von den Elektroden eines Tasers getroffen wird. Das haut jeden um. Und diese Vorstellung macht offenbar Eindruck: So reicht es in den allermeisten Fällen, dass Polizisten zu der grellgelben Waffe greifen - und damit drohen. Das war schon aus Auswertungen des Innenministeriums bekannt.

Jetzt gibt es unabhängige wissenschaftliche Studien, die belegen: Die Polizisten in NRW sind höchst zufrieden mit dem Taser - sie ziehen ihn nur manchmal zu schnell.

Wie kam es zu den Studien?

CDU und Grüne hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt, den Taser (seit 2021 in ersten Städten und Kreisen im Einsatz) weiter im Pilotbetrieb zu testen und mehrere Studien in Auftrag zu geben. Solange bleiben die Distanz-Elektroimpulsgeräte (DEIG) erst mal nur in 18 von 47 Kreispolizeibehörden im Einsatz.

Eine erste Untersuchung zu medizinischen Auswirkungen war bereits vor einem Jahr vorgestellt worden. Das damalige Gutachten nannte die Elektroschock-Pistole eine «sinnvolle Ergänzung» für die Polizei.

Jetzt sind die beiden letzten Studien fertig, sie liegen der Deutschen Presse-Agentur vor. Eine ist von der Hochschule der Polizei NRW und eine von der Berlin School of Economics and Law. Für die beiden Gutachten - 180 beziehungsweise 250 Seiten dick - wurden unter anderem 12.556 Beamte im Streifendienst zu Online-Umfragen eingeladen. Knapp 4.000 Polizisten antworteten.

Wie bewerten Polizisten den Taser?

«Das DEIG ist ein Einsatzmittel, das nicht nur bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auf hohe Akzeptanz stößt, die mit dem DEIG ausgestattet sind, sondern auch bei denjenigen in Wachen ohne DEIG», bilanziert das Gutachten der Polizeihochschule.

Der größte Mehrwert sei aus Sicht der Polizisten, «dass mit der Androhung des DEIG ohne großen Aufwand Personen vergleichsweise zuverlässig beruhigt und zum Befolgen polizeilicher Anweisungen gebracht werden können, ohne dass dazu eine körperliche Auseinandersetzung riskiert werden muss.»

Zudem lobten die befragten Beamten die intuitive Handhabung und das auffällige Gelb - durch das für das Gegenüber klar werde, dass es sich nicht um eine echte Pistole handelt. In einer Zusammenfassung der Polizeihochschul-Studie heißt es: «Die Funktionalität und Zuverlässigkeit des Geräts werden sehr positiv bewertet.» Auch der Lichtbogen, den man als Drohung anschalten kann, habe es den Polizisten angetan.

Wann wird die Waffe genutzt?

Im Gutachten der Polizeihochschule heißt es: «Als typische polizeiliche Einsätze werden Bedrohungslagen, Widerstandssituationen, Nachbarschaftskonflikte, auch im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt, sowie größere Veranstaltungen und Menschenansammlungen genannt.»

Bei einer Androhung des Taser-Einsatzes sei etwa jede dritte Person bewaffnet, bei einem Abschuss seien zwei Fünftel der Personen bewaffnet, «nicht selten mit einem Messer.» Aber: Die Mehrheit der Personen sei unbewaffnet.

Laut den Forschern wird der Taser häufig gegen Personen eingesetzt, die als körperlich überlegen eingeschätzt werden. Außerdem gegen Menschen, die sich offenbar in einer psychischen Ausnahmesituation befinden. Auffällig: Jeder Zweite der Befragten hat die Waffe schon mal angedroht, aber nur etwa jeder Siebte hat sie abgeschossen. Die Differenz liegt daran, dass sich die Personen laut der Erhebung in vier von fünf Fällen beruhigen, wenn sie den Taser sehen.

Wie zuverlässig ist die Elektroschock-Pistole?

«In etwa zwei Drittel der Fälle trifft der erste Abschuss des DEIG», so die Forscher der Polizei-Hochschule: «Der zweite Schuss trifft in jedem siebten Fall, sodass beide Abschüsse zusammen etwa in vier von fünf Fällen treffen.» Nach einem Treffer gehen die Personen meistens zu Boden und beruhigen sich. Geht der Schuss vorbei, werden die Randalierer oft noch aggressiver - oder sie wollen flüchten.

Was hält die Bevölkerung von der neuen Waffe?

Das sollten die Berliner Wissenschaftler untersuchen. Ernüchterndes Ergebnis: Die Bevölkerung nimmt die Ausstattung der Polizei mit Tasern kaum wahr, daher hätten die meisten Menschen auch «keine näheren Vorstellungen zu deren möglichen Folgen.» Von daher - so die Studie - sei eine flächendeckende Einführung der Waffe für die öffentliche Wahrnehmung «ohne Bedeutung».

Gibt es auch Kritik?

Ja. Die Wissenschaftler der Polizei-Hochschule sehen das Phänomen, das ein Taser zu schnell gezogen wird. Der Einsatz einer Waffe ist streng geregelt, es muss eine akute Bedrohung geben und vorher soll erst mal geredet werden.

«Bedenklich ist allerdings, dass etwa jede sechste Androhung des DEIG ohne vorherige Bedrohung und Selbstgefährdung erfolgt», so die Forscher. Das geschehe zum Beispiel, um «langwierige gewaltfreie Bemühungen» zu vermeiden oder aus Selbstschutz vor «körperlichen Auseinandersetzungen».

Die Studie spricht von einer «Zweckentfremdung» des Tasers, wegen der man striktere Regeln für die Beamten einführen sollte. Sinnvoll wäre demnach auch eine Kopplung des DEIG mit der Bodycam, sodass die Kamera jedes Mal automatisch den Einsatz filmen würde.

Was sind die ersten Reaktionen auf die Studien?

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW sieht sich durch die beiden neuen Studien in ihrer Forderung bestätigt, den Taser sofort landesweit auszurollen. Das DEIG sei ein «hocheffizientes und lebensrettendes Einsatzmittel», so GdP-Landeschef Patrick Schlüter. Der Taser schließe «die gefährliche Lücke zwischen Einsatzmehrzweckstock und Schusswaffe und ist damit unverzichtbarer Baustein moderner, verhältnismäßiger Polizeiarbeit.»

SPD-Innenexpertin Christina Kampmann kritisierte die inzwischen Jahre dauernde Testphase. «So wie es aussieht, steht laut der Gutachten einer flächendeckenden Einführung nichts im Wege», so Kampmann.

Christios Katzidis, innenpolitischer Sprecher der CDU, sagte: «Es ist unser Anspruch als CDU-Fraktion, unseren Polizistinnen und Polizisten alle erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie im Einzelfall selber entscheiden können, welches sie davon nutzen und welches nicht. Das ist einzelfallabhängig und muss auch anhand des Einzelfalls beurteilt werden.»