Bielefeld

Schräge Corona-Regel: Bielefelder sauer über den 50-Meter-Bratwurst-Radius

Ein Bielefelder Imbiss-Betreiber fühlt sich vom Ordnungsamt schikaniert, das in seiner Kontrollwut sogar Mülleimer kontrolliert. Der Gastronom will seine Kunden aber nicht zwangsweise vertreiben.

Imbissbetreiber Toni Martic ist kein Querdenker, hat aber zumindest von einer Corona-Auflage die Nase voll.  | © Foto: Andreas Zobe/NW

Susanne Lahr
14.11.2020 | 14.11.2020, 09:00

Bielefeld. Toni Martics Stimmung ist so grau wie der November-Himmel. Der Imbiss-Betreiber sieht sich vom Ordnungsamt schikaniert, obwohl er nach eigenen Worten versucht, alle Corona-Auflagen einzuhalten. Ein Zwischenfall am Montagabend brachte für ihn das Fass zum Überlaufen. Seinen Schilderungen nach haben Außendienstmitarbeiter Mülleimer in der Nähe seines „Schlemmer-Pavillons" am Treppenplatz nach Einweggeschirr durchsucht und ihm anschließend vorgehalten, er sorge zum wiederholten Male nicht dafür, dass seine Kunden den vorgeschriebenen Corona-Abstand beim Essen einhalten: 50 Meter – sonst sei die Infektionsgefahr zu groß.

„Bitte zum nächsten Kunden 2 Meter Abstand halten. Danke", „Kein Verzehr im Umkreis von 50 Metern! Danke für Ihr Verständnis" und „Bitte nicht auf der Ablage essen. Danke." Zettel mit diesen Aufschriften prangen an den Scheiben des sechseckigen Imbisses. Aber es werde ernsthaft von ihm verlangt, so Martic, „dass ich noch hinter den Kunden herlaufe und sie auffordere, sich weiter zu entfernen". Das kann und will Toni Martic nicht.

Er ist in dieser schweren Zeit froh über jeden Kunden, will sie nicht vergraulen. „Es findet hier doch alles draußen statt", sagt Martic, eine Masken-Pflicht wie entlang der Hauptstraße gebe es auf Treppenplatz und Treppenstraße nicht. Zudem würden Menschen auf dem Treppenplatz auch anderes Essen oder Getränke konsumieren. „Da hab ich noch nie erlebt, dass jemand gesagt hat, dass das nicht erlaubt ist."

Auf diesen Schildern werden den Kunden alle Auflagen mitgeteilt. - © Foto: Andreas Zobe/NW
Auf diesen Schildern werden den Kunden alle Auflagen mitgeteilt. (© Foto: Andreas Zobe/NW)

Seine Stehtische hat er schon freiwillig weggeräumt, weil er sonst Kontaktdaten sammeln müsste. Mehr hat er sich darüber geärgert, dass ihm zu einem früheren Zeitpunkt fälschlicherweise vorgeworfen sei, die Tische nicht mit ausreichendem Abstand aufgestellt zu haben. Im Sommer hätten Ordnungsamtsmitarbeiter gleich eine Neun-Punkte-Liste mit Verfehlungen aufgestellt. Ein Vorwurf habe gelautet, die Kunden hätten sich beim Betreten des Lokals nicht die Hände gewaschen.

„Bei mir betritt niemand irgendeinen Raum", sagt Martic kopfschüttelnd. Und die angemahnte fehlende Spülmaschine habe ihn auch sprachlos gemacht. „Wir haben Glasflaschen und Pappteller." Toni Martic, der den Imbiss in Brackwede seit zehn Jahren betreibt, betont, kein Querdenker zu sein, den Sinn von Corona-Auflagen schon einzusehen. Aber die Müll-Aktion sei einfach zu weit gegangen.

Das selbst geschmierte Butterbrot ist okay

Björn Palmer, Leiter der Gewerbeabteilung des Ordnungsamtes, kann Toni Martics Unmut sogar teilweise nachvollziehen. Die 50-Meter-Regelung sei „in der Tat eine echt schwierige Kiste". Betreiber wie Martic könnten nur in einem gewissen Umfang zur Verantwortung gezogen werden. Die Kunden müssten darauf hingewiesen werden. Darüber hinaus habe der Gastronom aber keine Befugnisse, das durchzusetzen. Es sei auch eine Widersprüchlichkeit der Corona-Schutzverordnung, räumt Palmer ein, dass der Verzehr von Essen einer gastronomischen Einrichtung innerhalb dieses Radius’ untersagt sei, der des selbstgeschmierten Butterbrotes aber nicht.

Missverständnisse und Übermittlungsfehler

„Das trägt sicherlich nicht zur Akzeptanz der Regelungen bei", sagt Palmer. Aber gerade die Gastronomie stehe angesichts ständig wechselnder Hygiene-Auflagen im Fokus, und die gelte es zu kontrollieren. „Es geht nicht darum, die Leute zu ärgern." Martics Betrieb ist seit August dreimal kontrolliert worden. Mülleimer zu durchsuchen, gehöre aber nicht zum Standardrepertoire, betont Palmer, der zu diesem speziellen Fall nichts sagen kann. Frühere Kritikpunkte, wie die fehlende Spülmaschine, seien teils Übermittlungsfehler beim Ausfüllen der Kontrollbögen gewesen und ausgeräumt. Toni Martic bestätigt eine Entschuldigung.