Bündnisverteidigung

„Ich bin kein Fan davon“: So denkt NRW über die Wehrpflicht

Wie soll die Bundeswehr personell wachsen? Durch gezwungene Wehrpflichtige oder durch freiwillige Vollprofis? Die Meinungen im Land gehen auseinander.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich darauf geeinigt, auf eine Wehrpflicht zunächst zu verzichten. | © Peter Steffen/dpa

Ingo Kalischek
17.06.2025 | 17.06.2025, 05:00

Düsseldorf. Schätzungen zufolge soll die deutsche Bundeswehr mittelfristig um mindestens 60.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen – auf dann rund 240.000. Doch wo sollen die herkommen? Dazu haben die NRW-Parteien völlig unterschiedliche Ansichten. Doch wo sollen die herkommen? Dazu haben die NRW-Parteien völlig unterschiedliche Ansichten.

Am weitesten geht die CDU. Die Wiedereinführung eines verpflichtenden Dienstes, in einer modernen und zeitgemäßen Form, dürfe „kein Tabu sein“, sagt der Generalsekretär der CDU in NRW, Paul Ziemiak, auf Anfrage dieser Redaktion. „Die Dienst-Modelle müssen nun in der Gesellschaft breit diskutiert werden. Was immer nötig ist für die Freiheit dieses Kontinents: Deutschland muss seinen Beitrag leisten“, fordert Ziemiak.

Etwas defensiver verhält sich die SPD in NRW, die sich vorerst gegen eine Wehrpflicht positioniert. Das Ziel der Bundesregierung sei klar: „Wir wollen einen attraktiven Wehrdienst schaffen, der auf Freiwilligkeit basiert und breite gesellschaftliche Akzeptanz findet“, sagt der Co-Landesvorsitzende der NRW-SPD, Achim Post, dieser Redaktion.

SPD-Politiker Post: „Wir sind auf dem richtigen Weg“

Dazu brauche es eine Bundeswehr, die als moderner, verlässlicher und attraktiver Arbeitgeber überzeuge – mit zeitgemäßer Ausstattung, gesicherter Finanzierung und echten beruflichen Entwicklungsperspektiven. Es gelte, den zuletzt eingeschlagenen Kurs weiterzuverfolgen. Die bereits gestiegene Zahl an Bewerbungen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr zeige deutlich: „Wir sind auf dem richtigen Weg, um Vertrauen zurückzugewinnen und die Bundeswehr zukunftsfest aufzustellen“, meint Post.

Ganz anders blicken Grüne und FDP auf das Thema. „Ich bin kein Fan einer Wehrpflicht“, sagt der Co-Landesvorsitzende der Grünen, Tim Achtermeyer, dieser Redaktion. Zwar sehe er, dass Deutschland verteidigungsfähiger werden müsse. Die Arbeit beim Militär bleibe aber ein „gefährlicher Job“ und sollte allein deshalb schon eine persönliche Entscheidung bleiben, sagt Achtermeyer. „Wer bin ich, jungen Menschen vorzuschreiben, ihr Leben zu riskieren? Ich habe großen Respekt, wenn junge Menschen diesen Schritt gehen, aber vorschreiben kann und möchte ich ihnen das nicht.“

NRW-Grünen-Co-Chef Tim Achtermeyer aus Bonn hält nicht viel von einer Wehrpflicht. - © IMAGO/Panama Pictures
NRW-Grünen-Co-Chef Tim Achtermeyer aus Bonn hält nicht viel von einer Wehrpflicht. (© IMAGO/Panama Pictures)

Ähnlich argumentiert die FDP. „Die Freien Demokraten waren es, die seinerzeit für eine Aussetzung der Wehrpflicht gestritten haben, weil der staatlich verordnete Einschnitt in das Leben junger Menschen zu groß ist“, sagt der Landesvorsitzende Henning Höne auf Anfrage. „Daran halten wir fest.“

FDP-NRW-Chef Höne setzt auf freiwillige Vollprofis

Zwar teilt Höne die Einschätzung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dass die Bundeswehr eine der stärksten und modernsten Armeen werden müsse, weil das angesichts der neuen sicherheitspolitischen Bedrohung „dringend notwendig“ sei. Doch eine Reaktivierung der Wehrpflicht sei dafür der „falsche Weg“. Die FDP in NRW schlägt stattdessen vor, die Attraktivität des Soldatenberufs zu steigern und die Reserve stärker einzubinden. „Die Bundeswehr braucht nicht gezwungene Wehrpflichtige, sondern wertgeschätzte, freiwillige Vollprofis“, sagt Höne. Die AfD hat auf eine Anfrage dieser Redaktion nicht reagiert.

Die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland wurde am 1. Juli 2011 ausgesetzt. Pistorius hat sich bislang öffentlich mehrfach gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht ausgesprochen. Man wolle stattdessen zunächst auf Freiwilligkeit setzen. Der Verteidigungsminister sagte aber auch: „Wenn der Zeitpunkt kommen sollte, an dem wir mehr Kapazitäten zur Verfügung haben als freiwillige Meldungen, dann wird gegebenenfalls entschieden werden, dass wir verpflichtend einziehen.“

Das Parlament in Dänemark hat vor wenigen Tagen auch eine Wehrpflicht für Frauen beschlossen. Auch in Schweden und in Norwegen gibt es eine Wehrpflicht für Männer und Frauen. In Deutschland wäre dafür eine Verfassungsänderung und damit eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig.