Werther/Halle. Der Wertheraner Professor Dr. Dr. Tobias Möller-Bertram arbeitet in Kalifornien als Anästhesist und hat sich auf das Fibromyalgiesyndrom (FMS) spezialisiert. Samstag hält er in Halle einen Vortrag zum Thema.
Herr Möller-Bertram, was hat Ihnen zuletzt Schmerzen bereitet?
Tobias Möller-Bertram: Das ist ja mal eine interessante Frage. Also, ich spiele gerne und regelmäßig Tennis, um fit zu bleiben – und habe mir vor ein paar Jahren den Meniskus im rechten Knie verletzt. Ich kann zwar weiterhin spielen, merke aber das Knie dann am Morgen. Dann ist mir noch eine dumme Sache vor ungefähr zwei Jahren passiert. Ich bin von einer giftigen Spinne am rechten Fuß gebissen worden, und das Gift hat Nervenschäden verursacht. Ich habe seitdem einen leichten Dauerschmerz im Fuß – mal mehr, mal weniger.
Sie arbeiten in Kalifornien als Anästhesist und sind Experte für das Fibromyalgiesyndrom, was so viel bedeutet wie: Muskel-Faser-Schmerz. Was sind die drei wichtigsten Symptome, die auf eine Erkrankung hindeuten?

Möller-Bertram: Die Frage kann Ihnen ein Betroffener sicher besser beantworten, da die Symptome vielseitig sind und das Vorhandensein individuell unterschiedlich ist. Aber es gibt Symptome in drei Hauptkategorien, die auf ein Fibromylagiesyndrom hinweisen: erstens Schmerzen in verschiedenen Körperregionen. Der Schmerz sollte typischerweise mehr als drei Monate bestehen. Zweitens kognitive Beschwerden – dazu gehören Müdigkeit, nicht erholsamer Schlaf und Abgeschlagenheit sowie Konzentrationsstörungen. Drittens andere, nicht einfach zu erklärende Begleiterscheinungen wie Morgensteifigkeit, trockener Mund oder Augen, Verdauungsstörungen, Schwindel oder Depressionen. Ursprünglich wurde eine Druckempfindlichkeit an speziellen, sogenannten Tenderpoints zur Diagnose einbezogen. Dies ist seit 2010 nicht mehr Teil der Diagnostik. Oft sind Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren betroffen, Frauen häufiger als Männer.
Woran liegt das?
Möller-Bertram: Die Altersverteilung lässt sich sicher mit der Tatsache erklären, dass viele der Symptome sich über einen längeren Zeitraum entwickeln und oft Jahre vergehen, bis die Diagnose Fibromyalgiesyndrom gestellt wird. Für die Geschlechterverteilung gibt es keine einheitliche wissenschaftliche Erklärung. Es gibt noch viel, was die Medizin an diesem Syndrom erforschen kann und sollte.
Die Ursachen für das Fibromyalgiesyndrom gelten als nicht geklärt. Aus Ihrer Sicht: Warum erkranken bestimmte Menschen und andere nicht?
Möller-Bertram: Die Ursachen für das FMS sind sehr vielseitig und individuell verschieden. Wir denken natürlich immer gerne in den einfachen, allgemein gültigen Kategorien Ursache – Konsequenz. Dies ist leider bei dem Fibromyalgiesyndrom nicht zutreffend. Aber es besteht ein Konsens in der Fachwelt, dass eine abnormale Reizverarbeitung im Kern des FMS steht, welches eine zentrale Hochempfindlichkeit bei den Betroffenen verursacht. Dies macht sich dann in einer abnormalen Schmerzverarbeitung und den vielen Begleitsymptomen der Patienten sichtbar.
Das Syndrom ist unheilbar. Mit welcher Behandlungsmethode lässt sich die Krankheit aktuell gut therapieren?
Möller-Bertram: Wichtig bei der Behandlung des FMS ist ein auf den einzelnen Betroffenen entwickelter Plan. Erfolgreiche Behandlungspläne bestehen oft aus einer Kombination folgender Methoden: Bewegungstherapie, Stressreduktion und Naturheilverfahren. Zudem gibt es einige Medikamente, die bei dem FMS hilfreich sind.
In drei Sätzen: Warum lohnt sich ein Besuch Ihres Fachvortrages am Samstag in Halle?
Möller-Bertram: Ich hoffe, einen informativen Überblick zum FMS geben zu können, bei dem jeder Zuhörer etwas mit nach Hause nimmt. Weiterhin wäre es toll, wenn das gelernte Verständnis dieses Syndroms betroffenen und behandelnden Menschen hilft, Wege zu finden, das Leiden des FMS zu lindern. Und last but not least – es gibt Kaffee und Kuchen.
Zur Person
Prof. Dr. Dr. Tobias Möller-Bertram (47) legte den Grundstein seiner Laufbahn in Werther. 1990 baute er am Evangelischen Gymnasium Werther sein Abitur. Nach dem Studium in Hamburg zog es den Mediziner in die USA, zunächst an die Universität von Kalifornien, später an ein Diagnose-Institu nach San Diego.
Seit 2014 ist er Inhaber und Arztlicher Direktor des »Desert Clinic Pain Institute« in Palm Springs, wo er sich mit Schmerztherapie beschäftigt. Auf den Besuch in der alten Heimat freut sich Möller-Bertram: „Da die Familie meiner Frau und meine eigene noch in Halle beziehungsweise Werther wohnen, kommen wir regelmäßig zurück und ich habe viele enge Freundschaften aus meinen Jahren hier."
INFORMATION
Der Vortrag
Die FMS-Selbsthilfegruppe Halle gehört dem Landesverband Niedersachsen an und lädt am Samstag, 7. Juli, zum Fachvortrag von Prof. Dr. Dr. Tobias Möller-Bertram ein.
Einlass in der Aula des Kreisgymnasiums Halle ist um 14.30 Uhr. Der zweistündige Vortrag beginnt um 15 Uhr, eine 20-minütige Pause ist inklusive.
Der Vortrag richtet sich an Betroffene, Ärzte und Therapeuten. Der Eintritt beträgt drei Euro.