Neue Ermittlungsansätze für Dutzende ungeklärte Mordfälle in OWL

Bielefeld. Die Bielefelder Polizei will mehr Personal für Ermittlungen bei ungelösten Mordfällen einsetzen. Ermittler haben in den vergangenen Jahren nämlich mehrere Dutzend sogenannter Cold Cases aus Ostwestfalen-Lippe untersucht - und bei vielen Fällen neue Ermittlungsansätze gefunden. Dabei gab es sogar Erfolge. 1.143 Cold Cases seit 1970 meldeten die Polizeibehörden in NRW an das Landeskriminalamt (LKA). Hier hatten 2021 insgesamt 24 pensionierte Ermittler - darunter eine ehemalige Polizisten aus Bielefeld - ein Projekt begonnen, bei dem sie die Ermittlungsakten solcher ungelöster Tötungsdelikte unter die Lupe nahmen. Dabei im Fokus stand vor allem die Frage, ob die ungeklärten Fälle durch moderne Kriminaltechnik und Ermittlungsmethoden sowie veränderter Rechtsgrundlage oder Hinweise aus der Bevölkerung aufgeklärt werden können. Bei insgesamt mehr als 400 Fällen sahen die pensionierten Polizisten gute Chancen, dass die Täter nach erneuten Ermittlungen gefasst werden können. Aus dem Raum Ostwestfalen-Lippe speiste die Polizei Bielefeld, bei der die Mordkomissionen für die Region sitzen, 2015 etwa 50 ungelöste Mordfälle alleine für die Jahre 1990 bis 2015 in eine eigene Datenbank des LKA ein. Für die übrigen Jahre dürften weitere Cold Cases hinzugekommen sein. Nun berichtete die Polizei Bielefeld auf Anfrage: In 36 Fällen seit 1970 sehen die ehemaligen Ermittler Chancen, die Fälle zu lösen. Darunter befinden sich Fälle wie der Mord an Frauke Liebs, Nelli Graf oder Sandra Zimmermann. Ein Fall konnte bereits gelöst werden Einen 37. Fall konnte man derweil lösen: 2014 wurde in Vlotho-Exter (Kreis Herford) die 84-Jährige Agnes N. mit einem Messer in ihrem Haus getötet. Am Abend fand eine Pflegerin ihre Leiche. Das Motiv der Tat war offenbar Habgier, denn es hatte sich zuvor rumgesprochen, dass die Rentnerin viel Geld zuhause aufbewahren soll. Offenbar hatte es der Täter darauf abgesehen. Das LKA riet dazu, gesicherte Mikrospuren mit moderner Technik erneut zu untersuchen. Dabei konnte die DNA eines Tatverdächtigen an der Oberbekleidung von Agnes N. gesichert werden. Die Polizei verhaftete im Herbst 2022 einen damals 38-Jährigen, kurz darauf tötete er sich selbst. Laut NRW-Innenministerium ist der Fall Agnes N. einer von bisher sechs Cold Cases in NRW, die im Rahmen des Projekts gelöst werden konnten. Erst Anfang Mai hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Ergebnisse der sogenannten Besonderen Aufbauorganisation (BAO) in Sachen Cold Cases vorgestellt. Nachdem die ehemaligen Beamten aus Bereichen wie Todesermittlungen, Vermisstensachbearbeitung oder Kriminaltechnik die Akten der mehr als 1.000 Altfälle geprüft haben, solle nun "Phase zwei" beginnen. So sollen an Kriminalhauptstellen wie in Bielefeld künftig ebenfalls pensionierte Experten zur Verfügung stehen. Neue Fälle haben Priorität Der Bielefelder Polizeisprecher teilt mit, dass die Anwerbung von zusätzlichem Personal im Bereich Cold Cases geplant sei, "um die bisherigen Ermittler zu unterstützen". Ein Zeitpunkt für die Einstellung stehe noch nicht fest. Generell gilt laut Ermittlern in Sachen Mord: Neu vor alt - aktuelle Mordfälle haben in der Regel höhere Priorität. Dennoch heißt es von der Bielefelder Polizei mit Blick auf Cold Cases: "Die Ermittler der Mordkommissionen sehen ihre Hauptverantwortung darin, den Opfern und Hinterbliebenen Antworten geben zu können und bestenfalls einen Täter überführen zu können – auch wenn es Zeit und Jahre in Anspruch nehmen sollte." In drei Dutzend alten Mordfällen aus OWL - zum Teil blieb es auch nur beim Versuch - sehen Ermittler Chancen auf die Lösung des Falles. Fünf Beispiele: Frauke Liebs Die 21-jährige Schwesternschülerin Frauke Liebs verschwand im Sommer 2006 in Paderborn. Über mehrere Tage meldete sie sich telefonisch bei Angehörigen, bis der Kontakt abbrach. Ihre Leiche wurde einige Monate später in einem Wald bei Lichtenau (Kreis Paderborn) gefunden. Ehepaar Gratzik Am 30. November 2005 wurde das Ehepaar Cornelia und Ingo Gratzik in ihrem Haus in Delbrück (Kreis Paderborn) erschossen und angezündet. Ingo Gratzik war bekannter Militariahändler, die Polizei geht von Raubmord aus, um an seine teils wertvollen Stücke zu gelangen. Irma K. Irma K. (83) aus Petershagen galt als vermögend. Im August 2012 wurde sie in ihrem Haus getötet. Möglicherweise hatte die Tat als Einbruch begonnen – und endete in einem Mord. Die Polizei teilte allerdings schon kurz nach der Tat fest, DNA gefunden zu haben – offenbar vom Täter. Nelli Graf Nelli Graf aus Halle (Kreis Gütersloh) nahm am Morgen des 14. Oktober 2011 noch Termine wahr, zur Arbeit am Nachmittag erschien die 46-Jährige aber nicht. Eine Suche war erfolglos, bis ihre gefesselte Leiche in einem Wald in Halle gefunden wurde. Nelli Graf wurde erstochen. Sandra Zimmermann Die 17-jährige Sandra Zimmermann aus Bad Salzuflen (Kreis Lippe) besuchte im März 1992 ihren Freund in Bünde (Kreis Herford). Zurück wollte sie trampen, doch sie geriet an einen Sexualmörder. Ihre Leiche wird zwei Monate später in Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbecke) gefunden.

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