Bielefeld. Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer dürften kaum überrascht sein: Die Pünktlichkeitsquote 2024 erreichte in Nordrhein-Westfalen einen weiteren Negativrekord. Nicht einmal 75 Prozent aller Fahrten erreichten ihr Ziel wie geplant, die vier Minuten Toleranzzeit sind bei der Erfassung bereits eingepreist. Das geht aus dem Qualitätsbericht Schienenpersonennahverkehr (SPNV) 2024 des Kompetenzcenters Integraler Taktfahrplan NRW mit Sitz in Bielefeld hervor.
Welche Linien sind am stärksten betroffen? Weshalb wird die Lage in und am Zug immer schlimmer? Und was tun die Verantwortlichen gegen die Misere? Ein Überblick.
Einzelne Linien auf jeder zweiten Fahrt zu spät
Im Vergleich zum Vorjahr kamen alle Produktgruppen, Regionalexpress (RE), Regionalbahn (RB) und S-Bahn, seltener pünktlich:
- Die „Ems-Börde-Bahn“ (RB 69), die OWL durch Bielefeld, Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück verbindet, bringt es gerade einmal auf die Hälfte der Fahrten, RE 5 und RE 7 im Rhein-Ruhr-Gebiet schaffen nicht einmal das.
- Die „Ostwestfalen-Bahn“ (RB 72), auf die Pendlerinnen und Pendler zwischen Herford und Paderborn angewiesen sind, kommt zumindest auf 78 Prozent, verliert aber gute sieben im Vergleich zu 2023.
- Besser an- und weggekommen sind Fahrgäste des „Lipperländers“ (RB 73), wer von Lemgo nach Bielefeld reiste, kam in knapp 85 Prozent der Fälle planmäßig ans Ziel.
- Davon kann die „Sennebahn“ (RB 74) zwischen Bielefeld und Paderborn mit 72 Prozent nur träumen.
Auch die Zugausfälle sind im Vergleich zu 2023 um ein knappes Viertel angestiegen. Von den gut 115 Millionen angebotenen Zugkilometern in NRW konnten über 20 Millionen nicht zurückgelegt werden. Immerhin: Ein großer Teil beläuft sich dabei auf geplante Ausfälle wie Baustellen oder solche, in denen rechtzeitig Alternativangebote kommuniziert wurden. Die unvorhergesehenen Ausfälle, Extremwetter, Personenunfälle oder Schäden am Fahrzeug, sind von 6,9 Millionen auf 6,4 Millionen Zugkilometer gesunken.
Die Liste der Ursachen ist lang
Vor allem lange Linien auf hoch ausgelasteten Strecken sind anfällig für Verspätungen. Schon ein kurzer unplanmäßiger Stopp kann den Rhythmus eines anderen Zuges auf der Strecke beeinflussen, der dadurch auf ein anderes Gleis im Zielbahnhof ausweichen muss, was wiederum für Folgeverzögerungen sorgt. RE sind häufig betroffen, besonders, wenn sie große Verkehrsknoten anfahren. Verspäten sich in und um Köln etwa Fernzüge wie der ICE, überträgt sich das oftmals direkt auf die Regionallinien.
Störungen an der Infrastruktur, zum Beispiel defekte Stellwerke oder verschlissene Gleise, sorgen dafür, dass die betroffene Strecke gar nicht oder nur langsam befahren werden kann, was zu Verspätungen führt. Genauso verhält es sich, wenn daraufhin Bauarbeiten an bestimmten Abschnitten durchgeführt werden, die die Störungen dauerhaft beheben sollen. Etwa wegen solcher Maßnahmen fielen 2024 fast 12 Millionen Zugkilometer aus.
Aber auch der immense Personalmangel sorgt für Ausfälle: Der „Porta-Express“ (RB 78) etwa konnte 2024 ein halbes Jahr viele Fahrten schlichtweg nicht bedienen. So wurde der Fahrplan ausgedünnt, damit die Fahrgäste zumindest mit den verbleibenden Fahrten rechnen können.
Mehr Personal und „gezielte Leistungskürzungen“
Der Fachkräftemangel sowie ein hoher Krankenstand werden von den drei Trägern der Organisation des SPNV, Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und go.Rheinland und den Eisenbahnverkehrsunternehmen bearbeitet: Mit 700 neuen Kursplätzen soll dem drängenden Bedarf an Lokführern begegnet werden.
Sowohl die Modernisierung der Infrastruktur als auch die „gezielten Leistungskürzungen“, also Fahrplanausdünnung zur besseren Planbarkeit, bleiben aber Lösung und Problem zugleich: Baustellen an der Schiene sind langfristig unabdingbar für einen funktionierenden Bahnverkehr, sorgen aber auch für Verspätungen und Ausfälle. Und wenn der Fahrplantakt ausgedünnt wird, können Fahrgäste zwar besser planen, weil statt drei nur noch zwei Fahrten pro Stunde ausfallen können. Aber ein Ausfall bleibt es doch.