Versmold. Freitagabend, es ist 20.30 Uhr. Eigentlich könnte ich mich entspannt auf meinen Balkon setzen und das Wochenende einläuten. Aber es zieht mich raus. Mit Kamera und Stativ. Die Mondfinsternis zieht mich fast magisch an.

Ich fahre das kurze Stück bis ins Versmolder Bruch mit dem Auto. Normalerweise könnte ich den Aussichtsturm an der Wiesenstraße mühelos mit dem Fahrrad erreichen. Aber dafür habe ich zu viel Ausrüstung dabei. Zwei Kameras, ein Weitwinkel- und ein Teleobjektiv, zwei Stative, Taschenlampe, Handy und – ganz wichtig – eine Flasche kaltes Wasser. Schließlich ist es noch sommerlich warm.
Noch ist es früh. Die Sonne geht unter. Direkt hinter dem Storchennest. Ich nutze die Gelegenheit und schieße ein Silhouetten-Foto. „So ein Bild hat vielleicht noch keiner gemacht", hoffe ich im Stillen, zumindest habe ich bei den zahlreichen Veröffentlichungen bisher noch keines in dieser Art gesehen. Ich steige auf den Aussichtsturm. Zum Glück bin ich früh. Denn die ersten Mondbeobachter haben bereits Position bezogen. Mit Kameras und Ferngläsern. Ich poste ein Foto von meinen Kameras bei Facebook. Eine gute Idee, um die besten Fotospots andernorts in Erfahrung zu bringen. Inzwischen ist es 21.20 Uhr. Der Mond lässt auf sich warten. „Er hat Verspätung", sagt ein Mitfotograf. „Ob der Standort richtig ist?", fragen wir uns. Schließlich brauchen wir freie Sicht auf den Horizont. Am Aussichtsturm versperren ein paar Büsche und Bäume die Blicke. Auch Minuten später ist nichts vom Mond zu sehen. Ich beschließe, den Standort zu wechseln.
Überall am Straßenrand stehen die Menschen

Zurück im Auto fahre ich einige Meter durch das Naturschutzgebiet. Überall am Straßenrand stehen die Menschen. Einige sitzen auf Decken im Gras und schauen in den Nachthimmel. Andere sind mit Ferngläsern ausgestattet. Und viele tun das gleiche wie ich. Sie sind auf Foto-Tour. Rund 200 Mondbeobachter, so schätze ich, sind an diesem Abend im Bruch unterwegs.
Ich entscheide mich für eine kleine Brücke an der Rebhuhnstraße. Hier gibt es freie Sicht. Der erste bin ich allerdings nicht. Ein Pärchen aus Bielefeld hat bereits seine Kameras aufgebaut. Sie tun aber das gleiche wie ich: warten. Der Mond lässt sich einfach nicht blicken. „Da muss wohl ein Wolkenband über Versmold hängen", mutmaßt der Bielefelder Fotograf.

Auch im Internet gibts nichts. Einzig die Bildzeitung hat einen Livestream aus Bayern. Wir sind über unsere Handys mit der ganzen Welt verbunden. Die ersten Reaktionen auf meinen Facebook-Post folgen. Eine Bekannte fragt per WhatsApp, ob ich im Bruch etwas sehen kann. Gerade fliegt die Raumstation ISS über den Versmolder Himmel. „Nichts", muss ich ihr antworten.
Mehr los als in Versmolder Kneipen
Doch dann passierts: „Im Schwedengarten sieht man ihn ganz schwach", schreibt sie. Auch im Bruch zeigt sich der Erdtrabant ganz schwach über den Baumreihen. Mir gelingen die ersten Fotos. An der Rebhuhnstraße steht alles voll mit Autos. „Hier ist mehr los als an manchen Abenden in Versmolder Gaststätten", sage ich und sorge für ein paar Lacher.

Selbst ein Polizeiauto hält einen Moment lang. Nächtliche Strafzettel gibts für die Schaulustigen natürlich nicht – die Beamten sind genau so neugierig auf das Himmelsspektakel wie ich. Langsam taucht auch der Mars auf. So deutlich habe ich den roten Planeten noch nie gesehen. Jetzt lohnt sich die Kamera mit dem Weitwinkelobjektiv. Ich kann die ganze Szene im Bruch mit der Kamera einfangen. Mit dem Tele-Objektiv bekomme ich den Mond näher heran gezoomt. Später am Laptop noch ein paar Kniffe im Photoshop und die Bilder für die Galerie sind fertig. Es sind Bilder, die ich in meinem Leben nur ein einziges Mal schießen kann. Ein Glücksgefühl.
23.50 Uhr – das Spektakel ist vorbei. Ich sitze in einer warmen Sommernacht auf meinem Balkon am Rande der Innenstadt. Der Vollmond leuchtet. Ich bin glücklich und zufrieden. Besser hätte ich das Wochenende nicht einläuten können.