Erst erbitterter Streit, dann Eintracht: Die Landesregierung und die Opposition im NRW-Landtag haben sich im Streit über die Höhe der Bildungsausgaben mit gegenseitigen Vorwürfen überzogen. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller (CDU) widersprach in einer Aktuellen Stunde einer neuen Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB NRW), wonach zu wenig Geld in Schulen und Bildung investiert und besonders das Ruhrgebiet vernachlässigt werde. SPD und FDP warfen Schwarz-Grün vor, die Bildungskrise im Land zu vertiefen.
Es geht auch gemeinsam
Dass über Wege zur besseren Bildung auch gemeinsam und konstruktiv diskutiert werden kann, zeigte direkt im Anschluss die Debatte über den Bericht einer fraktionsübergreifenden Enquete-Kommission. 248 Empfehlungen für Chancengleichheit in der Bildung haben die Landtagsfraktionen nach zweijähriger Arbeit vorgelegt. Sie reichen von einer Bildungs-ID für Kinder von der Kita bis zum Schulabschluss bis hin zu einem «Chancenjahr» noch vor der Grundschule.

«Ich wünsche mir, dass wir diesen Bericht parteiübergreifend als Grundlage begreifen», sagte die Kommissionsvorsitzende Christin Siebel (SPD). «Denn wer Bildungspolitik ernst meint, muss über Legislaturperioden hinaus denken.» Der Abschlussbericht sei ein Auftrag und Anleitung dafür, ein besseres und gerechteres Bildungssystem zu schaffen. Der Bericht habe das Potential, ein «echter Meilenstein» für die Bildungspolitik in NRW zu werden, sagte Siebel.
Gebrochene Versprechen

Doch der parteipolitische Streit über die Bildungsinvestitionen überlagerte die Aufrufe zum konstruktiven Miteinander. Nach wie vor gelte in NRW: «Es macht einen Unterschied, wo man lebt und wo man herkommt», sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Sarah Philipp, die auch Co-Landesvorsitzende der SPD in NRW ist. Geschlossene Kitas, Unterrichtsausfall, geschlossene Schwimmbäder - das alles seien gebrochene Versprechen.
Die SPD nannte die DGB-Studie ein Alarmsignal. Besonders hart werde das Ruhrgebiet getroffen. Das Revier werde zum «bildungspolitischen Sorgenkind», sagte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dilek Engin. Kommunen seien verschuldet, Schulgebäude marode, Schultoiletten eine Katastrophe, und Lehrer fehlten.
Sorgenkind Ruhrgebiet
«Das Ruhrgebiet ist das Herz unseres Landes», sagte Engins Parteikollegin Philipp. «Wenn wir das Ruhrgebiet abhängen, schwächen wir das ganze Land.» Wenn jetzt nicht mehr investiert werde, dann sei das nicht nur kurzsichtig, sondern auch eine Gefahr für die Demokratie.
Schulministerin Feller ließ die Kritik nicht auf sich sitzen. Durch den Schulsozialindex würden Investitionen vor allem in herausfordernden Lagen eingesetzt, sagte sie. Das werde auch im Startchancen-Programm deutlich. Mehr als 40 Prozent der 923 Startchancen-Schulen in NRW befänden sich im Ruhrgebiet. Das Startchancen-Programm von Bund und Ländern unterstützt bundesweit rund 4.000 Schulen in sozial herausfordernden Lagen.
Milliarden für Bildung
In der Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB NRW) wird bemängelt, dass die Entwicklung der Ausgaben für Schulen und Hochschulen in NRW hinter dem Zuwachs des Gesamthaushalts zurückbleibe. Um dem bildungspolitischen Anspruch der Landesregierung gerecht zu werden, müssten die Investitionen laut DGB deutlich stärker steigen.
Feller wies das zurück. Die DGB-Studie stelle selbst dar, dass im Zeitraum von 2017 bis 2026 nahezu eine Verdopplung der Investitionen von 530 Millionen auf mehr als eine Milliarde Euro erkennbar sei.
Die schwarz-grüne Landesregierung plant im Haushalt 2026 Rekordausgaben für Schulen, Hochschulen und Kitas von mehr als 43 Milliarden Euro ein. Allein der Schuletat soll um fünf Prozent auf rund 25,7 Milliarden Euro wachsen. Von 2017 bis 2026 habe sich der Etat des Schulministeriums um rund 44,4 Prozent erhöht - «und das trotz anhaltend schwieriger Haushaltsbedingungen», sagte Feller.
Hat das Sondervermögen mit der Studie zu tun?
«Der Zeitpunkt der DGB-Publikation lässt vermuten, dass es wohl darum ging, Einfluss auf die Verteilung des Sondervermögens zu nehmen», sagte Feller. Den überwiegenden Anteil der Milliarden-Mittel werde das Land unbürokratisch an die Kommunen weitergeben, versprach die Ministerin. An erster Stelle stünden dabei Kinder und Jugendliche. Daher solle ein großer Teil der Mittel in die Sanierung von Schulen und Kindergärten fließen. Die konkrete Umsetzung werde jedoch vor Ort entschieden.
Nach Worten der Grünen-Abgeordneten Lena Zingsheim-Zobel zeigt die DGB-Studie aber auch, dass es in NRW zu große Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen Stadtteilen und auch innerhalb des Ruhrgebiets gebe. «Wir sehen die Unterschiede, und wir sehen die Notwendigkeit zu handeln.» Deshalb sei auch der Bericht der gemeinsamen Enquete-Kommission so wichtig.
Die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech entgegnete: «Die Landesregierung muss endlich die Schlafmütze vom Kopf ziehen.» Der Schulhaushalt wachse nicht so stark wie der restliche Haushalt. «Während die Herausforderungen an den Schulen also größer werden, schrumpft der politische Wille von CDU und Grünen, sie anzufangen», sagte Müller-Rech.