Eine externe Überprüfung von Vorwürfen sexualisierter Gewalt gegen einen früheren Mitarbeiter der Evangelischen Kirche in Siegen sieht auch die Rolle der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus kritisch. Die unabhängige Unternehmensberatungsfirma Deloitte, die von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) mit einer Untersuchung beauftragt worden war, weist beim Umgang mit den Vorwürfen auf mehrere Defizite hin.
Gegen den Mitarbeiter des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein waren im November 2023 Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens öffentlich geworden. Kurschus war in der Folge als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Präses der westfälischen Kirche zurückgetreten. Sie begründete das mit einem öffentlichen Vertrauensverlust, betonte aber zugleich, sie sei in der Sache mit sich im Reinen. «Ich habe zu jeder Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.»
Kritischer Blick auf Präses Kurschus und westfälische Kirchenleitung

Präses Kurschus sei im Oktober 2022 von einer Gemeindepfarrerin über potenzielle Vorwürfe der sexualisierten Gewalt informiert worden, heißt es im Abschlussbericht von Deloitte. Sie habe die Hinweise innerhalb der Kirche weitergegeben. «Die Kirchenleitung der EKvW wurde in Gänze im April 2023 informiert.» Es sei zu einem internen Konflikt im Landeskirchenamt und «gegenseitigem Vertrauensverlust auf der Führungsebene der EKvW» gekommen.
«Auf Basis externer Beratung sowie behördlicher Vorgaben haben sich die EKvW und die damalige Präses für eine passive Kommunikationsstrategie entschieden.» Es habe einen Mangel an Transparenz gegeben, der zu hohem medialen Druck und fehlenden Rückhalt innerhalb der kirchlichen Gremien geführt habe - und damit letztlich zum Rücktritt von Kurschus. Eine «juristische Überprüfung möglichen Fehlverhaltens gegen beteiligte Personen» wird angeregt.
Vorwürfe beziehen sich auf 1980er Jahre bis 2022
Die Vorwürfe gegen den Kirchenmusiker waren über einen Bericht der «Siegener Zeitung» öffentlich bekanntgeworden. Laut Deloitte-Bericht haben sieben Betroffene gegen ihn Vorwürfe erhoben, bezogen auf den Zeitraum seit den 1980er Jahren bis 2022. Alle seien Orgelschüler gewesen. Der Befragte habe sexuelle Kontakte zu zwei Betroffenen eingeräumt. Ob sie zu dem Zeitpunkt noch minderjährig waren, ließ sich laut Untersuchung nicht klären.
Der ehemalige Mitarbeiter habe weitere Annäherungen oder Handlungen abgestritten. Aber: «Dem stehen durch die Untersuchung gewonnen Ergebnisse entgegen», berichtete Deloitte.