Wenn man an einen Bürgermeister denkt, woran denkt man dann zuerst? Nun, vielleicht an einen Anzug. Oder an ein durchzuschneidendes Band, das vor einem Mehrzweckhallen-Neubau hängt. Oder an ein Rathaus ohne architektonische Highlights. Woran man seltener denkt, sind Reality-Shows, «Verstehen Sie Spaß?» und Graf Dracula. Das ist aber alles zu finden, wenn man sich durch die Kandidatenlisten blättert. Hier ist eine kurze, sicherlich unvollständige Liste von Kandidaten bei der NRW-Kommunalwahl, die mit ihrer Biografie auffallen.
Jannik Kontalis, Mönchengladbach, Reality-Star
Wer sich erfolgreich durch eine Show wie «Make Love, Fake Love» (Prinzip: Frau trifft in Villa auf flirtwillige Männer, von denen aber manche in Beziehungen stecken und sie anlügen) manövriert, der kann vielleicht auch Mönchengladbach regieren. Das könnte sich Jannik Kontalis gedacht haben, der in der Stadt als parteiloser Einzelbewerber als Oberbürgermeister kandidiert. Die Chancen des Reality-Stars (u.a. auch «Prominent getrennt» im Team mit Ex-Freundin Yeliz Koc) gelten als überschaubar - feststeht aber, dass er der örtlichen Kommunalpolitik ein neues Milieu erschlossen hat. Noch nie wurde in der Influencer-Welt mehr über Mönchengladbach gesprochen als in den vergangenen Wochen. Vermutlich wird es auch nie wieder so sein.

Dazu mögen die unkonventionellen Vorschläge von Kontalis beigetragen haben - etwa will er «den Dönerpreis» senken und ein Feld für den Trend-Sport Padel mitten in die Stadt bauen. «Ich spreche Dinge an, die die Menschen im Alltag direkt betreffen, statt nur große Pläne auf Papier zu schreiben», sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Immense Aufmerksamkeit bekam die Kampagne zudem, als Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz in seinem Podcast («Kaulitz Hills - Senf aus Hollywood») den Satz sagte: «Ich möchte jetzt einmal direkt mit den Gerüchten aufräumen und möchte sie bestätigen: Es ist richtig, ich werde First Lady von Mönchengladbach!» Zuvor war er neben Kontalis beim Feiern gesehen worden. «Ich werde ganz viel Charity-Arbeit machen, ich werde das Rathaus umbauen. Zu einem Luxusanwesen natürlich!», sagte Kaulitz. Man musste davon ausgehen, dass er noch nie wirklich in Mönchengladbach gewesen war.

Kontalis war danach von manchen Kritikern vorgeworfen worden, dass er durch den äußerst prominenten Kaulitz Aufmerksamkeit habe generieren wollen. Ihn erschütterte das aber nicht. «Ich nehme das gelassen: Jeder Mensch hat eine Vergangenheit, meine ist sehr transparent.»
Kai Abruszat, Stemwede, singender Bürgermeister
Ein Lied, das auf keiner Kleinkinder-Playlist fehlen darf, geht so: «Hört gut zu, hört gut zu. Jetzt kommt das singende Känguru.» Warum das erwähnenswert ist? Weil es ganz im Norden von NRW zwar kein Känguru, wohl aber einen singenden Bürgermeister gibt. Kai Abruszat ist schon im Amt und möchte es bei der Wahl verteidigen. Daneben hat sich der Jurist mit seinem Hobby, der Musik, eine gewisse Bekanntheit erträllert. Die Plattform Wikipedia bezeichnet ihn als «deutscher Politiker (FDP), Autor und Schlagersänger». Eine Mischung, die aufhorchen lässt.
Das mit dem Schlagersänger, bei dem man an Roy Black oder Howard Carpendale denken mag, weist Abruszat gleichwohl von sich. «Schlagersänger bin ich nun wirklich nicht, wohl aber ein Bürgermeister, der gerne singt», sagt er der Deutschen Presse-Agentur. «Musik ist für mich stets ein toller Ausgleich zum herausfordernden Alltag im Bürgermeisteramt.» Seine «immer wieder mal als kurze Einlage» dargebotene Musik habe darüber hinaus «ein enorm verbindendes Element» - etwa bei Seniorenfeiern und Weihnachtsmärkten.
Der Schmelz, den der Bürgermeister in seine Stimme zu legen vermag, ist beachtlich und etwa auf einer Aufnahme des Liedes «Weißer Winterwald» zu hören, die man im Internet findet. Dazu gibt es auch ein Video. Abruszat tänzelt darin durch eine verschneite Landschaft und lugt neckisch an Tannenzweigen vorbei in die Kamera. Bei der Zeile «Am Kamin ist ein Plätzchen, das gehört unserem Kätzchen» hält er eine Plüschkatze im Arm.
Ulf Montanus, Düsseldorf, Schauspieler
Für Ulf Montanus listet seine Partei, die FDP, eine beachtliche Reihe an Berufen auf: Schauspieler, Moderator, Auktionator und Dichter. Wenn man mit ihm spricht, erfährt man zudem, dass er gelernter Bankkaufmann und Oberleutnant der Reserve ist. Montanus selbst hofft, dass in Zukunft noch ein weiterer Job hinzukommt: Oberbürgermeister von Düsseldorf. Auch wenn Amtsinhaber Stephan Keller (CDU) in jüngsten Umfragen weit vorn liegt.
Ganz sicher hat Montanus aber eine deutlich längere Liste an Fernsehen-Auftritten vorweisen als alle seine Konkurrenten. Häufig war er in deutschen Vorabend-Serien zu sehen - bei «Unter uns» (RTL), «Alles was zählt» (RTL) und der «Lindenstraße» (früher ARD). Aber auch weniger bekannte oder in Vergessenheit geratene Formate wie «Der Dicke und der Belgier», «Kommissar Schimpanski» und «Natalie – Das Leben nach dem Babystrich» stehen in der Filmografie.
Erst vor wenigen Monaten war er als sogenannter Lockvogel in der ARD-Sendung «Verstehen Sie Spaß?» zu sehen, in der er mit seiner Schauspielkunst half, Moderatorin Katrin Bauernfeind reinzulegen. Düsseldorf will er nun aber nicht narren, sondern regieren.
Mark Benecke, Köln, Kriminalbiologe
Benecke trägt den Spitznamen «Dr. Made» und mehr muss man womöglich gar nicht sagen. Der Forensik-Experte tritt in Köln mit ironisch-klamaukigen Ideen für die Satirepartei Die Partei bei der OB-Wahl an, gilt aber als in seinem eigentlichen Berufsfach als ausgewiesener Experte. In vielen Kriminalfällen hat Benecke schon seine Expertise beigesteuert. Das machte ihn auch zu einem gefragten Interviewpartner. Dabei erklärte er zum Beispiel, wie die Suche nach Maden bei der Analyse einer Leiche helfen kann. In den 1990ern sorgte Benecke für Furore, als er in Russland Adolf Hitlers Totenschädel untersuchen und als echt einstufen konnte.
Um den Tod geht es bei Benecke oft. Er interessiert sich zum Beispiel auch für Vampire und ist Präsident der «Transylvanian Society of Dracula», einer Gesellschaft, die sich mit der Geschichte der untoten Flattermänner aus Horrorgeschichten beschäftigt.
Für Köln hat er Vorschläge irgendwo zwischen Dies- und Jenseits. Wichtig sei ihm etwa, dass künftig in Städten überall auf der Welt einen «Kölner Platz» gebe. «Der Bau muss aber mindestens 15 Jahre dauern, sonst ist es nicht Kölsch.»