Langwierige Odyssee

Mit drei Wirbelbrüchen: Ärzte ignorieren junge Mutter aus Bad Oeynhausen

Rückenschmerzen schränken Dörthe Albert-Menke nach den Geburten ihrer Söhne so stark ein, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen kann. Doch erst drei Jahre später erhält sie die Diagnose Osteoporose.

Dörthe Albert Menke genießt aktuell die Herbstferien mit ihrem Mann Patrick Menke und ihren Söhnen Matti (l.) und Moritz. | © Carolin Nieder-Entgelmeier

Carolin Nieder-Entgelmeier
26.10.2025 | 26.10.2025, 05:00

Bad Oeynhausen. Wenn schon alltägliche Bewegungen wie eine Drehung im Bett, das Heben einer Getränkekiste oder Niesen zu Knochenbrüchen führen, ist das ein Warnsignal für die Skeletterkrankung Osteoporose. Der Knochenschwund betrifft vor allem Frauen nach der Menopause, doch in seltenen Fällen auch in jüngeren Jahren. So wie Dörthe Albert-Menke, die trotz unerträglicher Rückenschmerzen nach den Geburten ihrer Söhne erst nach drei Jahren und drei Wirbelbrüchen von ihren Ärzten ernst genommen wurde. Die 39-Jährige aus Bad Oeynhausen macht ihre Geschichte öffentlich, damit anderen Frauen früher geholfen wird.

Als Albert-Menke 2019 ihr erstes Kind zur Welt bringt, freut sie sich auf die Elternzeit mit Sohn Moritz. Genießen kann sie diese Zeit jedoch nicht, weil ihr drei Monate nach der Geburt Rückenschmerzen die Bewältigung des Alltags unmöglich machen. „Ich konnte Moritz nicht ohne Hilfe tragen, wickeln oder stillen“, erklärt Albert-Menke. „Die Rückenschmerzen waren unerträglich und Schmerzmittel schlugen nicht an.“

Die Lehrerin sucht in ihrer Verzweiflung Hilfe bei einem Orthopäden. „Doch dort hieß es lediglich, dass Rückenschmerzen nach der Geburt normal sind, weil man durch das Tragen und Stillen des Kindes Fehlhaltungen einnimmt, die zu Verspannungen führen.“ Albert-Menke hat zu dieser Zeit bereits einen gebrochenen Wirbel, doch davon weiß sie noch nichts. „Ich wurde nicht geröntgt, obwohl ich darum gebeten hatte.“ Der Orthopäde rät stattdessen zu Schonung und Wärme und nach drei Monaten lassen die Schmerzen tatsächlich nach.

Als sie die Babytrage anhebt, bricht der nächste Wirbel

Als Albert-Menke 2023 ihr zweites Kind zur Welt bringt, freut sie sich erneut auf die Elternzeit, doch auch die Zeit mit Sohn Matti ist von Rückenschmerzen geprägt. „Einen Monat nach der Geburt wollte ich Moritz in den Kindergarten bringen. Als ich die Babytrage mit Matti in das Auto stellen wollte, schoss mir ein Schmerz in den Rücken, der so stark war, dass ich mich nicht mehr richtig bewegen konnte.“ Albert-Menke denkt zunächst an einen Hexenschuss, doch tatsächlich bricht ein zweiter Wirbel. Wenige Wochen später folgt eine dritte Fraktur. „Als ich beim Einkaufen die Babytrage mit Matti auf einen Einkaufswagen heben wollte.“

Als Dörthe Albert-Menke 2023 die Babytrage mit ihrem Sohn Matti auf einen Einkaufswagen stellen wollte, brach ein Wirbel. - © picture alliance/dpa
Als Dörthe Albert-Menke 2023 die Babytrage mit ihrem Sohn Matti auf einen Einkaufswagen stellen wollte, brach ein Wirbel. (© picture alliance/dpa)

Albert-Menke ist zu dieser Zeit so stark eingeschränkt, dass sie nicht mehr alleine aus dem Bett kommt und ihre Söhne nicht alleine versorgen kann. „Ich war verzweifelt.“ Sie sucht deshalb bei drei weiteren Orthopäden Hilfe, doch niemand nimmt sie ernst. „Jedes Mal hieß es nur, dass Rückenschmerzen nach einer Geburt normal sind. Ich flehte um ein Röntgenbild, doch niemand reagierte.“ Deshalb weiß Albert-Menke auch zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht, dass bereits drei Wirbel gebrochen sind. „Ich sagte damals zu meinem Mann, dass ich das Gefühl habe, dass mein Rücken gebrochen ist, ohne zu wissen, dass es tatsächlich so war.“

Wirbelbrüche hätten auch zu Lähmungen führen können

Das findet die junge Mutter erst heraus, als ihre Hausärztin einen MRT-Termin organisiert. Mit der Magnetresonanztomografie können Radiologen verschiedene krankhafte Veränderungen im Körper erkennen. „Ich habe viel selbst recherchiert und meine Hausärztin war die erste Ärztin, die mich ernst genommen hat.“

Nach der Aufnahme ist Albert-Menke erleichtert, als sie von der Radiologin erfährt, dass drei Wirbelbrüche zu sehen sind. Zwei akute und ein verheilter. „Endlich stand fest, dass ich wirklich etwas habe und diese Schmerzen nicht normal sind.“ Sie erfährt auch, dass sie dabei noch Glück im Unglück hatte, denn die Wirbelbrüche hätten auch zu Lähmungen führen können. „Im Nachhinein macht mir das Angst, denn da ich nichts von den Frakturen wusste, habe ich trotz der Schmerzen versucht den Alltag durchzuziehen und mich so selbst gefährdet.“

Schock für die Familie: Arzt äußert Krebsverdacht

Nach der Diagnose beginnt für Albert-Menke und ihre Familie eine Zeit der Ungewissheit. In der Auguste-Viktoria-Klinik, einem orthopädischen Fachkrankenhaus in Bad Oeynhausen, gehen die Ärzte der Ursache für die Brüche auf die Spur. „Beim ersten Gespräch äußerte ein Arzt den Verdacht Knochen- oder Blutkrebs. Das war ein Schock.“ Angsterfüllt liegt sich die Familie nach dem Klinikbesuch in den Armen. Für Patrick Menke ist das die schlimmste Zeit der vergangenen fünf Jahre. „Auf einmal ging es um Leben und Tod. Das war sehr schwer für uns.“

Doch nur wenige Tage später kann ein Chefarzt der Klinik die Familie beruhigen. „100 Prozent ausgeschlossen wurde Krebs nicht, doch es hieß, dass Osteoporose wahrscheinlicher ist, weil ich einige Zentimeter an Körpergröße verloren hatte.“ Ein typisches Symptom für Osteoporose. Die Knochendichtemessung, die bei einem Osteoporose-Verdacht angezeigt ist, zeigt jedoch keine auffälligen Werte. „Licht ins Dunkle brachte erst eine endokrinologische Untersuchung“, erklärt Albert-Menke. Joachim Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld Mitte findet heraus, dass seine Patientin an Schwangerschafts-Osteoporose leidet.

Trotz anschlagender Therapie treten immer wieder Schmerzen auf

Eine seltene Erkrankung, die am Ende einer Schwangerschaft oder in den ersten Monaten nach einer Geburt auftreten und mit starken Schmerzen einhergehen könne, sagt Albert-Menke. „Aufgrund einer Gerinnungsstörung habe ich zehn Jahre lang und auch während der Schwangerschaften und Stillzeiten blutverdünnende Medikamente eingenommen, die negative Auswirkungen auf die Knochendichte haben können“, weiß die 39-Jährige heute.

Die Familie ist erleichtert, als die finale Diagnose endlich feststeht und der Therapieplan steht. „Die Zeit war nicht leicht. Ich musste abstillen und mich lange schonen und durfte meine Kinder nicht mehr tragen.“ Ein Jahr spritzt sich Albert-Menke zudem ein Medikament, um die Knochen zu stärken. „Ich nehme zudem noch Vitamin K und D, habe Physiotherapie und arbeite am Muskelaufbau.“ Die Therapie schlägt an, denn inzwischen geht es der 39-Jährigen deutlich besser. „Ich bin wieder richtig im Alltag angekommen und arbeite auch wieder.“ Schmerzfrei ist sie aber noch nicht. „Je anstrengender der Tag war, desto stärker sind die Schmerzen.“

Auch im Umfeld nehmen viele Menschen die Schmerzen lange nicht ernst

Ob und wann sie wieder ein schmerzfreies Leben führen wird, weiß Albert-Menke nicht. „Viele Fragen können die Ärzte nicht beantworten, doch ich blicke positiv in die Zukunft.“ Auch deshalb, weil die vergangenen Jahre ihr gezeigt haben, dass sie sich auf ihre Familie und Freunde verlassen kann. „Auch mein Mann und ich gehen als Paar gestärkt aus dieser schweren Zeit.“

Mit ihrer Geschichte hofft Albert-Menke anderen Frauen Mut machen zu können. „Jeder sollte auf seinen Körper hören und bei Beschwerden nicht locker lassen.“ In der NDR-Sendung „Abenteuer Diagnose“ spricht Albert-Menke über ihre Leidensgeschichte. Seit der Ausstrahlung erhält die 39-Jährige viele Rückmeldungen, auch aus ihrem Umfeld, von Menschen, die sie lange nicht ernst genommen haben. „Viele sind überrascht, wie schlecht es mir tatsächlich ging. Ich hoffe, dass das nun klar wird und vielleicht anderen Frauen helfen wird.“