Trendsport Quidditch in OWL: Zauberhaft oder brutal?

Bielefeld. Ich verfolge die magische Welt rund um Harry Potter aufmerksam, entsprechend ist mir der bekannteste Sport dort - Quidditch - natürlich ein Begriff. Drei Spieler, auch Jäger genannt, müssen den sogenannten Quaffel durch einen der drei Torringe befördern, um Punkte zu erzielen. Daran hindern sie jedoch die beiden Treiber des gegnerischen Teams, die sie mit Klatschern aus dem Weg räumen wollen, sowie ein Hüter, der die Torringe bewacht. Außerdem gibt es noch den goldenen Schnatz. Dieser kleinste aller Bälle ist schwierig zu finden und noch schwieriger zu fangen. Dafür bekommt das Team des Suchers, der ihn findet, eine große Anzahl an Extrapunkten, was in den meisten Fällen den Sieg bedeutet. Mit dem Fang ist zudem das Spiel beendet. Für mich steht heute ein Besuch an der Sportanlage des Tus Ost Bielefeld an. Dort trainieren die Bielefelder Basilisken, der einzige Quadball-Verein in Ostwestfalen-Lippe. Quadball, so heißt der Sport offiziell. Die Regeln sind denen vom Quidditch sehr ähnlich, einen großen Unterschied gibt es allerdings: In der Zaubererwelt wird der Sport fliegend auf Besen ausgeübt. Zahnschutz statt Besen &bdquo;Fliegen werde ich heute nicht“, bin ich mir sicher, als ich gemeinsam mit Jan den Kunstrasenplatz betrete. Er ist ein Arbeitskollege von mir und Spieler bei den Basilisken. Dank ihm wusste ich, dass es heute etwas härter zur Sache geht. &bdquo;Nimm besser einen Zahnschutz mit“, hat er mir vorher mit auf den Weg gegeben. Den Rat befolge ich und bin gespannt darauf, was mich erwartet. Nach und nach treffen die anderen Spielerinnen und Spieler ein. Quadball wird gemischtgeschlechtlich gespielt, jeder ist willkommen. &bdquo;Heute ist ein wichtiges Training, unser erstes Ligaspiel ist am Wochenende“, sagt Mahdi vor versammelter Mannschaft. Er ist einer der Trainer. Mir schießt der Gedanke in den Kopf, dass ich stören könnte, wenn sie sich intensiv auf das Spiel vorbereiten wollen. &bdquo;Du störst natürlich trotzdem nicht“, sagt Anna-Lena, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ein Mal reicht nicht Auch sie ist im Trainerteam. &bdquo;Eigentlich musst du mindestens vier bis fünf Mal kommen, bis du die ganzen Spielzüge verstanden hast. Ab dann macht es richtig Spaß“, erklärt mir die 20-Jährige. Wir beginnen mit dem Aufwärmen. Ich bin froh, dass das ähnlich abläuft, wie ich es aus anderen Sportarten kenne. Keine Überforderung bisher. Aber auch keine Besen. Mein Verdacht, dass heute nicht geflogen wird, verstärkt sich. Dann bringt Anna-Lena eine Tasche mit Kunststoffstangen auf den Platz. &bdquo;Unser Besenersatz“, sagt sie. &bdquo;Aber damit kann man doch gar nicht fliegen?“, frage ich sie mit einem Grinsen und merke an ihrer Reaktion, dass ich nicht der erste bin, der diesen Witz anbringt. Ab diesem Moment ist der Besenersatz mein ständiger Begleiter zwischen den Beinen. Schnell stelle ich fest, dass sowohl das Laufen als auch das Fangen der Bälle damit nicht einfach sind. &bdquo;Man gewöhnt sich dran“, sagt Anna-Lena aufmunternd. Ich frage mich allerdings, ob das auch vier bis fünf Trainingseinheiten dauert. Die Zweikämpfe sind hart Nach einer Wurfübung - der Quaffel ist beim Quadball ein Volleyball, die Klatscher sind Dodgebälle - steht eine Zweikampfübung auf dem Plan. Zum ersten Mal verstehe ich, wofür der Zahnschutz nützlich ist. Ich werde öfter zu Boden gerungen, als mir lieb ist, Welpenschutz gibt es nicht. &bdquo;Das kann dir im Spiel auch jederzeit passieren“, ist die trockene Reaktion meines Kontrahenten. Still und heimlich hoffe ich, dass die Übung bald vorbei ist und wir endlich auf die Torringe werfen dürfen. Nicht weil es mir zu brutal ist, sondern weil ich mich in jedem Zweikampf wie ein absoluter Anfänger fühle. Mein Wunsch wird erhört, für die restliche Zeit ist ein Trainingsspiel eingeplant. Bei der Einteilung der Teams darf ich mir aussuchen, welche Position ich spielen möchte. Nur Sucher kann ich nicht sein, der Schnatz für die Extrapunkte wird heute weggelassen. Ich entscheide mich für den Jäger. &bdquo;So schwer kann es nicht sein, den Ball durch einen der Ringe zu werfen“, denke ich mir. Verteidigen ist einfacher als Angreifen Dass das ein Trugschluss ist, stellt sich kurze Zeit später heraus. Die gegnerische Mannschaft verteidigt gut, macht es uns - und besonders mir - schwer, überhaupt in die Nähe der Ringe zu kommen. Auch den Hinweis von Anna-Lena, dass man einige Einheiten benötigt, um mit Quadball vertraut zu sein, verstehe ich nun besser. &bdquo;Bolivien“, &bdquo;Honduras“, &bdquo;Viper“ und &bdquo;Mamba“ sind nur einige Ausrufe der anderen, die für verschiedene Spielzüge stehen. Zwar erklärt mir Anna-Lena viel und beantwortet jede meiner Nachfragen gewissenhaft, trotzdem ist es für mich schwer, die richtige Position im Angriffsspiel zu finden. Oft werde ich von den Klatschern getroffen und muss mich an den eigenen Torringen freischlagen, um weiterzuspielen. Immerhin: Das Verteidigen klappt gut, auch wir machen es unseren Gegnern schwer, Tore zu erzielen. &bdquo;Du machst das super“, sagt Anna-Lena mehrfach und stärkt damit mein Selbstvertrauen. Das Passspiel wird besser, ich lerne den Klatschern auszuweichen und verschiedene Spielsituationen gleichzeitig wahrzunehmen. Zwischendurch vergesse ich sogar, dass ich auf einem Besen unterwegs bin, nehme ihn gedankenverloren mit in die Trinkpausen. Ein fast perfekter Abschluss Dann kommt mein großer Moment: Ich bekomme den Quaffel kurz vor den Torringen zugespielt, werfe durch den linken Ring - und werde einen Wimpernschlag zuvor von einem der Klatscher am Rücken getroffen. Im Ligaspiel hätte der Wurf sicher nicht gezählt, heute wird ein Auge zugedrückt. Und wenn mein Teamkollege den letzten Ball des Spiels zu mir gepasst hätte, dann wäre sogar ein zweites Tor möglich gewesen. Er trifft aber selbst - und das ist in Ordnung. &bdquo;Ich hätte ihn auch selbst gemacht“, sage ich zu ihm und gehe zufrieden vom Platz. Körper und Kiefer tun mir weh, die Tacklings und das Tragen des Zahnschutzes zeigen ihre Wirkung. Trotzdem hat mir Quadball heute viel Spaß gemacht. Die Bielefelder Basilisken zeigen eindrucksvoll, dass bei ihnen wirklich jeder willkommen ist. Vielleicht sollte ich ihr Angebot nutzen und noch einige Male mittrainieren, um die verschiedenen Spielzüge zu verinnerlichen.

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