Urlaub wegen Tönnies-Lockdown storniert, doch die Versicherung zahlt nicht

Gütersloh. Den Sommer 2020 wird man im Kreis Gütersloh wohl nicht so schnell vergessen. Nach dem massiven Corona-Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mit insgesamt mehr als 2.100 Infizierten schloss der Kreis erst Schulen und Kitas, ehe NRW-Ministerpräsident Armin Laschet einen Lockdown für das gesamte Kreisgebiet verhängte. Bis das Oberverwaltungsgericht in Münster die Maßnahme kippte, waren Menschen aus dem Kreis Gütersloh bundesweit Stigmatisierungen und Anfeindungen ausgesetzt. Mittendrin war auch der Gütersloher Torsten Wagner (50), dessen Sommerurlaub mit seiner Lebensgefährtin in der Türkei durch die sich überschlagenden Ereignisse torpediert wurde. Auf den Kosten der Reise ist er bis heute sitzengeblieben. Neueste Entwicklungen legen jetzt nahe, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird. Was ist da eigentlich passiert? Kurz vor der OP muss seine Lebensgefährtin in ein Isolationszimmer Bevor Wagner am 2. August von Düsseldorf aus mit Petra Reckmann (52) nach Antalya abheben will, steht für seine Lebensgefährtin, für die er vor zwei Jahren aus Ahlen nach Gütersloh gezogen ist, eine Operation in der Artemed-Fachklinik Bad Oeynhausen an. Dort sollen ihr Krampfadern gezogen werden. Der Termin ist für den 23. Juni angesetzt. Jener Tag also, an dem Laschet wegen des Corona-Ausbruchs in Rheda-Wiedenbrück den Lockdown verkünden wird. "Vermutlich ein schneller Eingriff", sagt Wagner über die Maßnahme. Doch an dem Tag kommt alles anders. Gegen 8 Uhr setzt er die 52-Jährige in Bad Oeynhausen ab, gut eine Stunde später ist er wieder in Gütersloh – um sich kurz darauf erneut auf den Weg in Richtung Kreis Minden-Lübbecke zu machen. Seine Lebensgefährtin sei schon in OP-Kleidung gewesen und habe die für den Eingriff nötigen Markierungen an den Beinen gehabt, als ein Arzt ins Zimmer gekommen und sie gefragt habe, ob sie aus dem Kreis Gütersloh stamme. "Sie musste in ein Isolationszimmer", sagt Wagner, der sie kurz darauf abholt. Klinik möchte zur Angelegenheit keine Stellung beziehen Der 50-Jährige, der als Vertriebler in Warendorf arbeitet, spricht beim Vorgehen der Klinik von "Unvermögen", schließlich wisse man ja, woher die Patienten für den nächsten Tag stammten. "Ich hätte verstanden, wenn die Klinik unsicher ist, wie sie mit der Situation umgehen will, und deshalb von der Operation Abstand nimmt. Aber nicht, warum sie die Patientin trotzdem kommen lässt." Besser hätte er es gefunden, seine Lebensgefährtin zu isolieren und wenige Tage später, nach einem negativen Testergebnis, zu operieren. Die Klinik selbst möchte zur Angelegenheit und weiteren Fragen dieser Zeitung, etwa ob noch andere Patienten aus dem Kreis Gütersloh im Zuge des Tönnies-Lockdowns von kurzfristigen Maßnahmen betroffen waren, keine Stellung nehmen. Sie verweist auf datenschutzrechtliche Gründe. Versicherer lehnt die Übernahme der Stornokosten ab So wird die Operation auf den 9. Juli verschoben, drei Tage nachdem das Oberverwaltungsgericht in Münster den Lockdown gekippt hat. Diesmal ist Reckmann im Vorfeld negativ getestet und alles geht glatt. Doch weil sie fünf Wochen nach der OP nicht fliegen darf, ist der Abflug nach Antalya am 2. August für Wagner und seine Lebensgefährtin nicht zu halten. Er storniert daher unmittelbar nach der geglückten Operation die Reise. Bei der Buchung im Januar 2020 hat Wagner bei der Ergo eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen. Der Versicherer aber hat unerfreuliche Nachrichten für ihn. Trotz ärztlichem Attest, in dem die Reiseunfähigkeit von Petra Reckmann am 2. August aufgrund der verlegten Operation bescheinigt wird, teilt der Versicherer in mehreren Schreiben mit, dass er die geltend gemachten Stornokosten von 1.140 Euro nicht übernehmen kann. Wenige Tage nach dem Jahreswechsel bietet Wagner der Ergo gar einen Vergleich an und droht mit einem Anwalt. So begründet die Ergo ihre Entscheidung Die Erklärung des Konzerns gegenüber dieser Zeitung fällt ähnlich aus, wie jene, die Torsten Wagner bereits zuvor mehrfach erhalten hatte: "Die Reisebuchung wurde nicht wegen einer versicherten unerwarteten schweren Erkrankung storniert. Stattdessen wurde eine Operation wegen der Pandemie verschoben, und nach dem späteren Eingriff konnte die medizinisch erforderliche Flugpause nicht eingehalten werden. Dieser Umstand ist nicht versichert", heißt es. Man könne die Kosten daher auch weiterhin nicht übernehmen, die Sach- und Rechtslage sei aus Sicht der Ergo eindeutig. Zudem sei man zur Gleichbehandlung aller Versicherungsnehmer verpflichtet. "Daher ist auch eine entgegenkommende Leistung nicht möglich." Torsten Wagner gibt sich darum auch längst keinen Illusionen mehr hin. Er sagt: "Das Geld haben wir verloren".

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