Ungewöhnliche Hand-Erkrankung

„Biker-Lähmung“: Spenger kann nach Radtour Hände nicht mehr richtig benutzen

Nach einem zehntägigen Radurlaub kann der 53-Jährige seine Hände wochenlang nicht gebrauchen. Was es mit der mysteriösen Erkrankung auf sich hat - und worauf Radler bei langen Touren achten sollten.

Radler sollten darauf achten, dass ihr Bike optimal auf sie eingestellt ist. | © Mareike Patock

10.09.2025 | 10.09.2025, 14:14

Spenge. Es ist eine Tour, die Fabrice Zengler (Name von der Redaktion geändert) schon immer einmal machen wollte: mit dem E-Bike durch die südlichen Alpen. Ende Juni schließlich geht es los - eine gute Woche lang mit dem Rad durch Italien, Österreich und Slowenien. Jeden Tag radelt er zwischen 60 und 90 Kilometer durch die Berge, manchmal auch ohne Motorunterstützung. Anfangs ist auch alles gut: Die Landschaft ist malerisch, das Wetter sonnig, das neue E-Bike läuft rund.

Kurz vor Ende der Tour merkt der 53-Jährige jedoch, dass etwas mit seinen Händen nicht stimmt. Sie sind völlig ohne Kraft, fühlen sich taub an, zittern und kribbeln ununterbrochen, als seien sie eingeschlafen. Auch bekommt er die Finger nicht mehr zusammen: Mittel- und Ringfinger fallen wie von selbst auseinander, bilden ein „V“ wie bei Mister Spocks Vulkaniergruß.

Vieles wird auf einmal zu einem Ding der Unmöglichkeit

Beim Essen kann Zengler kaum noch das Besteck halten. „Ich habe damit wie ein Kleinkind hantiert, um das irgendwie zu bewältigen“, sagt er. Auch einen Knopf schließen oder nur einen Stift halten - auf einmal ein Ding der Unmöglichkeit. „Gefühlt ging überhaupt nichts mehr.“

Schnell hegt Zengler den Verdacht, dass seine Probleme mit dem Radfahren zusammenhängen. Er ist sonst eher ein Gelegenheitsradler, macht selten solch lange Touren wie jetzt bei der Alpenfahrt - schon gar nicht mehrere Tage hintereinander. Dazu kommt: Sein Bike ist neu, kaum eingefahren. Die letzte Tagestour mit dem Rad lässt Zengler daher aus. „Ich wollte vorsichtig sein, aber da war es schon zu spät.“

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Symptome bessern sich wochenlang nicht

Das Schlimme: Die Symptome bessern sich nicht. Auch nicht, als er längst wieder zuhause ist. Wochenlang kann er seine Hände nicht benutzen - weder arbeiten, noch schreiben oder die kleinsten Dinge des Alltags bewältigen. „Die Kraft in den Armen war da, aber die Feinmotorik in den Fingern funktionierte nicht mehr. Nichts mehr zu können, das war ein sehr unheimliches Gefühl“, sagt er. Dazu kommt die Sorge, dass seine Hände einen dauerhaften Schaden davongetragen haben.

Beim Arzt wird klar: Fabrice Zengler hat eine sogenannte Radfahrerlähmung. Das ist auch für den Spenger Allgemeinmediziner Andreas Schimke kein unbekanntes Phänomen. „Solche Fälle haben wir häufiger“, sagt er und ordnet ein, was es damit auf sich hat.

Es handele sich dabei um ein „Nervenkompressions-Syndrom“. Durch eine falsche Haltung auf dem Rad würden die Nerven der Hand gequetscht. Das könne zum Beispiel passieren, wenn der Lenker ungünstig eingestellt sei und das Handgelenk dadurch nach hinten abgeknickt werde. „Der Druck vom Lenker auf Handgelenk und Finger ist ausschlaggebend.“

Er habe zwar schon in den ersten Tagen der Tour gemerkt, dass der Druck an Handgelenk und Handballen hoch gewesen sei, sagt Fabrice Zengler. „Aber dabei habe ich mir nichts gedacht. Denn ansonsten saß das neue Rad für mich wie angegossen. Das war wie für mich gemacht.“

Was es mit der „Radfahrerlähmung“ auf sich hat

Bei der „Radfahrerlähmung“ typischerweise betroffen seien der Ulnaris-Nerv, der den kleinen und den Ringfinger ansteuere, und der Medianus-Nerv, erklärt Allgemeinmediziner Andreas Schimke. Der verlaufe durch den Karpaltunnel im Handgelenk und sei für die Sensibilität von Daumen, Zeige- und Mittelfinger verantwortlich.

Andreas Schimke ist Allgemeinmediziner und Hausarzt in Spenge. - © mum
Andreas Schimke ist Allgemeinmediziner und Hausarzt in Spenge. (© mum)

„Meist fängt es mit einem Kribbeln an.“ Aber auch Taubheit und Kraftverlust seien Symptome.

Betroffenen rät der Spenger Mediziner in erster Linie, die Belastung, die zu den Symptomen geführt hat, zu vermeiden. Auch die Einnahme von Entzündungshemmern wie Ibuprofen oder Diclofenac sei sinnvoll. Ebenso könne man unterstützend Vitamin B einnehmen - als „Nervennahrung“.

Und es gelte, Geduld zu haben. „Wenn man Pech hat, kann das Monate dauern, aber das ist individuell verschieden.“ Die gute Nachricht: In der Regel sei die „Radfahrerlähmung“ kein bleibender Schaden, sondern meist reversibel.

Um bei längeren, vielleicht mehrtägigen Radtouren erst gar kein Problem mit den Händen zu bekommen, rät der Allgemeinmediziner, gepolsterte Fahrradhandschuhe zu tragen und die Hände während der Fahrt immer mal wieder anders zu positionieren. Auch sollte man sich auf längere Touren vorbereiten. „Man sollte das Ganze ein bisschen trainieren.“ Wichtig sei auch, auf die richtige Lenkerstellung zu achten. „Das Rad sollte auf einen zugeschnitten sein.“

Seit Zenglers Alpen-Tour sind inzwischen mehr als zwei Monate vergangen. Inzwischen hätten sich seine Hände zwar ein wenig erholt und er habe wieder etwas mehr Kraft in den Fingern, sagt der 53-Jährige. Aber das Kribbeln und das dumpfe Gefühl habe er nach wie vor. „Es ist etwas besser, aber von der Normalform bin ich noch immer weit entfernt.“

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