Widerstand aus NRW gegen geplantes Ampel-Gesetz

Düsseldorf. Finanzexperten in NRW befürchten, dass durch ein Gesetz der Bundesregierung Milliarden an Steuergeldern verloren gehen könnten - zugunsten von Steuerhinterziehern. Der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) wirft Bundesfinanzminister Christian Lindner jetzt gar ein &bdquo;perfides“ und &bdquo;skandalöses“ Spiel vor. Anlass der Kritik ist das sogenannte Bürokratieentlastungsgesetz der Ampelregierung, das am Donnerstag im Bundestag besprochen werden soll. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Aufbewahrungsfrist für Steuer- und Buchungsbelege reduziert wird - von zehn auf acht Jahre. Damit sollen zum Beispiel Unternehmen bei der Bürokratie ganz konkret entlastet werden, indem sie die Unterlagen nicht mehr so lange aufbewahren müssen. Kritiker sehen darin aber große Probleme. &bdquo;Die geplante Reduzierung der Aufbewahrungsfristen auf acht Jahre wäre ein schwerwiegender Fehler“, sagt NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) dieser Redaktion. Der Grund: Steuerstraftaten würden in der Regel nach zehn Jahren verjähren, und es sei &bdquo;essenziell“, dass steuerrelevante Unterlagen ebenso lange aufbewahrt werden müssten, so Optendrenk. &bdquo;Nur so kann sichergestellt werden, dass wichtige Dokumente zur Aufklärung schwerer Steuervergehen nicht vorzeitig vernichtet werden.“ Steuerhinterziehung und -kriminalität ließen sich nur effektiv bekämpfen, wenn alle relevanten Daten rechtzeitig und vollständig zur Verfügung stünden. Die Strafverfolgung dürfe nicht durch solche Maßnahmen erschwert werden, so Optendrenk. Walter-Borjans spricht von Hilfsprogramm für Steuerhinterzieher Verärgert zeigt sich auch Optendrenks Amts-Vor-Vorgänger Norbert Walter-Borjans. &bdquo;Längere Verjährungsfristen für Steuerbetrug sind wertlos, wenn Steuerhinterzieher jetzt die Möglichkeit erhalten, ihre Akten schon weit davor zu schreddern“, meint der frühere SPD-Parteichef im Gespräch mit dieser Redaktion. &bdquo;Im Ergebnis ist das ein Hilfsprogramm für Menschen, die Steuern hinterzogen haben – oder das vorhaben.“ In den Augen Walter-Borjans seien SPD und Grüne in Sachen Finanztricks oft &bdquo;schlicht und ergreifend“ zu nachlässig. &bdquo;Damit überlassen sie es anderen, das Aufmerksamkeitsvakuum schamlos für sich auszunutzen.“ Besonders verärgert zeigt sich Walter-Borjans über Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der FDP-Politiker habe angekündigt, das Tariftreuegesetz zu blockieren, bis das Bürokratieentlastungspaket durch sei, sagt Walter-Borjans. &bdquo;Im Klartext: Er verhindert eine faire Bezahlung von Arbeitnehmern so lange, bis er sichergestellt weiß, dass Steuerbetrüger ihre Akten früher vernichten dürfen – und das unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung“, so SPD-Politiker Walter-Borjans. &bdquo;Das ist perfide und skandalös.“ SPD und Grüne in der Ampel seien &bdquo;dringend“ gehalten, sich nicht von der FDP &bdquo;mit ihrer Politik für 0,8 Prozent der Bevölkerung“ am Nasenring durch die Manege führen zu lassen, fordert Walter-Borjans. &bdquo;Wenn sie dieses Gesetz nicht von sich aus stoppen, müssen die Länder das über den Bundesrat tun. Zusammen mit der Bürgerbewegung Finanzwende werde ich dafür alle Hebel in Bewegung setzen.“ Der Bewegung Finanzwende gehört unter anderem die frühere Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker an. &bdquo;Wenn das Gesetz in seiner jetzigen Form verabschiedet wird, können Banken also legal Beweismittel vernichten – obwohl sie rechtlich noch belangt werden könnten“, heißt es in einer Petition der Bürgerbewegung an die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen im Bundestag. Und weiter: &bdquo;Wir finden: Steuerbetrüger*innen dürfen sich nicht aus der Verantwortung ziehen“. Steuerzahlerbund und FDP halten die Kritik für überzogen Die Grünen in NRW signalisieren Unterstützung. Bürokratieabbau sei ein wichtiges Ziel auf Bundes- und Landesebene. Doch Initiativen zum Bürokratieabbau dürften der Bekämpfung von organisiertem Steuerbetrug &bdquo;nicht im Wege stehen“, sagt Simon Rock, Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik der Grünen im Düsseldorfer Landtag. Rock fordert, dass die &bdquo;ernsthaften Bedenken“ auf Bundesebene ernst genommen und ausgeräumt werden. Ganz anders sieht das die FDP. Die Kritik sei &bdquo;völlig überzogen“, meint der Haushaltsexperte der FDP-Fraktion, Ralf Witzel. &bdquo;Die meisten Steuerprüfungen werden von dieser Regelung gar nicht berührt. Nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei Großbanken oder in Branchen mit hohem Betrugsrisiko, bleiben längere Prüfungszeiträume sinnvoll“, sagt Witzel. Für den normalen Betrieb gelte durch das Gesetz: &bdquo;Weniger Vorschriften, mehr Freiheit.“ Der Abbau von Bürokratie dürfe nicht ständig durch neue Ausnahmen und Sonderregelungen &bdquo;torpediert“ werden. Diese Ansicht teilt auch der Bund der Steuerzahler. Das Gesetz sei ein &bdquo;Schritt in die richtige Richtung“, meint der Landesvorsitzende Rik Steinheuer. Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen bedeute eine &bdquo;Erleichterung“ für jeden einzelnen Betrieb in Deutschland. &bdquo;Das Staatsversagen bei der Aufklärung der Cum-Ex- und Cum-Cum-Fälle sollte nicht dafür herhalten müssen, Bürokratieentlastung zu blockieren“, sagt Steinheuer. Der eigentliche Skandal sei, dass es seit 2012 (Cum-Ex) beziehungsweise 2015 (Cum-Cum) nur in &bdquo;viel zu bescheidenem Umfang“ gelungen sei, diese Straftaten zu ahnden und die illegal kassierten Gelder zurückzufordern, so Steinheuer. &bdquo;Eine schnellere Ermittlung und ein schnellerer Abschluss von Strafverfahren müssen möglich sein, ohne Millionen von ehrlichen Steuerzahlern Erleichterungen bei den Aufbewahrungsfristen zu verweigern.“

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