NRW erlaubt Schulbeginn um 9 Uhr: Ein Modell für OWL?

Düsseldorf/Bielefeld. Morgens ein bisschen länger schlafen - und erst um 9 Uhr mit dem Unterricht beginnen. Das dürfte der Traum einiger Schülerinnen und Schüler sein. Tatsächlich ist das in NRW auch rechtlich möglich. Doch das Interesse der Schulen ist gering, wie eine Anfrage beim Schulministerium zeigt. Das hat Gründe. Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in NRW regelt, dass Schulen die Möglichkeit eingeräumt wird, den Schulbeginn auf bis zu 9 Uhr festzulegen. Wichtig sei es dabei, die Schulkonferenz einzubeziehen - also zum Beispiel Vertreter der Lehrer, Schüler und Eltern - damit nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werde, teilt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit. In der Regel beginnt der Unterricht an den Schulen in NRW bislang in der Zeit zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr. Dabei obliege es dem Schulträger, insbesondere in Zusammenarbeit mit den Verkehrsunternehmen, eine &bdquo;abgestimmte Regelung“ zu entwickeln und Zeiten für den Unterrichtsbeginn vorzuschlagen. Die Schulleitung entscheidet dann nach Beratung in der Schulkonferenz. Vor- und Nachteile eines späteren Unterrichtsbeginns Für einen späteren Schulbeginn um 9 Uhr sehen Experten durchaus plausible Gründe. &bdquo;Nach Auffassung vieler Schlafforscher, Wissenschaftler und Kinderärzte käme ein Schulbeginn ab 9 Uhr dem Biorhythmus von Kindern und Jugendlichen eher entgegen“, sagt Sven Christoffer, Vorsitzender des Lehrerverbandes &bdquo;lehrer nrw“. Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW &bdquo;begrüßt grundsätzlich“ den Entschluss der Landesregierung, Schulen eigenverantwortlich die Möglichkeit eines späteren Unterrichtsbeginns einzuräumen. Aus &bdquo;chronobiologischer Sicht“ sei ein späterer Schulbeginn &bdquo;von Vorteil“, sagt GEW-Chefin Ayla Celik. Allerdings sind beide Verbände der Meinung, dass viele &bdquo;gravierendere Nachteile“ dagegen sprechen würden. So sei ein späterer Unterrichtsbeginn für viele Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, wegen der eigenen Arbeitszeiten nur sehr schwer organisierbar, sagt Christoffer. &bdquo;Auch die Koordination des Schülertransports wäre schwierig – gerade in ländlichen Gegenden gibt es keine eng getakteten Fahrpläne. Es müssten also zusätzliche Busverbindungen eingerichtet werden.“ Davor dürften viele Verkehrsbetriebe und Schulträger wegen des damit verbundenen Personal- und Kostenaufwands zurückschrecken, glaubt Christoffer. Celik gibt zu bedenken, dass durch einen späteren Unterrichtsbeginn auch Stundenpläne angepasst werden müssten und zudem müssten die Raumkapazitäten stimmen. Und: &bdquo;Wenn die Schule später startet, müssen die Kinder länger zuhause betreut werden. Auch der Fach- und Lehrkräftemangel wird der flexiblen Handhabung des Stundenplanes im Wege stehen.“ Ein damit verbundener späterer Schulschluss raube zudem noch mehr Zeit für außerschulische Aktivitäten, wie zum Beispiel Sport, Musik, Familie, Verein oder auch ehrenamtliches Engagement, ergänzt Christoffer. Stadt Bielefeld berichtet von Initiativen der Verkehrsträger Vor diesem Hintergrund ist es nur wenig überraschend, dass von den Schulen in NRW aktuell &bdquo;keine Wünsche“ an das Ministerium für einen späteren Schulbeginn herangetragen worden sind, teilt der Ministeriumssprecher mit. Das heißt mit anderen Worten: Bislang macht keine Schule von der Möglichkeit Gebrauch. Das Schulministerium stehe dazu aber weiter im Austausch mit der oberen Schulaufsicht. In Bielefeld ist das Thema bekannt. Es habe in der Vergangenheit bereits Initiativen vom Verkehrsträger gegeben, die Schulanfangszeiten zu entzerren - mit dem Ziel, Busse und Bahnen in den Spitzenzeiten &bdquo;zu entlasten“ und gegebenenfalls auch weniger ergänzende Fahrzeuge einsetzen zu müssen, teilt Dezernent Udo Witthaus mit. Diese Vorhaben seien von den betroffenen Schulen aber &bdquo;zurückgewiesen“ worden. Während der Corona-Pandemie sei eine Entzerrung der Schulanfangszeiten in einer Bandbreite von 7.30 Uhr bis 8.30 Uhr erfolgreich umgesetzt worden. &bdquo;Im Nachgang sind aber nur wenige Schulen bei diesen Anfangszeiten geblieben, die anderen haben wieder umgestellt auf die traditionellen Anfangszeiten“, sagt Witthaus. Bisher habe es in Bielefeld noch keine Bestrebungen von Schulen oder Verkehrsträgern gegeben, die Neuregelung des Schulbeginns um 9 Uhr aufzugreifen. &bdquo;Während dies für Verkehrsträger auch angesichts der zunehmend knapper werdenden Personalressourcen attraktiv sein könnte, dürften die Schulen wenig Interesse an einer Verschiebung haben, insbesondere wenn sich Unterricht dann - gerade bei Ganztagsschulen - weiter in den Nachmittag ziehen würde“, vermutet Witthaus. Christoffer sieht das Thema pragmatisch. Wichtiger als die Uhrzeit des Schulbeginns sei ohnehin ausreichend Schlaf. &bdquo;Wer zu spät ins Bett geht, ist auch um 9 Uhr noch nicht ausgeschlafen.“

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