Die Verwaltung und Instandhaltung der Brücken in Nordrhein-Westfalen ist auch nach gravierenden Ausfällen der vergangenen Jahre aus Expertensicht weiterhin eine Mangelverwaltung. «Die Erhaltung und Sanierung der Brücken sind eine technische Last der Vergangenheit, die jeden Tag drückender und akuter wird», sagte die Westfalen-Direktorin der Autobahn GmbH, Elfriede Sauerwein-Braksiek, im Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags zur Rahmede-Talbrücke.
Das Autobahnnetz stamme ganz überwiegend aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, erklärte die Zeugin. Die Brücken seien für eine viel geringere Verkehrsbelastung gebaut worden. Neben der längst überschrittenen Planungszahl für Fahrzeuge pro Tag, seien das höhere zugelassene Gesamtgewicht sowie gestiegene Achslasten der Lkw zu berücksichtigen, sagte Sauerwein-Braksiek. «Und nicht jeder hält sich an diese Gewichtsbeschränkungen, sodass man davon ausgehen muss, dass auch noch weiter schwerere Lkw unterwegs sind.»
Untersuchungsausschuss beleuchtet Versäumnisse

Der vor rund zwei Jahren eingesetzte Untersuchungsausschuss beleuchtet «Brückendesaster und Infrastrukturstau» in NRW. Dabei geht es um mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen oder Fehlverhalten der Landesregierung, nachgeordneter Behörden und landeseigener Betriebe im Zusammenhang mit Genehmigung, Aufsicht, Bau, Sanierung oder Abriss von Brücken. Belastendes über Regierungshandeln des früheren NRW-Verkehrsministers Michael Groschek (2012-2017, SPD) und seines Amtsnachfolgers (2017-2021), dem heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU), ergab die Zeugenbefragung nicht.

Sauerwein-Braksiek sollte Einblick in Planungs- und Entscheidungsprozesse rund um die im Jahr 2021 gesperrte Talbrücke an der wichtigen Verkehrsader A45 geben. Die Folgen der Vollsperrung für die Wirtschaftsregion Südwestfalen waren massiv. Im Mai 2023 war die irreparable Brücke schließlich gesprengt worden.
Marode Rahmede-Talbrücke barg Gefahr für Leib und Leben
Bei einer Besprechung von Prüfergebnissen im Dezember 2021 seien so gravierende Mängel zutage getreten, dass eine weitere Belastung des Bauwerks nicht mehr zu verantworten gewesen sei, berichtete Sauerwein-Braksiek. «Mit Blick auf Leib und Leben der Autobahnbenutzer und der Anwohner habe ich dann entschieden, die A45 umgehend sperren zu lassen.»
Bis zu einer Folgebesprechung mit Fachleuten im Januar 2022 seien neben den bis dahin bereits bekannten Beulen-Verformungen weitere Schäden, wie Rost sowie gerissene Schweißnähte an Haupt- und Querträgern, festgestellt worden. «Aufgrund der gravierenden Mängel war die Bewertung aller Experten, dass eine dauerhafte Sperrung der Brücke unausweichlich war», erklärte die Zeugin.
Die Priorisierung bei Neubau, Erhalt oder Sanierung der Brücken - stets «im Wettbewerb um knappe Ressourcen» - sei letztlich einem Masterplan des Landesverkehrsministeriums gefolgt. «Das waren unsere Vorgaben.»
Suche nach Schuldigen für das Rahmede-Desaster vorerst ergebnislos
Zu einem Hauptaspekt der Untersuchungen gab es keine konkreten neuen Erkenntnisse: Wer war dafür verantwortlich, dass die Dimension der Schäden an der Rahmede-Talbrücke erst so spät erkannt und ein eigentlich schon früher avisierter Neubautermin letztlich nach hinten geschoben worden war? Mit ihr sei als ehemaliger Direktorin des Landesbetriebs Straßen.NRW nie über die Rahmede-Talbrücke gesprochen worden, sagte die Zeugin über Gespräche mit dem Ministerium.
Sie sehe aber menschliche Fehler im System. Wenn an einer Brücke Rost festgestellt werde, sei klar, dass das Problem immer dramatischer werde, stellte die Diplom-Bauingenieurin fest. «Dafür brauche ich kein Brückenprüfer zu sein.»
Der Brückenprüfer habe den Mangel festgestellt, darauf hingewiesen und eine Note für seine Prüfung hinterlegt. «Da ist, glaube ich, der Fehler im System gewesen, dass dann keiner reagiert hat», sagte Sauerwein-Braksiek. Zwar seien die regelmäßigen Kontrollen ordnungsgemäß abgelaufen. «Nur das menschliche Handeln, was da war, ist aus meiner heutigen Sicht die Schwachstelle gewesen.»
Kommunikationslücke: Finger heben, wenn etwas passieren muss
Bevor sie im April 2020 zur Autobahn GmbH wechselte, war Sauerwein-Braksiek in verschiedenen leitenden Positionen beim damals auch noch für die Autobahnen zuständigen Landesbetrieb Straßen.NRW beschäftigt. Damals seien Regionalleiter eingesetzt worden, um angesichts der Vielzahl an Aufgaben bei zu wenig Personal besser Prioritäten zu setzen, erläuterte die Zeugin. «Und mit dem Grad der Besoldung wächst auch der Grad der Verantwortung.»
Wenn es zur Sperrung einer Autobahn komme, könne ja nicht alles richtig gelaufen sein, stellte Sauerwein-Braksiek fest. Sie sprach von Kommunikationsfehlern zwischen der Betriebsniederlassung, der Zentrale des Landesbetriebs und einer Projektgruppe, die für Kontrollen, Betrieb und den Ersatzneubau unterschiedliche Verantwortlichkeiten und Rollen hatten. «Heißt: Wenn ich zuständig bin für den Betrieb einer Brücke und die Erhaltung der Brücke, dann muss ich auch erkennen und den Finger heben, wenn da was passieren muss.»