Interview mit Krimi-Autor Klaus-Peter Wolf: „Krimis spiegeln die Realität wider“

Heimatgefühl: Obwohl in Gelsenkirchen geboren, fühlt sich Klaus-Peter Wolf an der Nordsee seit vielen Jahren heimisch. | © Gaby Gerster 2015

06.09.2017 | 06.09.2017, 17:00

Versmold. Klaus-Peter Wolf spricht über seine Ostfriesen-Krimis rund um Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Am 12. September ist der Kultautor mit zwei Spiegel-Nummer-Eins-Titeln zu Gast in Versmold.

Herr Wolf, wer sich mit Ihrer Biografie beschäftigt, stellt fest: Sie sind ein echtes Ruhrgebietskind. Geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen. Später Kulturschaffender im Pott. Was ließ Sie Wahlfriese werden?

Klaus-Peter Wolf: Eben weil ich ein echtes Ruhrgebietskind bin, hatte ich auch die Probleme mit den Atemwegen, die Kinder im Ruhrgebiet damals eben allgemein hatten. Als Kind kam ich deshalb zur Kur nach Friesland. Ich werde wohl niemals vergessen, dass es diese Gegend war, in der ich zum ersten Mal richtig Luft bekommen habe.

Ein einschneidendes Erlebnis sicherlich. Das hat also Ihr Verhältnis zu Friesland bestimmt?

Wolf: Ostfriesland wurde für mich, wie übrigens für sehr viele Menschen aus dem Ruhrgebiet, zum Sehnsuchtsort. Viele verbrachten mit ihren Eltern dort regelmäßig den Urlaub, andere kamen so wie ich zur Kur hierher. In Norden, in meiner Straße, Distelkamp, leben noch zwei Menschen, die von Geburt Friesen sind. Alle anderen sind aus dem Ruhrgebiet zugezogen. Wenn ich zum Bäcker gehe, dann wird um mich herum gesprochen wie in Dortmund.

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Begehrter Schriftsteller

In der Veranstaltungsreihe Versmolder Leseherbst stellt der Bestsellerautor seine beiden Krimis Ostfriesentod und Totenstille im Watt vor. Mittlerweile wurde eine Viertelmillion Exemplare der Kriminalromane verkauft. In Versmold liest Klaus-Peter Wolf ab 20 Uhr im Autohaus Nagel und Sohn an der Münsterstraße 24. Karten gibt es im Vorverkauf bei den beiden Veranstalterinnen des Leseherbstes, der Buchhandlung Krüger und der Stadtbibliothek.


In Ihren Büchern sind es aber gerade die friesischen Charaktere, mit denen man sich als Leser sofort verbunden fühlt. Selbst Neueinsteiger in Ihre Romanwelten haben den Eindruck, vertraute Weggefährten zu treffen, wenn sie über Gudrun Garthoff oder Peter Grendel lesen. Wie gelingt das?

Wolf: Für meine Kriminalromane denke ich mir nur die Handlung sowie Täter und Opfer aus. Die meisten Personen und alle Orte, die in meinen Geschichten eine Rolle spielen, gibt es tatsächlich. Die Grendels leben in meiner Nachbarschaft und heißen auch im richtigen Leben so. Es gibt verschiedene Handelnde. Da findet jeder Leser eine Figur, der er sich besonders verbunden fühlt, mit der er sich identifizieren kann. Sogar Polizisten, die sich den ganzen Tag ohnehin mit Kriminalistik beschäftigen, lesen nach Feierabend noch meine Bücher. Ich glaube, sie tun das deshalb, weil sie erleben, dass ich sie und ihre Arbeit ernst nehme.

Rührt darin auch die besondere Nähe zwischen Ihnen als Autor und Ihrer Leserschaft?

Wolf: Gut möglich. Die Nähe jedenfalls ist groß. Der typische Leser kennt alle elf bisher erschienenen Bücher. Keines hatte bisher weniger als 300.000 verkaufte Exemplare. Und es gab Vorbestellungen in einer Größenordnung von 130.000. Die Menschen finden sich in meinen Büchern wieder. Sie nehmen großen Anteil an den Entwicklungen. Reagieren etwa mit einem Proteststurm, wenn ich den beliebten ersten Chef meiner Kommissarin Ann Kathrin Klaasen in den Ruhestand schreibe.

Neben dem Wunsch als Autor, die Leserschaft zu unterhalten, gibt es da auch noch eine tiefergehende Botschaft?

Wolf: Meinen gesellschaftskritischen Ansatz, mit dem ich als junger Autor gestartet bin, habe ich nie aufgegeben. Meine Kriminalromane sind angelegt als großes Gesellschaftspanorama. Alle Sorgen, Ängste, Hoffnungen und Freuden des Lebens finden sich darin. Die Form des Kriminalromans zwingt dazu, sich mit den Motiven der Menschen auseinanderzusetzen. Ich muss ihre Beweggründe erforschen und versuchen, bis in die Tiefe zu verstehen. Gesellschaftliche Realitäten lassen sich in keiner wissenschaftlichen Abhandlung besser darstellen als in einem Krimi.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel geben?

Wolf: In einer meiner Kriminalgeschichten werden mehrere alte Menschen scheinbar wahllos ermordet. Bei näherer Untersuchung der Fälle stellt sich heraus, dass alle Opfer früher einmal in einem Kinderheim beschäftigt waren. Letztlich ist der Mörder ein ehemaliger Bewohner des Heims. Damals bekam ich viele Kommentare von meinen Lesern und es meldete sich einer, der schrieb, dass er zum ersten Mal in seinem Leben mit dem Serienmörder sympathisiert habe. Der habe getan, was eben jener Leser selbst gern getan hätte. Denn es war seine Geschichte, die er dort erzählt fand.