Historische Nazi-Symbole in Bielefeld werden 80 Jahre nach dem Krieg vernichtet

Bielefeld. Erst mehr als 80 Jahre nach Kriegsende verschwinden aus Bielefeld die letzten großen Symbole nationalsozialistischer Herrschaft: zwei große Hakenkreuze, 1,65 Meter hoch und etwa einen Meter breit. Sie sind zugegebenermaßen nicht der Öffentlichkeit zugänglich, da sie in einer stillgelegten Fabrik, die den Abriss erwartet, direkt auf die Wand gemalt sind. Wenn die Bagger anrücken, um das ehemalige Kampmann-Gelände in Bielefeld-Quelle zu planieren, werden die Sinnbilder einer Schreckensherrschaft im wahrsten Sinne des Wortes zermalmt. Einen Versuch, wie vor Jahren mal überlegt, sie fürs Historische Museum Bielefeld zu retten, wird es nicht geben. Constanze Döhrer leitet heute das Historische Museum. Ihr Vorgänger Wilhelm Stratmann hatte vor rund fünf Jahren, als die Pläne für den Neubau eines Lidl-Marktes an der Carl-Severing-Straße schon spruchreif schienen, Interesse an der Übernahme der Hakenkreuze aus Quelle bekundet. &bdquo;Die Anfrage, ob wir einen Weg sehen, diese Wandstücke einzulagern, hat uns tatsächlich vor einigen Jahren erreicht“, schildert Döhrer, nachdem sie sich über die Vorgänge vor ihrer Zeit schlaugemacht hat. Gemeinsam mit dem Restaurator sei man jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es nur mit einem enormen Aufwand möglich wäre, die mit Ölfarben direkt auf die Wand gemalten Hakenkreuze mitnehmen zu können. &bdquo;Wir müssten ganze Wandstücke erhalten, stabilisieren und einlagern, denn uns stehen gerade für diese Malereien keine anderen Techniken zur Verfügung“, schildert die Museumsleiterin. Diese später in der Dauerausstellung des Museums auszustellen, wäre eine ebensogroße Herausforderung. Daher bleibe es auch jetzt, da der Abriss der alten Kampmann-Fabrik ab Oktober Wirklichkeit werden soll, bei dem Beschluss, von einer Umsetzung des Mauerstückes abzusehen. Lesen Sie auch: Sechs Mal Steinhagen: Eine Geisterstadt, ein Nazi-Dorf und mehr Skurriles Tiefgreifende Präsenz der Nazis in Bielefeld &bdquo;Wir würden aber gerne gute Fotos erhalten, denn natürlich sind die Malereien ein eindrückliches Zeugnis davon, wie tiefgreifend das NS-Regime durch die Präsenz von Symbolen seine Macht festigte“, sagt Constanze Döhrer. Daher überlegt die Museumsleiterin, ob es gelingen könnte, noch schnell neue Fotos in den Räumen in Quelle zu machen. Als die Hakenkreuze im Jahr 2006 bei Renovierungsarbeiten in den Fabrikräumen entdeckt worden sind, waren nur wenige Fotos entstanden. Das Rätsel, wer genau die Nazi-Kreuze an die Wand gemalt, ist bis heute nicht gelöst. Sie befinden sich in einer Halle, die in den 1930er und 1940er Jahren von der Maschinenfabrik Beckmann & Co. angemietet worden war, die damals Spinnereimaschinen herstellte. Jürgen Kampmann, letzter Besitzer des Familienunternehmens, erinnerte sich vor Jahren, dass mit den Maschinen auch Armee-Uniformen hergestellt worden seien. &bdquo;Der Betrieb war kriegsrelevant. Es sollen dort auch Zwangsarbeiter beschäftigt worden sein“, so sein Wissen. War das der Grund für die beiden großen Nazi-Symbole auf einer Wand, die einst die Außenwand der ersten in Bielefeld-Quelle gebauten Fabrikhalle von Kampmann war? Möglicherweise hätten die Fabrikräume auch für Versammlungen der Nazis genutzt werden können. Der nahe gelegene Queller Rennplatz im Schatten der Hünenburg war jedenfalls ein bestens geeigneter Platz für überdimensionale Aufmärsche der Partei. Hakenkreuze bei Renovierungsarbeiten 2006 wiederentdeckt Dass es die Hakenkreuze fast 20 Jahre nach ihrer Wiederentdeckung immer noch gibt, hängt damit zusammen, dass Eveline und Jürgen Kampmann nach der Entdeckung damals immer noch darauf gehofft hatten, mehr über das Detail ihrer Firmengeschichte herausfinden zu können. Sie ließen aber die heute verbotenen Abbildungen hinter Rigips verschwinden. 2018 verließ das Unternehmen Kampmann International Quelle, nachdem das Gelände an Lidl verkauft worden war, und fing in Borgholzhausen in einem Neubau noch einmal neu an. Mittlerweile sucht das Unternehmerpaar, das 2023 den Betrieb eingestellt hat, händeringend nach einem Käufer für seine Immobilie. Das markante rote Backsteingebäude der Fabrik mit ihren auffälligen Sheddächern wurde um die Wende des 19./20. Jahrhunderts gebaut. Hundert Jahre hat Familie Kampmann dort gewohnt, 99 Jahre – bis 2018 – dort gearbeitet. Zunächst wurden textile Polierscheiben hergestellt, ab 1989 war es ein Stickerei-Betrieb. In Kriegszeiten mussten Fäustlinge für frierende Landser genäht, später auch überzählige Lazarettdecken zu Kinderjacken verwandelt werden. Dass in dieser Zeit auch in Quelle Symbole und Fahnen der Nazis keine Seltenheit waren, ist nicht überraschend. Dass die speziellen beiden Hakenkreuze so lange überdauert haben, aber schon. Auf dem Gelände entstehen Lidl, eine Drogerie, Wohnungen und ein Boardinghaus Auf dem ehemaligen Kampmann-Gelände und dem der ehemaligen Textilreinigung Kleine entsteht nach dem Abriss ein &bdquo;urbanes Zentrum“. In dessen Mittelpunkt ein neuer Lidl-Markt steht. Dazu kommen ein Wohn- und Geschäftsgebäude, in den ein noch nicht bekannte Drogerie-Kette einzieht – wobei weder Rossmann noch DM auf Nachfrage von nw.de einen Vertragsabschluss bestätigten. Außerdem soll auf dem großen Gelände an der Café-Sport-Kreuzung ein Boardinghaus entstehen.

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