Viele Paare mit Kinderwunsch fragen sich in dieser besonderen Zeit, ob sie diesen aufschieben sollten. Was raten Sie diesen Paaren?
JOHANNES MIDDELANIS: Aus medizinischer Sicht gibt es meiner Meinung nach keinen Grund, nicht schwanger zu werden. Zumal noch niemand sagen kann, wie lange die Corona-Pandemie noch andauert. Die ersten Daten zeigen, dass die Schwangerschaft kein besonderes Risiko darstellt. Die Situation rund um die Schwangerschaft und Entbindung ist natürlich schwierig und anders als vor der Pandemie.
Was genau meinen Sie mit anders?
Das fängt bereits bei den fehlenden sozialen Kontakten an: Freunde sehen nicht, wie der Babybauch wächst, man kann nicht gemeinsam die Freude darüber teilen. Aber auch der Austausch zu anderen Müttern findet nicht mehr wie gewohnt statt. Man muss sich auf neue, digitale Formate einlassen und den bestmöglichen Weg für sich und das Baby finden.
Der Schwangerschaftstest ist positiv und trotz der Freude beginnt die Sorge: Was bedeutet es während der Pandemie schwanger zu sein?
Trotz Lockdown ist es wichtig, dass Schwangere ihre Vorsorgetermine wahrnehmen. Die Praxen sind gut aufgestellt im Umgang mit Corona, um die Betreuung mit den gegebenen Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Darüber hinaus sollten Schwangere sich streng an die bekannten Hygienemaßnahmen halten, um sich und ihr Ungeborenes bestmöglich vor einer Infektion zu schützen.
Sind Schwangere denn besonders gefährdet, sich anzustecken?
Wir lernen bei Corona ständig dazu. Die Daten, die uns bislang vorliegen, zeigen keine besondere Gefährdung von Schwangeren.
Eine Schwangere erhält ein positives Corona-Testergebnis: Was geschieht nun?
Es gelten dieselben Maßnahmen für eine infizierte schwangere Frau, wie für alle anderen auch. Das heißt: Zu Hause bleiben, Quarantänevorgaben beachten und sich natürlich schonen. Sollten Symptome auftreten, ist es wichtig, Rücksprache mit dem Gynäkologen zu halten. Aber auch hier gilt: Falls Beschwerden auftreten, sollte man besser einmal mehr den Gynäkologen oder die Geburtsklinik aufsuchen und die Symptome abklären lassen – auch in Zeiten von Corona.
Sollten sich Eltern Sorgen um ihr Ungeborenes machen, wenn die werdende Mutter infiziert ist?
In der Regel verlaufen die Schwangerschaften auch bei positiv getesteten Frauen ohne Komplikationen. Es ist vereinzelt möglich, dass Probleme beim Wachstum des Kindes entstehen können. Das ist aber bislang die absolute Ausnahme.
Kann sich das ungeborene Kind im Mutterleib anstecken?
Bislang liegen keine Daten vor, die das belegen. Auch unter der Geburt ist das äußerst selten, wie die Erfahrung zeigt. Wir haben bereits mehrere Geburten begleitet, bei denen die Mutter Corona-positiv war.
Nach einer Infektion ist man immun, kann die Mutter Antikörper auf das Kind übertragen?
Es gibt erste Studien, die belegen, dass Muttermilch schützend wirkt, da Antikörper in der Muttermilch enthalten sind. Stillen ist also nicht nur möglich, sondern wird explizit empfohlen.
Geburt unter Corona: Was bedeutet das für das geburtshilfliche Team?
Wir möchten jeder Frau ein gutes Geburtserlebnis ermöglichen, was durch die Eigenschutzmaßnahmen natürlich anstrengend ist. Auch die individuelle Betreuung nach der Geburt auf der Wochenbettstation soll trotz der Isolation weiterhin aufrechterhalten werden: Das erfordert viel Engagement und Herzblut von allen Beteiligten, um beispielsweise eine Stillberatung durchführen zu können. Wichtig ist uns als babyfreundliche Geburtshilfe auch: Mutter und Kind werden nicht getrennt nach der Geburt.
Eine große Sorge von Schwangeren ist: Darf der Partner bei der Geburt dabei sein?
Seit Beginn der Pandemie ist es bei uns im Haus möglich, dass eine Begleitperson die Schwangere zur Geburt begleiten darf. Es sei denn, es liegen Hinweise auf eine Infektion vor – dann darf die Person natürlich nicht mit in den Kreißsaal. Ansonsten erhält der Partner zur Geburt eine FFP2-Maske. Es ist wichtig für den Geburtsverlauf, dass die Frau eine Vertrauensperson an ihrer Seite hat. Zusätzlich versuchen wir trotz der hohen Sicherheitsmaßnahmen auf die individuellen Wünsche der Frau einzugehen.
Der Ausfall von Kursangeboten oder Kreißsaalbesichtigungen stellt vor allem Erstgebärende vor eine Herausforderung. Welche Alternativen gibt es?
Viele Hebammen bieten online Kurse an, so dass beispielsweise die Geburtsvorbereitungskurse nicht gänzlich ausfallen müssen. Zusätzlich empfehlen wir die Anmeldung in unserer geburtshilflichen Sprechstunde, auch Geburtsanmeldung genannt, etwa vier bis sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.
In dem persönlichen Gespräch beantworten wir alle offenen Fragen. Darüber hinaus geben wir werdenden Eltern die Möglichkeit, uns an einem digitalen Infoabend kennenzulernen: Dort stellen wir unser geburtshilfliches Team sowie unser Konzept des babyfreundlichen Krankenhauses vor (¦ siehe Infokasten).