Zum Tag der Pflege

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Versmolderin kümmert sich aufopferungsvoll um ihren schwerkranken Ehemann

Rosel Klein pflegt ihren Mann Wilfried seit elf Jahren. Ihr eigenes Leben hat sie dafür weitgehend aufgegeben. Das Ehepaar begegnet seinem Schicksal pragmatisch mit einer beeindruckenden Einstellung.

Wilfried und Rosel Klein halten fest zusammen. Die Ehefrau pflegt ihren schwerkranken Mann seit mehr als elf Jahren. | © Andre Schneider

Andre Schneider
12.05.2024 | 12.05.2024, 17:11

Versmold. Am Sonntag (12. Mai) ist Tag der Pflege. Eigentlich richtet sich dieser Tag an die Kräfte, die in ihrem beruflichen Alltag jede Menge leisten. Aber eine Gruppe wird oft vergessen: Etliche Menschen betreuen Angehörige in den eigenen vier Wänden. Ein Full-Time-Job. Rosel Klein kann davon sprichwörtlich ein Lied singen.

Es war vor ungefähr elf Jahren. Rosi und ihr Ehemann Wilfried Klein waren gerade in eine kleinere Wohnung gezogen. Der erwachsene Sohn war längst aus dem Haus. Die erste Nacht in dem neuen Domizil wird Rosel Klein aber niemals vergessen. Das Leben ihres Mannes änderte sich vom einen auf den anderen Moment schlagartig - und das der damals 55-Jährigen direkt mit.

„Ich bin von Schnarchgeräuschen wach geworden. Dann habe ich Wilfried angestoßen. Da war er aber schon bewusstlos“, schildert Rosi Klein. Sie rief den Rettungswagen, der binnen weniger Minuten vor Ort war. Wilfried Klein - damals 62 - musste reanimiert werden. Die Ärzte stellten bei ihm ein Kammerflimmern im Herzen fest. Die Folge: Das Gehirn wurde nicht korrekt mit Sauerstoff versorgt, es kam zu einem Hirnschaden. Darunter litt vor allem Wilfried Kleins Gedächtnis. Der Mann wurde zum Pflegefall. Pflegegrad vier. Versorgung rund um die Uhr.

Versmolder auf Pflege angewiesen

„Er ist alleine völlig hilflos“, beschreibt Rosel Klein den Zustand ihres Mannes. Er kann dem Gespräch mit dem Reporter zwar folgen, sich aber nur selten daran beteiligen. „Möchten Sie ein Glas Wasser?“, fragt er das HK. „Er war früher sehr gastfreundlich. Das ist noch da“, entgegnet Rosel Klein. Viel mehr soziale Interaktion ist ihrem Mann in diesem Moment aber kaum möglich. Kleinste Alltagstätigkeiten fallen ihm schwer. An ein aktives Leben mit Reisen, Ausflügen oder regelmäßigen Hobbys ist nicht zu denken.

Rosel Klein pflegt ihren Mann seit dieser Nacht. Ihr Leben ist schon lange nicht mehr wie früher. Arbeiten gehen kann sie nicht. „Ich muss das Leben von meinem Mann mit managen“, sagt sie. Egal ob Kochen, waschen oder bürokratische Aufgaben - „alles muss ich für ihn miterledigen“. Das bestimmt ihren Alltag und - das sagt sie offen - setzt ihr zu. „Manchmal bin ich erschöpft. Die psychischen Belastungen sind enorm.“ Ihr Leben ist stark eingeschränkt. Veranstaltungen besucht sie selten bis gar nicht. Besuch bleibt nur ein paar Stunden. Wenn überhaupt welcher kommt. „Kontakte und Freundschaften gehen mit der Zeit der verloren“, sagt Rosi Klein.

Aber es kommen auch neue dazu: über das soziale Netzwerk Facebook zum Beispiel. Dort ist Klein in einer Gruppe aktiv, in der sich pflegende Angehörige austauschen und inzwischen gut vernetzt. Neue Kontakte entstanden auch in der Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige unter dem Dach der Versmolder AWO. „Hier konnten wir neue Freunde finden“, so die Versmolderin. Rund zehn Teilnehmer verzeichnet die Gruppe regelmäßig.

Klein nimmt ihr Schicksal zuversichtlich an

Das stimmt Rosel Klein zuversichtlich. Überhaupt sieht sie ihr Leben positiv und macht das Beste daraus. „Wir haben eine sehr schöne Wohnung und sind grundsätzlich so zufrieden, wie es ist.“ Alles andere würde nur melancholische Gefühle erzeugen. Ob Rosi Klein noch Träume hat? „Die sind irgendwie weg.“ Nach elf Jahren hat sie die Realität einer pflegenden Angehörigen angenommen und wirkt dennoch zufrieden und zuversichtlich.

Forderungen hat sie trotzdem: „Pflegender Angehöriger zu sein, ist eine sehr große Aufgabe. Die Politik ist gefordert.“ Sie wünscht sich beispielsweise vollständige Anerkennung der Pflege für die Rente, wenn Arbeit nicht möglich ist. Denn sobald finanzielle Mittel aus dem Pflegegeld in Unterstützung (Pflegedienste oder Ähnliches) investiert werden, fallen Rentenpunkte für Angehörige weg oder werden zumindest gekürzt. Klein klagt: „Es gibt einfach zu wenig Entlastung.“