Gütersloh

Corona-Tests zum Wucherpreis im Kreis Gütersloh: Seriös oder Abzocke?

Ein Schweriner Hersteller von Medizinprodukten bietet ein überteuertes "Spezial-Angebot" für Bewohner im Kreis Gütersloh an. Dabei werden hier die Tests noch bis Ende August von den Kassen gezahlt.

Diese Flyer mit direkter Anrede an den Kreis Gütersloh landeten in den vergangenen Tagen in etlichen Briefkästen im gesamten Kreisgebiet.  | © Lena Vanessa Niewald

19.07.2020 | 19.07.2020, 11:47

Kreis Gütersloh. "Wir fühlen mit Ihnen und wollen Sie mit einem Spezial-Angebot unterstützen", steht auf dem Werbeflyer, der zurzeit vielen Bürgern im Kreis Gütersloh in die Briefkästen flattert. Darin bietet das Unternehmen Cerascreen einen Coronavirus-Test und einen Coronavirus-Antikörper-Test an.

Wer den "exklusiven" Rabattcode "Coronaspezial" bei der Bestellung angibt, erhalte die Testpakete zum absoluten Sonderpreis, heißt es. Das Angebot gilt demnach noch bis 30. August. Doch mindestens so lange können sich die Menschen im Kreis auch kostenlos beispielsweise bei ihrem Hausarzt testen lassen.

200 Euro für einen Coronatest?

Zudem sind die Preise von Cerascreen, einem nach eigener Auskunft zertifizierten Hersteller von Medizinprodukten und Marktführer für medizinische Selbsttests, nicht ohne. Für den Coronavirus-Test werden für Bewohner der Region immerhin noch 148 statt 199 Euro fällig; für den Coronavirus-Antikörper-Test 52 statt 69 Euro. Die Tests wurden laut Cerascreen "speziell als Probenahme- und Einsende-Testkit für Endanwender*innen entwickelt".

Dass sie aber deutlich teurer sind, wird auf dem Flyer verschwiegen. Tatsächlich liegen die Kosten für Coronavirus- und Antikörpertests nämlich weit unten den von Creascreen aufgerufenen Preisen. Laut Angaben des Detmolder Labors Krone liegen die Laborkosten für einen Corona-Test bei etwa 60 Euro - bei einem Antikörper-Test zwischen 10 und 15 Euro. Hinzukommen noch Praxiskosten. "Trotzdem sind diese Preise gewaltig. Da kann man wirklich schon von Wucherpreisen sprechen", heißt es von Geschäftsführer Dieter Münstermann.

"Die Probe wird bei ihnen zuhause per Express abgeholt"

Die Firma, die die Flyer im gesamten Kreisgebiet verteilt hat, verspricht indes "hohe Zuverlässigkeit der Laborergebnisse - vergleichbar mit der Probenahme beim Arzt" und wirbt unter anderem damit, dass man sich damit keinem Infektionsrisiko durch den Arztbesuch aussetze, weil "die Probenahme sicher und diskret zu Hause" erfolge. Nach dem selbst entnommenen Rachen-Abstrich, soll der Nutzer online die Abholung der Probe anfordern.

"Die Probe wird dann bei Ihnen zuhause per Express abgeholt und direkt an das Labor gesendet", heißt es vom Unternehmen weiter. Das Ergebnis werde dann elektronisch zugestellt - innerhalb von 12 bis 48 Stunden nach Proben-Eingang.

In Alteneinrichtungen testen die Beschäftigten sich selbst

Was taugt dieses Angebot wirklich? Sollten die Bürger im Kreis Gütersloh lieber die Finger davon lassen oder kann der Selbsttest tatsächlich eine Alternative zu den professionellen Abstrichen sein? Die NW hat bei Experten nachgefragt.

Laut Kreissprecher Jan Focken bewerte der Kreis Gütersloh keine kommerziellen Angebote. Abern: "Da man nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe sich bis Ende August kostenlos bei den Hausärzten testen lassen kann, kann jeder das für sich selbst bewerten.

Auch in der Bewertung der Sicherheit bei Selbsttests durch Laien gibt sich der Kreis zurückhaltend. Focken: "Selbsttests haben wir auf Anweisung des Landes zum Beispiel in den Alteneinrichtungen machen lassen, da testeten die Beschäftigten sich selbst. Bei ihnen kann man von einem gewissen Vorwissen ausgehen, das richtig anzuwenden."

"Vorsicht bei Angeboten, die einem per Flyer ins Haus flattern"

Die Gütersloher Verbraucherzentrale vermag auf Nachfrage nicht zu beurteilen, ob das Unternehmen seriös ist oder nicht. "Grundsätzlich sollte man mit Angeboten, die einem per Flyer ins Haus flattern, aber vorsichtig und kritisch umgehen", appelliert Leiterin Jutta Hülsmann, "nicht alles, was auf diese Weise angeboten wird, ist sinnvoll und preiswert." Von "Do-it-yourself-Tests" rate die Verbraucherzentrale aber generell ab, weil sich die zu zahlenden Kosten schnell als Fehlinvestition entpuppen können.

Es sei logistisch nicht möglich, alle Menschen in Deutschland auf Coronavirus-Infektionen zu testen. Der PCR-Test (engl. Polymerase chainreaction) sei zwar der genauste Test, aber er sei eben auch aufwändig und müsse korrekt durchgeführt werden, so Hülsmann. "Zwei Proben müssen aus den oberen und unteren Atemwegen entnommen werden. Das muss richtig gemacht werden und kostet Überwindung."

Wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Daher gebe es eine hohe Fehleranfälligkeit bei den Tests - ein Fehler beim Abstrich, beim Transport oder im Labor kann das Ergebnis laut Einschätzung der Verbraucher-Expertin schnell verfälschen.

Der vom Unternehmen Cerascreen ebenfalls angeboten Antikörper-Test sei hingegen nur eine Momentaufnahme. "Antikörper bilden sich erst ein bis zwei Wochen nach dem Beginn einer Infektion. Ein negatives Ergebnis schließt daher eine Infektion nicht sicher aus und müsste noch durch andere Laborverfahren bestätigt werden."

Generell sollten sich Personen, die charakteristische Erkältungssymptome aufweisen, an seinen Hausarzt wenden. Dieser könne entscheiden, ob ein Test medizinisch notwendig sei oder eben nicht. Hülsmann: "Wenn das der Fall ist, übernimmt die Krankenkasse die Kosten." Weitere ähnliche Angebote sind bei der Gütersloher Verbraucherzentrale bislang übrigens laut Jutta Hülsmann nicht eingegangen.

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