Wie junge Krebspatienten in OWL gegen Diskriminierung im Alltag kämpfen

Bielefeld. Jedes Jahr erkranken in Deutschland knapp 17.000 junge Menschen im Alter zwischen 18 und 39 Jahren neu an Krebs. Dank des medizinischen Fortschritts kann der Großteil der Betroffenen geheilt werden. Doch trotz Heilung begleitet sie die Erkrankung ein Leben lang – als Stigma, geprägt von Nachteilen in vielen Lebensbereichen. So werden sie vielfach daran gehindert, Versicherungen abzuschließen, Kredite aufzunehmen, beruflich aufzusteigen oder Kinder zu adoptieren. Für Betroffene beginnt so nach dem erfolgreichen Kampf um ihr Leben ein neuer Kampf für Gleichberechtigung. Unterstützt werden sie dabei von der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, die sich für das Recht auf Vergessenwerden einsetzt. Mit dabei ist auch der Treffpunkt OWL der Stiftung. Eine Umfrage der Stiftung junge Erwachsene mit Krebs von 2024 zeigt, dass Betroffene in vielen Lebensbereichen Benachteiligungen erleben. Am häufigsten beklagen sie Probleme mit Versicherungsgesellschaften, weil sie keine Abschlüsse von Berufsunfähigkeitsversicherungen oder nur zu sehr schlechten Konditionen ermöglichen. Nachteile erleben Betroffene auch bei Wechseln der Krankenversicherung, der Beantragung von Krediten, der Adoption von Kindern und der Beantragung von Verbeamtungen. Neues EU-Gesetz unterstützt Krebs-Patienten Die Stiftung kritisiert das scharf und fordert, dass bei Versicherungsgesellschaften, Banken und Ämtern Krebs-Patienten eine gewisse Zeit nach der Heilung mit Gleichaltrigen ohne Krebs gleichgestellt werden. Das Recht auf Vergessenwerden bezieht sich nach Angaben der Kuratoriumsvorsitzenden Inken Hilgendorf darauf, dass digitale Informationen mit Personenbezug nicht dauerhaft gespeichert, sondern nach einer bestimmten Zeit gelöscht werden sollten. Hintergrund ist die EU-Verbraucherkreditrichtlinie, wonach Gesundheitsdaten in Bezug auf Krebserkrankungen nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr verwendet werden dürfen, wenn Versicherungen im Zusammenhang mit Verbraucherkreditvereinbarungen abgeschlossen werden. Bei der Umsetzung der Richtlinie hinke Deutschland im Vergleich der anderen Mitgliedsstaaten der EU jedoch hinterher, kritisiert Hilgendorf. Betroffene kämpfen für Gleichberechtigung Um der Politik Druck zu machen, setzen sich auch Hannah Schwier, Jennifer König und Jan-Michael Stube vom Treffpunkt OWL der Stiftung für ein Ende der Benachteiligungen ein. &bdquo;Krebs trifft junge Menschen in einer besonderen Lebensphase, in der sich Betroffene eigentlich eine Existenz aufbauen und die Weichen für die private und berufliche Zukunft stellen. Doch als wäre der Kampf gegen die Krankheit nicht schon schwer genug, muss danach noch weiter gekämpft werden“, moniert die Herforderin Hannah Schwier, die nach ihrer ersten Brustkrebs-Diagnose 2019 aktuell erneut erkrankt ist. &bdquo;Egal, ob ich mit vier oder 24 Jahren Krebs erfolgreich besiegt habe, der Stempel bleibt ein Leben lang, und zwar auch dann, wenn man nach wissenschaftlichen Standards längst als geheilt gilt“, erklärt der Bielefelder Jan Stube, der 2022 an einem seltenen Knochentumor erkrankt ist, einem Chondrosarkom. &bdquo;Nach fünf Jahren gelten Krebs-Patienten in der Regel als geheilt. Viele haben danach kaum noch Nachsorge, und auch der Schwerbehindertenstatus endet. Von Versicherern, Banken und Ämtern wird das aber einfach ignoriert“, sagt die Herforderin Jennifer König, die 2020 an Darmkrebs erkrankt ist. Kündigung nach der Krebsdiagnose Junge Erwachsene mit Krebs haben nach Angaben Schwiers vor der Diagnose oft noch nicht die nötige Zeit und Mittel, um ausreichend für die Zukunft vorzusorgen. &bdquo;Wenn dann Berufsunfähigkeitsversicherungen und andere Absicherungen nicht mehr möglich sind, wird es schwierig und es droht Armut.“ Auch deshalb, weil eine Krebsbehandlung laut König mitunter sehr viel Zeit und Energie kostet. &bdquo;In dieser Zeit erhalten Schüler und Studenten nichts und Arbeitnehmer Krankengeld. Und auch nach der Heilung können viele Betroffene nicht wieder Vollzeit arbeiten und verdienen entsprechend weniger. Wie soll man so für das Alter vorsorgen?“ Zudem kritisieren Betroffene, dass sich durch ihre Erkrankung auch beruflich Nachteile ergeben. &bdquo;Betroffene erleben immer wieder, dass sie nach der Diagnose gekündigt werden, nach der Behandlung keinen Job mehr finden oder im öffentlichen Dienst nicht verbeamtet werden“, sagt Stube, der als Lehrer vor seiner Diagnose verbeamtet wurde. &bdquo;Es herrscht zwar überall Lehrermangel, trotzdem leisten es sich die Bundesländer weiterhin, Lehrer nach überstandenen Krebserkrankungen oder mit chronischen Krankheiten nicht zu verbeamten. Das ist eine hausgemachte Krise, denn das schreckt Nachwuchskräfte ab.“ Viele Jugendämter verhindern Adoptionen Besonders belastend sind für junge Menschen mit Krebs die Nachteile in der Familienplanung. &bdquo;Während gesunde Gleichaltrige Familien gründen, bleibt das Krebserkrankten auch nach der Heilung oft verwehrt“, erklärt Schwier. &bdquo;Da einige Krebserkrankungen und auch viele Therapien zu Unfruchtbarkeit führen, bleiben Betroffenen nur die Möglichkeiten Kinderwunschbehandlung oder Adoption.“ Zwei Optionen, die jedoch stark reglementiert seien. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Junge Erwachsene mit Krebs OWL (@treffpunktowl) &bdquo;Adoptionen sind oft nicht möglich, weil viele Jugendämter Krebserkrankten sie auch nach der Heilung nicht gestatten“, erklärt König. &bdquo;Kinderwunschbehandlungen sind kostspielig, aufwendig und für Frauen mit gesundheitlichen Risiken verbunden, wenn sie überhaupt möglich sind.“ Zwar finanziere die gesetzliche Krankenversicherung inzwischen die Entnahme und Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen, doch komme es nach der Heilung zu einer Behandlung, müssten Betroffene genauso viel zahlen wie nicht an Krebs erkrankte Patienten, sagt Stube. All diese Beispiele zeigen nach Angaben Schwiers, wie stark eine Krebsdiagnose das Leben von Betroffenen auch nach der Heilung belastet. &bdquo;Das muss sich dringend ändern, denn wir alle wollen ein möglichst normales Leben führen.“

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