Sie lachen wieder. Miteinander. Und das soll jeder sehen. Als sich Hendrik Wüst und Markus Söder vergangene Woche bei der Ministerpräsidentenkonferenz wieder treffen, machen sie erstmal ein Foto. „Wir sind nicht immer einer Meinung, aber öfter als andere denken“, schreibt CSU-Chef Söder in dem Instagram-Beitrag. Im Hintergrund ist der leuchtende Himmel zu sehen.
Söder will offenbar unterstreichen: alles wieder gut. Aber stimmt das? Schließlich ist es noch gar nicht lange her, dass die CSU über Wüsts „Foulspiel“ schäumte. In der CDU geht seitdem die Sorge um, der Ärger zwischen beiden könne im Wahlkampf von Friedrich Merz noch zum Problem werden.
Es ist der 16. September, als Wüst Söder so richtig aufbringt. An dem Abend erklärt er seinen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur und verkündet seine Unterstützung für Merz. Damit erweckt er den Eindruck, dass Söder nun unter Zugzwang steht, obwohl Wüst ohnehin schlechte Karten hatte. Eigentlich will sich der CSU-Mann als Königsmacher von Merz inszenieren. Wüst kommt ihm zuvor und setzt dem CDU-Vorsitzenden die Krone auf.
Wüst und Söder: Der Provokateur ist immer der andere
Das Feuerwerk an Sticheleien, das von Bayern bis nach NRW reicht und umgekehrt, ist seither lauter geworden. „Es gibt viele Ministerpräsidenten und nur zwei Parteivorsitzende der Union“, stichelt Söder etwa. Der Parteivorsitzende nutzt derzeit viele Gelegenheiten, um gegen schwarz-grüne Koalitionen wie die in NRW zu stänkern. Bei Wüst muss man eher zwischen den Zeilen lesen. Dann antwortet er auf Söders Tiraden gegen Schwarz-Grün mit Bundesratsinitiativen, die er mit anderen Regierungen aus CDU und Grünen einbringt.
Wenn man im Westen oder im Süden nachfragt, ist der Provokateur immer der andere. Söder ist eben Söder, rollen sie die Augen in der CDU. In NRW würde niemand ständig die Grünen loben, aber Söder würde ständig Schwarz-Grün angreifen und Wüst dazu veranlassen, seine Koalition zu verteidigen.
In der CSU sehen sie auch Wüst in der Verantwortung, der sich in der K-Frage nicht an den Zeitplan gehalten habe. Außerdem gehe von Wüst eine viel größere Gefahr für Merz aus, wird in Bayern geraunt. Wüsts Erklärung zum Verzicht auf die Spitzenkandidatur sei ein Angriff auf Merz und nicht auf Söder gewesen. Immerhin habe Wüst betont, dass ihn junge Leute zur Kandidatur ermutigt hätten. In dieser Wählergruppe hat Merz schlechte Umfragewerte.

Söder und Wüst verbindet lange Geschichte
Söder und Wüst – das ist eine lange Geschichte, die eigentlich harmonisch anfängt. In den 2000er-Jahren sind sie gleichzeitig Vorsitzende ihrer Junge-Union-Landesverbände und arbeiten – so erzählt man sich heute – recht gut zusammen. Später werden sie Generalsekretäre: Söder für die CSU, Wüst für die NRW-CDU.
Aufsehen erregen die jungen Konservativen mit der Gründung der „Einstein-Connection“. Gemeinsam mit dem JU-Bundesvorsitzenden Philipp Mißfelder und dem baden-württembergischen Politiker Stefan Mappus versuchen sie, Angela Merkel zu einem konservativeren Kurs zu drängen. Der Dauerbrenner der „deutschen Leitkultur“ gehört dazu.
Früher haben sie sich zusammengetan, heute konkurrieren sie um den größten Einfluss auf die Union. Nach Merz, versteht sich. In Bayern wird nicht ohne Grund darauf verwiesen, Söder habe natürlich das größere Mitspracherecht als Wüst. In Nordrhein-Westfalen wird dagegen betont, dass die CSU und die NRW-CDU ähnliche Mitgliederzahlen hätten.

Söders Seitenhiebe treffen Wüst – und nicht Merz
Unter Unionspolitikern ist bekannt, dass man Söder „selbstbewusst“ gegenübertreten muss, um von ihm respektiert zu werden. Am besten mit einem Witz oder kleinen Seitenhieb. Söder versteht nur Stärke. Wüst soll sich öfter Gags für ihn ausdenken. Vor einem Jahr hat er Söder zum Beispiel ein Lebkuchenherz geschenkt, auf dem mit Zuckerschrift geschrieben wurde: „Zusammen geht das“. Ein Foto davon veröffentlichten sie ebenfalls in den sozialen Medien. Ihre Rivalität hat manchmal Performance-Charakter. Beide inszenieren sie wie eine Theaterproduktion.
Und sie würden diese Konkurrenz nicht pflegen, wenn sie nicht glauben würden, dass sie ihnen zumindest ein bisschen nützt. Beide sind ja auch erfolgreich. Die CDU liegt in NRW bei 40 Prozent, die CSU in Bayern bei 43 Prozent. Die Union im Bund hat einer Umfrage von Infratest Dimap zufolge einen Sprung um drei Prozentpunkte auf 34 Prozent gemacht. Allerdings – und davon ist Merz überzeugt – gewinnen zerstrittene Parteien keine Wahlen. 2021 hatte die Union das erlebt. In der CDU kreiden sie Söder das Störfeuer im Bundestagswahlkampf immer noch an.
Anders ist diesmal, dass seine Seitenhiebe aktuell nicht den Kanzlerkandidaten treffen, sondern Wüst. Manche meinen sogar, Merz könne davon profitieren, weil es ihn besser aussehen lasse. „Good Cop, Bad Cop“, formuliert es ein CDU-Mann. Das geht aber nur so lange gut, bis sich Wüst oder Söder (oder beide) nicht doch irgendwann auf Merz konzentrieren.