
Espelkamp. Eltern, die mit ihrem achtköpfigen Familiennachwuchs von A nach B wollten, konnten ihre Kinder bislang einfach ins Auto setzen und losfahren. So gab es für kinderreiche Familien in NRW eine Ausnahmegenehmigung, wonach mit dem Führerschein der Klasse B auch Fahrzeuge zur Personenbeförderung von mehr als acht Fahrgästen gefahren werden konnten – vorausgesetzt es handelt sich um die eigenen Kinder. Dieses Privileg ist gekippt und stellt Großfamilien vor Herausforderungen. Sie brauchen jetzt den Bus-Führerschein D1.
Bis April vergangenen Jahres wurden über die Bezirksregierungen in NRW Ausnahmegenehmigungen ausgestellt. Das ist aufgrund einer neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr möglich. Grund: Der Bund-Länder-Fachausschuss hat nach Prüfung festgestellt, dass die bisherige Praxis nicht mit dem aktuellen EU-Recht vereinbar sei.
Ab sofort dürften bundesweit keine Ausnahmen mehr gemacht werden. So hatten andere Bundesländer Großfamilien mit acht und mehr Kindern dahin gehend unterstützt, dass der „kleine“ Bus-Führerschein D1 (Beförderung von mehr als acht und nicht mehr als 16 Personen plus dem Fahrer) prüfungsfrei erteilt wurde.
D1-Führerschein kostet Großfamilien schnell mehrere Tausend Euro
Die Zahl der Familien, die im Kreis Minden-Lübbecke von der Abkehr der bisherigen Praxis betroffen sind, ist nicht gerade gering. Laut Pressestelle des Kreises wurden seitens der Bezirksregierung Detmold in den zurückliegenden fünf Jahren bis Stichtag 22. April 2024 insgesamt 26 solcher „Ausnahmegenehmigungen nach § 74 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)“ an das Straßenverkehrsamt des Kreises übermittelt.
Es ist davon auszugehen, dass die meisten Betroffenen noch gar nichts von der neuen Rechtslage mitbekommen haben. Der Bund hat den Bezirksregierungen mitgeteilt, dass bereits erteilte Ausnahmegenehmigungen bis zum Ablauf der Befristung (5 Jahre oder wenn das erste Kind 18 Jahre alt wird) Gültigkeit behalten.
Mit dem D1- Führerschein kommt auf die Großfamilien ein enormer zeitlicher und auch finanzieller Aufwand zu. Die Kosten für die Fahrerlaubnis können sich schnell auf ein paar Tausend Euro belaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass kaum eine Fahrschule in der Region ein entsprechendes Fahrschulfahrzeug im Fuhrpark hat und gegebenenfalls für die Fahrpraxis anmieten muss.
Fahrschulen wollen gemeinsam ein Fahrzeug für D1-Unterricht anschaffen
Ein Espelkamper, der nun gemeinsam mit der Stadt zu einem Infoabend zum Thema einlädt, hatte auch schon zu dem EU-Parlamentarier Niels Geuking Kontakt. Der Abgeordnete der EVP-Fraktion hat mitgeteilt, dass er den Unmut über die Regelung verstehen könne und es sicher sinnvoll sei, eine familienfreundliche Lösung zu entwickeln. Leider aber seien solche Maßnahmen auf europäischer Ebene nicht vorgesehen und so bleibe nur, sich an die Mitglieder des EU-Verkehrsausschusses sowie an die Europäische Kommission zu wenden.
Weil das nahezu utopisch scheint, sucht der Espelkamper nunmehr Lösungen, von denen auch andere betroffene Großfamilien profitieren sollen. Nach Telefonaten mit Fahrschulen aus der Region hat der Familienvater zwei Unternehmen – eines aus Minden und eines aus Lübbecke – ausfindig gemacht, die sich vorstellen könnten, gemeinsam ein Fahrschulfahrzeug für den D1-Praxisunterricht anzuschaffen.
Infoabend mit Fahrlehrer, Versicherungen und TÜV
Der Espelkamper hat auch schon viel zur neuen Rechtslage recherchiert und möchte diese Informationen gerne mit anderen Großfamilien teilen. Deshalb lädt er am Dienstag, 29. April, um 18 Uhr zu einem kostenlosen Info-Abend „Beförderungsmöglichkeiten für kinderreiche Familien“ in den Gesellschaftsraum im Bürgerhaus Espelkamp ein.
An dem Abend werden Experten wie ein Fahrlehrer, ein Versicherungsvertreter sowie ein Sachverständiger vom TÜV teilnehmen, da an ein Fahrzeug mit mehr als 9 Sitzplätzen zusätzliche technische Anforderungen gestellt werden.
Der Espelkamper kann sich vorstellen, dass die Veranstaltung auch für Vereine, die Jugendgruppen befördern müssen, informativ sein könnte. Die Veranstaltung kann auch digital über Zoom verfolgt werden. Fragen können vorab an folgende Mail-Adresse gesendet werden: familien.fahrerlaubnis@gmail.com