Bielefeld. Die Lage scheint ausweglos: Der Chef macht abfällige Bemerkungen über das Tragen einer Maske, hält Homeoffice für unnötig und glaubt an eine Verschwörung hinter der Corona-Pandemie. Diese Arbeitssituation schildert eine Leserin dieser Zeitung in ihrem Schreiben an die Redaktion. Schlussendlich habe sie sich gezwungen gesehen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Arbeitslosengeld bekomme sie nun nicht, schließlich sei sie es, die das Beschäftigungsverhältnis außerordentlich gekündigt habe.
Häufig seien Arbeitnehmer der Meinung, in solch einer Situation "am kürzeren Hebel zu sitzen", sagt Fabian Wilden aus der Landesrechtsabteilung von Verdi NRW. Dabei gebe es viele Wege, diese missliche Lage im Vorhinein zu vermeiden, wie Wilden betont: "Der Arbeitgeber ist durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung und die Fürsorgepflicht rechtlich dazu verpflichtet, Hygiene-Regeln einzuhalten und den Arbeitnehmer gegen Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit zu schützen", sagt er. Tut er dies nicht, handelt der Arbeitgeber rechtswidrig. Dafür können sogar Bußgelder fällig werden.

Vom Zurückhaltungsrecht Gebrauch machen
Sobald sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz einer vermeidbaren Gefahr ausgesetzt sieht, bestehe die Möglichkeit den Arbeitgeber abzumahnen, erklärt Stefan Gelhaus, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Bünde. "Üblicher ist das, wenn ein Arbeitgeber Löhne nicht zahlt, aber in diesem Fall ginge das eben auch." Der Arbeitnehmer dürfe darauf hinweisen, dass durch das Nicht-Einhalten der Corona-Schutzmaßnahmen ein eklatanter Verstoß am Arbeitsplatz vorliegt. Sollte sich danach an der Situation nichts ändern, könne der Beschäftigte vom Zurückhaltungsrecht Gebrauch machen und der Arbeit fern bleiben, so Gelhaus.
Dabei rät Gelhaus aber dringend zu rechtlichem Beistand, entweder in Form eines Rechtsanwalts oder der Gewerkschaft. Denn es könne auch zu Schadensersatzforderungen seitens des Arbeitgebers kommen. "Auch ein Betriebsrat könnte hinzugezogen werden." Von außerordentlichen Kündigungen hingegen rät der Fachanwalt dringend ab: "Bevor der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von sich aus kündigt, das sollte gut überlegt sein."
Wichtige Gründe
Denn sobald die Kündigung vom Arbeitnehmer ausgeht, besteht für drei Monate kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, wie im Fall der Leserin. "Da sind wir an das Gesetz gebunden", sagt Janine Billerbeck, Sprecherin der Agentur für Arbeit Bielefeld. Eine Sperrzeit trete allerdings nicht ein, wenn es für die Kündigung einen wichtigen Grund gibt. "Was genau wichtige Gründe sind, darauf geht das Gesetz nicht näher ein, sodass es für uns in unserer täglichen Arbeit Richtlinien gibt, an denen wir uns bei der Entscheidungsfindung in solchen Fällen orientieren."
In diesen Richtlinien seien allgemein anerkannte wichtige Gründe für eine arbeitnehmerseitige Kündigung aufgeführt, darunter auch folgender Grund: Die vom Arbeitnehmer erwartete oder verlangte Arbeit verstößt gegen gesetzliche Bestimmungen, tarifrechtliche Regelungen oder die guten Sitten. "Unter diesen Punkt kann auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht oder ein Verstoß gegen die zum Zeitpunkt der Kündigung jeweils geltende Corona-Schutzverordnung gehören", erklärt Billerbeck.
Beweise sammeln
Doch der Sperrbescheid werde zunächst ausgestellt und gegen den müsse der Arbeitnehmer Einspruch erheben. "Als Anspruchssteller liegt dann die Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitnehmer", weiß Gelhaus. Darum sei es wichtig, Beweise zu sammeln und die Verstöße zu dokumentieren. "Das kann mit Fotos geschehen oder in Form eines Tagebuchs", sagt Gelhaus. Kollegen können als Zeugen benannt werden.
Weniger Handhabe gebe es hingegen, wenn der Vorgesetzte an Verschwörungstheorien glaubt und diese verbreitet. "Das fällt unter das Recht der freien Meinungsäußerung", sagt Wilden. "In dem Fall hilft wahrscheinlich leider wirklich nur: Ohren zu und durch."
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