Gütersloh

Darum ist die Zahl der Werkvertragsarbeiter im Kreis Gütersloh erneut gestiegen

Der Kreis Gütersloh legt einen Bericht über den Zuzug von Rumänen, Polen und Bulgaren vor. Er nimmt die Zeit vor Corona in den Blick, aber die Tendenz ist eindeutig: Sie zeigt nach oben.

Symbolbild | © CC0 Pixabay

Ludger Osterkamp
04.06.2020 | 04.06.2020, 05:00

Gütersloh. Im Kreis Gütersloh leben immer mehr Werkvertragsarbeiter. Nach einem aktuellen Bericht der Kreisverwaltung, der allerdings auf ein Jahr alte Zahlen fußt, sind im Kreisgebiet inzwischen 20.200 Menschen aus Rumänien, Polen und Bulgarien gemeldet – das sind 1.400 mehr als im Jahr zuvor. Damit machen sie nun 5,5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Der Bericht beschränkt sich auf Menschen aus diesen drei Ländern, die sie den Hauptanteil der Werkvertragsarbeiter stellen. Mit 9.847 Menschen hat Rumänien inzwischen Polen (8.468) als Hauptherkunftsland überholt; 1.894 Menschen, mit rasch steigender Tendenz, stammen aus Bulgarien. Nicht aufgenommen in die Statistik wurden Menschen aus Mazedonien, obwohl auch von dort immer mehr Arbeitskräfte einwandern.

"Halten die Leistungsfähigkeit unseres Wirtschaftssystems aufrecht"

Dass im Kreisgebiet derart viele Südosteuropäer leben, hat laut Verwaltung mit der „besonderen Wirtschaftsstruktur" zu tun – damit dürfte vor allem die Fleischindustrie mit ihren Schwerpunkten Rheda-Wiedenbrück und Versmold sowie (zu einem geringeren Anteil) die Logistikbranche gemeint sein. Eine Rolle spiele aber auch die bundesweit steigende Nachfrage nach Pflegekräften – der Kreis Gütersloh „mit seiner nunmehr stark alternden Bevölkerung generiert zusätzlichen, überproportionalen Bedarf", so der Bericht. Die Zuzüge hätten „die Leistungsfähigkeit unseres Wirtschaftssystems und Pflegesektors überhaupt erst aufrechterhalten und auch erhöht".

Wie viele der inzwischen 20.200 Menschen aus den drei untersuchten Ländern auf Basis von Werkverträgen arbeiten, geht aus dem Bericht nicht hervor. In Schätzungen aus 2018 hieß es, der Anteil liege bei etwa einem Drittel. Dass diese Angabe realistisch ist, könnte man nun aus der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herleiten: Sie liegt bei 12.200. Über die Art dieses Beschäftigungsverhältnisses – ob sie in Voll- oder Teilzeit, als Fachkräfte oder als Helfer arbeiten –, darüber liefert die Statistik allerdings ebenso wenig eine Angabe wie über die Höhe des Einkommens. Tatsache sei aber: Die in Vor-Corona-Zeit brummende Konjunktur habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus diesen drei Ländern stark wachsen lassen.

In Rheda-Wiedenbrück liegt der Bevölkerungsanteil bei elf Prozent

Überhaupt keine Aussage trifft der Bericht über die Bleibeperspektiven. Hier ließe sich höchstens auf Aussagen von Fachleuten des Kreises vor einem Jahr verweisen. Damals hatten sie gesagt, dass etwa 60 Prozent der Zuwanderer aus diesen drei Ländern kommen, um auch zu bleiben. Das heißt: Sie verstehen sich nicht als Saisonkräfte, die kurzzeitig ihr Einkommen steigern wollen, sondern als Neubürger, die sich hier niederlassen, ihre Familie nachholen oder vor Ort eine gründen wollen. Dass sie oft unter widrigen Umständen arbeiten und leben müssen, ist derzeit Inhalt einer auch auf Bundesebene intensiv geführten Debatte.

- © Quelle: Kreis Gütersloh
(© Quelle: Kreis Gütersloh)

Interessant an dem Bericht ist die Verteilung der Südosteuropäer innerhalb des Kreises. So leben allein in Rheda-Wiedenbrück, Standort von Tönnies, 5.333 Menschen aus diesen drei Ländern. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von (konstant) elf Prozent. In der Kreisstadt Gütersloh sind es zwar mit 5.766 etwas mehr, allerdings ergibt das wegen der höheren Einwohnerzahl nur eine Quote von 5,7 Prozent. Vergleichsweise hoch sind die Anteile noch in Herzebrock-Clarholz (7,3 Prozent), Verl (6,9) und Langenberg (6,5). Generell, so lässt sich sagen, fallen die Quoten im Norden des Kreises, etwa in Halle oder Steinhagen, wesentlich niedriger aus.

Manches Hilfsangebot liegt wegen der Pandemie auf Eis

Für die Kommunen sind diese Angaben wichtig, um ihre Hilfsstrukturen entsprechend auszurichten. So hat sich in Gütersloh beispielsweise vor gut einem Jahr ein Runder Tisch zu dem Thema etabliert, und neben der schon regen Deutsch-Polnischen Gesellschaft bietet inzwischen auch ein rumänischer Kulturverein, Carol e.V., Hilfen an. In Rheda-Wiedenbrück sind die Hilfsangebote schon sehr ausdifferenziert: Verschiedene Träger wie Caritas, die Fare gGmbH (Volkshochschule), die Stadt und die Diakonie sind involviert. Ob diese Angebote auch nur annähernd ausreichen - eine solche Bewertung nimmt der Bericht nicht vor.

Keine Möglichkeit sieht der Kreis derzeit, zwei weitere Hilfsangebote umzusetzen. Anfang des Jahres hatte der Kreistag auf SPD-Antrag 100.000 Euro freigegeben – damit will das „Kommunale Integrationszentrum Kreis Gütersloh" Cafés als Orte der Begegnung einrichten und den Kindern dieser Familien Nachhilfe im Sprachunterricht geben. Wegen Corona liege das jedoch auf Eis, heißt es. 1.230 Schüler im Kreisgebiet kommen aus Rumänien, Polen oder Bulgarien, 20 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.