Problem-Hochhaus

Gutachten: Wohnungen im «Weißen Riesen» ab 10.000 Euro

Der größte «Weiße Riese»: Neben Schädlingen und Schimmel drückt demnach vor allem das schwierige Wohnumfeld auf den Immobilienwert. (Archivbild) | © Christoph Reichwein/dpa

27.09.2025 | 27.09.2025, 05:03

Nur 10.000 Euro für eine Eigentumswohnung? Klingt nach einem Schnäppchen, wäre laut Gutachten aber trotzdem kein übermäßig gutes Geschäft: Mehrere Zwangsversteigerungen im «Weißen Riesen» in Duisburg geben Einblicke in den Zustand des inzwischen bundesweit bekannten Problem-Hochhauses. Denn die Immobilien-Gutachten dafür sind öffentlich.

Neben Schädlingen und Schimmel drückt demnach vor allem das schwierige Wohnumfeld auf den Immobilienwert - und sorgt dafür, dass selbst bei diesem Preisniveau immer weniger Menschen in den einst begehrten Hochhäusern einziehen wollen.

Zwangsversteigerungen ziehen sich über Monate

39 Wohnungen aus dem größten der «Weißen Riesen» im Duisburger Stadtteil Hochheide stehen nach und nach zur Zwangsversteigerung. Einem Sprecher des zuständigen Amtsgerichts Duisburg zufolge gehören sie alle der gleichen Eigentümerin, die vor allem bei der Stadt Duisburg und der Eigentümergemeinschaft mit Zahlungen massiv im Rückstand ist. Die Termine für die vielen Zwangsversteigerungen hat das Gericht bis Ende 2026 angesetzt. Die «WAZ» hatte zuerst berichtet.

Mehr als 800 Menschen sind in dem 20-stöckigen Gebäude gemeldet - trotzdem stehen viele Wohnungen leer. (Archivbild) - © Christoph Reichwein/dpa
Mehr als 800 Menschen sind in dem 20-stöckigen Gebäude gemeldet - trotzdem stehen viele Wohnungen leer. (Archivbild) (© Christoph Reichwein/dpa)

Grundlage für die Versteigerung sind Gutachten, in denen Fachleute den Wert jeder einzelnen Wohnung ermittelt haben. Die lesen sich anfangs wie ein normales Immobilien-Exposé: «Es handelt sich um eine Eigentumswohnung in einem 1974 errichteten, 20-geschossigen Wohnhochhaus», ist da zu lesen. Es gebe eine gute Verkehrsanbindung und Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Nähe.

Immer wieder gibt es Polizeieinsätze oder große Sozialbetrugs-Kontrollen im «Weißen Riesen». (Archivbild) - © Christoph Reichwein/dpa
Immer wieder gibt es Polizeieinsätze oder große Sozialbetrugs-Kontrollen im «Weißen Riesen». (Archivbild) (© Christoph Reichwein/dpa)

Doch dann fängt die Beschreibung der Probleme an. Im ganzen Gebäude gebe es eine «hohe Leerstandsquote», hält das Gutachten fest. «Es sind zahlreiche Zwangsversteigerungsverfahren anhängig.»

Ungeziefer in zahlreichen Wohnungen

Wie es hinter der Wohnungstür aussieht, war für die Gutachter in vielen Fällen gar nicht ersichtlich: Sie kamen in die allermeisten Wohnungen nicht hinein. Doch häufig reichte schon der Anblick aus dem Hausflur. «Bereits im Bereich der Wohnungsabschlusstür war ein starker Schädlingsbefall erkennbar», halten die Fachleute bei mehreren Wohnungen fest. Auf einem Foto sieht man Dutzendfach Ungeziefer.

Ob die Wohnungen noch bewohnt sind, war für die Gutachter bei der Ortsbesichtigung im April 2025 nicht immer sicher auszumachen. Doch bei vielen Wohnungen haben sie notiert: «Augenscheinlich Leerstand».

Dort, wo die Fachleute eine Wohnung betreten konnten, notieren sie etwa: «Feuchteschäden», «Taubenbefall», «Fehlende Bodenbeläge», «Schädlingsbefall», «nicht vermietbarer Zustand» - auch eine Asbest-Belastung der Wohnungen steht im Raum. Dazu gibt es einige Fotos von liegengebliebenen Müllsäcken und einem Badezimmer, das aussieht wie im Rohbau.

Deshalb kamen die Gutachter unter dem Strich auf Marktpreise für die Wohnungen, die im Rheinland sonst unvorstellbar sind: 10.000 Euro Kaufpreis für viele 68-Quadratmeter-Wohnungen haben sie veranschlagt. Für die besseren Wohnungen im Haus - etwa geräumigere Wohnungen in den oberen Etagen mit tollem Blick über die Stadt - werden in Einzelfällen bis zu 25.000 Euro angegeben.

In den vergangenen Jahren seien Wohnungen in dem größten der «Weißen Riesen» im Schnitt für nur 157 Euro pro Quadratmeter verkauft worden.

Gutachten warnen vor «wirtschaftlichem Missverhältnis»

Ein gutes Geschäft wären die meisten Wohnungen etwa für Investoren trotzdem nicht, machen die Gutachten klar: «Die Höhe des Hausgeldes und die nachhaltig erzielbare Miete stehen in einem wirtschaftlichen Missverhältnis», heißt es. Vermieter könnten mit so einer Wohnung also nur Verluste einfahren.

Die Hochhaus-Gegend mit den «Weißen Riesen» im Westen von Duisburg war in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten, weil sich etwa Paketboten und andere Lieferanten zeitweise nicht mehr in die Gebäude trauten. Seit den 1980er Jahren wurde kaum noch investiert, die Gebäude verwahrlosten, mehr als die Hälfte der Wohnungen stand leer.

Drei der einst sechs Riesen brachte die Stadt in den vergangenen Jahren in ihren Besitz und sprengte sie. An ihrer Stelle soll ein 6,5 Hektar großer Stadtpark entstehen. Die anderen drei sind weiterhin bewohnt.