Bürokratie

Junge Mexikanerin kämpft im Kreis Gütersloh ewig lang gegen den Amtsschimmel

Die Mexikanerin Karen Gonzales Ramos ist als Au-pair nach Harsewinkel gekommen. Nach einem sozialen Jahr an der Gesamtschule will sie eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen. Doch das ist als Ausländerin nicht so einfach.

An der Gesamtschule Harsewinkel hat Karen Gonzales Ramos (l.) – hier mit Ganztags-Koordinatorin Frauke Röttger – ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. „Karen ist eine Bereicherung für die Schule“ sagte Frauke Röttger seinerzeit. | © Gabriele Grund

17.09.2023 | 17.09.2023, 17:57

Harsewinkel. Wäre Karen Gonzales Ramos in ihrer Heimat Mexiko geblieben, würde sie inzwischen gutes Geld als Juristin verdienen. Stattdessen kämpft sie in Deutschland gegen Bürokratie und den Amtsschimmel, um eine Ausbildung in einer Kita zu machen. Nach acht Monaten, unzähligen Schriftwechseln mit Ämtern und Behörden, mehr als tausend Euro Kosten für notarielle Beglaubigungen und Übersetzungen hat es die 25-Jährige nun geschafft. Endlich.

Im mexikanischen Pueblo hatte Karen Gonzales Ramos bereits fünf Jahre Jura studiert. Ihre Eltern sind beide Juristen, gerne folgte sie der Tradition. „Ich mag diese Welt, aber ich habe festgestellt, dass ich sie nicht liebe“, sagt Gonzales Ramos über dieses Berufsfeld. Deswegen entschied sie sich für ein Au-pair-Jahr in Deutschland und landete bei einer Gastfamilie in Harsewinkel. Nach nur drei Wochen lernte sie hier ihren heutigen Lebenspartner Stefan Becker kennen und schnell wurde klar, dass ihre private und berufliche Zukunft in Deutschland stattfinden sollte.

An der Gesamtschule Harsewinkel absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr und entdeckte dabei ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Kindern. Schnell war klar: eine Ausbildung als Erzieherin wäre ideal. „Es war aber als Ausländerin nicht so einfach, herauszufinden, wo man die Ausbildung machen kann und welche Voraussetzungen ich erfüllen muss“, sagt die 25-Jährige. Schließlich recherchierte ihr Freund Stefan Becker mögliche Berufsschulen und Anfang Februar ging es auf die Suche nach einem Azubiplatz.

Mexikanerin hatte bereits fünf Jahre Jura studiert

Die Berufsschulen wollten ihr aber nur einen Platz zusichern, wenn sie einen Ausbildungsplatz bereits in der Tasche hatte. Andererseits wollten die Kita-Träger der jungen Mexikanerin diesen Ausbildungsplatz nur geben, wenn sie den Nachweis über den Platz an der Schule erbringen kann. „Da gibt es ein Abstimmungsproblem. Unser Problem ist, dass wir keinen Ausbildungsplatz blockieren können, wenn es keinen Schulplatz gibt“, erklärt Marlene Ens, Geschäftsführerin des Kita-Verbandes im Evangelischen Kirchenkreis Halle, zu dem auch Harsewinkel gehört.

Als sie von der Situation von Karen Gonzales Ramos erfuhr, bot Marlene Ens gemeinsam mit Kollegin Annegret Cyriaci ihre Hilfe an. Durch direkten Austausch mit der Berufsschule Warendorf und der gegenseitigen Zusicherung eines Platzes wurde die Ausbildung schließlich möglich.

„Mehr als ein halbes Jahr arbeiten wir an diesem Vorgang und können nicht mehr sagen, wie viele Personalkosten und Ressourcen uns das gekostet hat. Und nicht jeder hat so viel Mut und Durchhaltevermögen wie Frau Gonzales Ramos – wir hatten noch zwei weitere Kandidaten in ähnlichen Situationen, denen war der Prozess zu anstrengend und sie haben ihre Bewerbungen wieder zurückgezogen“, berichtet Marlene Ens. Gerade in einer Zeit des Fachkräftemangels könne sich aber kein Träger leisten, gute und engagierte Bewerber zu verlieren, weil die Bürokratie dem im Wege steht.

Wegen fehlender Arbeitserlaubnis muss zunächst Urlaub genommen werden

Am 1. August hat Karen Gonzales Ramos offiziell ihre praxisintegrierte Ausbildung in der Kita Loxten in Versmold begonnen – wenn auch nicht so ganz. „Ich hatte sie zur Arbeit gebracht, ihr viel Spaß gewünscht und keine halbe Stunde später rief sie wieder traurig bei mir an“, erinnert sich Stefan Becker. Denn anstatt direkt loszulegen, musste Karen Gonzales Ramos sofort Urlaub nehmen. „Das mussten wir machen, weil es zunächst keine Arbeitserlaubnis gab, obwohl die lange im voraus beantragt war. Wir haben dann die Ausländerbehörde erreicht und konnten das Ganze beschleunigen“, erzählt Marlene Ens.

„Wir Ausländer wissen nicht genau was uns passieren kann. Das war eine Zeit der Angst und Ungewissheit“, sagt Karen Gonzales Ramos, die trotz ihres Jurastudiums auch noch Probleme hatte, ihre Schulbildung in Deutschland anerkennen zu lassen. Für die 25-Jährige und ihren Freund war es zeitweise unmöglich, bei der Ausländerbehörde jemanden telefonisch zu erreichen. „Man hat uns sogar davon abgeraten, uns nach dem Status zu erkundigen, weil es dadurch noch länger dauern würde“, sagt Stefan Becker.

Erst vor wenigen Tagen kam die Anerkennung von der Ausländerbehörde per Post – versehen mit einem Ausstelldatum vom 30. Juni.