Versmold sendet Warnsignal: „Diese Lasten sind nicht mehr lange zu tragen“

Versmold. So umfassend war die Rede von Bürgermeister Michael Meyer-Hermann zur Einbringung des Haushalts selten. Ergänzend dazu hat Kämmerin Christiane Bürgin eine umfassende Präsentation vorbereitet mit den wichtigsten Zahlen und Daten für Versmolds Finanzplanung der kommenden Jahre. Zum Einstieg beginnt der Verwaltungschef mit guten Nachrichten. Im Verlauf des Pressegesprächs folgen mahnende Worte und Appelle genauso wie einige überraschende Neuigkeiten. Versmolds jährliche Defizite steigen Die Gemeindeprüfungsanstalt hat Anfang des Monats der Stadtverwaltung ein gutes Zeugnis ausgestellt und ihr über den Betrachtungszeitraum 2018-2022 solides Wirtschaften bescheinigt. Die positiven Jahresabschlüsse haben es ermöglicht, Geld für schlechtere Zeiten zurückzulegen. Diese sind zunehmend spürbar. Auch wenn das vergangene Jahr mit einem geringeren Defizit abgeschlossen werden konnte als geplant, unterm Strich stand ein Minus von gut zwei Millionen Euro. Mit Blick aufs aktuelle Jahr sagt Bürgermeister Meyer-Hermann zumindest. &bdquo;Es läuft ganz gut.“ Damit bezieht er sich insbesondere auf das Gewerbesteueraufkommen, das mit voraussichtlich 19 Millionen Euro trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten über dem Ansatz liegt. So hofft man im Rathaus, dass der geplante Fehlbetrag von 3,6 Millionen Euro zumindest etwas verbessert werden kann. Für die kommenden beiden Jahre spuckt der Etatentwurf allerdings jeweils ein Minus von mehr als 5,5 Millionen Euro aus. Weniger Nachfrage nach Baugrundstücken Schlechter als angenommen gestaltet sich aktuell ein anderer Posten der Einnahmenseite: Erträge aus Grundstücksverkäufen können nicht wie erwartet erzielt werden. Konkret verläuft die Vermarktung der Grundstücke im Neubaugebiet südlich der Sandbreede schleppend. Apropos Bauland: Nach der Kernstadt, Bockhorst, Oesterweg und Loxten soll als Nächstes im Ortsteil Peckeloh ein Angebot gemacht werden. Die Stadt hatte dafür bereits eine Fläche an der Stränger Straße konkret ins Auge gefasst, muss die Pläne aber vorerst verwerfen. &bdquo;Aufgrund geänderter Eigentumsverhältnisse“, wie Bürgermeister Michael Meyer-Hermann ausführt. Der Fokus für neue Baugrundstücke liege nun auf den städtischen Flächen an der Starenstraße (Teile des bisherigen Sportplatzes sowie die benachbarte Grünfläche). Wichtige Straße soll saniert werden Mit &bdquo;Stadtentwicklung und Infrastruktur“ hat Meyer-Hermann einen Schwerpunktbereich der Versmolder Haushaltspolitik überschrieben. Neben Bauland gehören für ihn Dorfentwicklungsmaßnahmen dazu, die in Zusammenarbeit mit Ortsteil-Vertretern vorangebracht werden sollen. Ebenso wie der Erhalt der Straßeninfrastruktur. Dort hebt er als Beispiel größerer Sanierungsprojekte der nächsten Jahre weitere Bauabschnitte an der Wersestraße sowie die Straße &bdquo;Im Industriegelände“ hervor. Übrigens: 45 Prozent der gesamten städtischen Investitionsmaßnahmen betreffen Verkehrsflächen und -anlagen sowie ÖPNV. Investitionen in städtische Grundschulen Das mit Abstand größte Einzelprojekt im Etatentwurf ist der Neubau der Förderschule in Oesterweg mit mehr als zwölf Millionen Euro (refinanziert über Miete durch den Kreis Gütersloh). Ohnehin bildet der Bereich &bdquo;Schulen“ einen weiteren von fünf definierten Schwerpunkten. Sowohl an den Grundschulstandorten in Oesterweg und Peckeloh als auch an der Sonnenschule sind verschiedene Modernisierungsmaßnahmen geplant. Das übergreifende Projekt &bdquo;Qualität im Ganztag“ soll fortgesetzt werden, wenn auch mit reduziertem Ansatz. Ein Ausbau der Schulsozialarbeit ist ebenso vorgesehen. &bdquo;Insgesamt können wir mit Stolz - und auch mit Recht - sagen, dass wir im interkommunalen Vergleich über hervorragend aufgestellte Grundschulen verfügen“, findet Meyer-Hermann. Sport- und Spielplätze werden attraktiver Der dritte Punkt ist mit &bdquo;Kinder/Jugendliche/Freizeit/Sport“ zusammengefasst. Der Bürgermeister verweist unter anderem auf die Umgestaltung von Spielplätzen, in die jährlich investiert werde. 2026 ist beispielsweise für 85.000 Euro die Spielfläche am Oesterweger Schulzentrum an der Reihe. An der Wiesenstraße entsteht demnächst eine Dirt-Bike-Anlage. Während die Arbeiten für den neuen Sportplatz in Peckeloh seit einigen Monaten laufen, plant die Stadt bereits weitere Investitionen an der Hesselsportanlage in Oesterweg sowie am Kurt-Nagel-Parkstadion. Neues Feuerwehrhaus für den Löschzug Bockhorst Sicherheit und Ordnung ist Thema Nummer vier. Die Stadt wird sowohl in den Fahrzeugbestand der Freiwilligen Feuerwehr als auch in den Neubau des Feuerwehrhauses in Bockhorst investieren. Seit vergangener Woche liegt die Baugenehmigung vor, im Frühjahr soll mit dem 2,7-Millionen-Euro-Projekt am Ortseingang begonnen werden. Eine Aufstockung ist im Bereich des Ordnungsamtsaußendienstes geplant. Versmolder Ziel: Klimaneutralität bis 2035 Eine weitere Priorität setzt die Stadt Versmold beim Gebäudebestand. Die Sanierung, energetische Ertüchtigung und die Gestaltung der Wärmewende sollen weiterhin vorangebracht werden. Mit 1,4 Millionen Euro könne dieser Bereich auf dem notwendigen hohen Niveau gehalten werden, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 für die städtischen Gebäude umsetzen zu können. &bdquo;Die Stadt bleibt hier Vorreiter und Vorbild - mit Plus-Energiehäusern nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch“, so Meyer-Hermann. Stadt macht hohe Schulden Zusammengefasst sagt der Bürgermeister in seiner Rede: &bdquo;Unsere Ziele müssen sein: Erreichtes halten - Geplantes umsetzen - Priorisieren und Maßhalten bei Neuem.“ Die Kehrseite der Medaille: Investitionen können nur kreditfinaniert getätigt werden. Der Schuldenstand im Kernhaushalt steigt - sollte alles wie angedacht realisiert werden - bis 2027 auf mehr als 40 Millionen Euro. Hohe Kreisumlage macht Versmold zu schaffen Den am Donnerstagabend der Stadtvertretung vorgelegten Etatentwurf bezeichnet Michael Meyer-Hermann als &bdquo;Warnsignal-Haushalt“ mit einer klaren Botschaft an übergeordnete Ebenen: &bdquo;Diese Lasten sind von den Städten und Gemeinden nicht mehr lange zu tragen.“ Als konkretes Beispiel führt der Bürgermeister ein Rechen-Exempel an: Die Kreisumlage erreicht im kommenden Jahr mit 22 Millionen Euro einen neuen Höchststand. Sie macht 37 Prozent der Gesamtaufwendungen aus. Gegen solche Entwicklungen könne eine Kommune nicht ansparen. &bdquo;Selbst wenn wir die großen freiwilligen Produkte aus unserem Haushalt komplett streichen könnten, was weder einfach so ginge noch im Sinne der Attraktivität der Stadt gewollt und wünschenswert ist, würde dies nur rund 2,1 Millionen Euro an Verbesserung bringen.“ Eingerechnet ist darin der Verzicht auf Parkbad, Stadtbibliothek, Kultur, Stadtmarketing und der Sportplatz-Neubau. So entwickeln sich die Steuern Größter Posten auf der Einnahmenseite 2025 sind die Steuern, insbesondere die Gewerbesteuern (38 Prozent), die Beteiligungen an Umsatz- und Einkommenssteuer (26 Prozent) und die Grundsteuer (9 Prozent). &bdquo;Wir sind stark abhängig vom Steueraufkommen“, sagt Kämmerin Christiane Bürgin, und dies sei schwer vorhersagbar und nicht groß beeinflussbar. Allein an den Hebesätzen kann eine Kommune drehen. Die gute Nachricht für Versmolderinnen und Versmolder: Aufgrund der besseren Zahlen für 2023 und vermutlich auch 2024 kann die Stadt bisher eingeplante Erhöhungen vermeiden. &bdquo;Wir können einen genehmigungsfähigen Haushalt ohne Steuererhöhungen vorlegen - das gilt sowohl für die Grund- als auch die Gewerbesteuer“, sagt Meyer-Hermann. Bürgermeister befürchtet Kipppunkt Die solide Ausgangssituation verschafft der Stadt also etwas Luft in angespannten Zeiten. Doch die &bdquo;Dramatik der kommunalen Finanzsituation im ganzen Land“ werde zunehmend vor Ort spürbar. Große Unterstützung von Land oder Bund habe es bisher nicht gegeben. &bdquo;Die Kommunen werden im Regen stehen gelassen“, kritisiert Versmolds Bürgermeister. &bdquo;Wenn nicht endlich die kommunale Finanzausstattung verbessert wird, wird nicht nur in Versmold, sondern in ganz vielen Kommunen im Land der finanzielle Kipppunkt erreicht sein.“ Dann wäre man zu &bdquo;massiven“ Steuererhöhungen und Einschnitten gezwungen. Das gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt, befürchtet Meyer-Hermann.

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