Da haut es selbst den Chef um

Der beste Chor im Westen genießt den Rummel

Da ist das Ding: Hans-Ulrich Henning hält im Jubel seiner Schützlinge die Siegertrophäe hoch. Coach Giovanni Zarrella an seiner Seite freut sich mit.  | © Foto: WDR/Melanie Grande

Tasja Klusmeyer
19.12.2016 | 19.12.2016, 06:04

„Die jungen Menschen haben Großartiges geleistet. Das trägt sie ihr Leben lang", sagt Chorleiter Henning. Als Musikpädagoge sei ihm der Aspekt des Wirgefühls und der Würdigung der Leistung viel wichtiger als kurzfristiger Ruhm. Genießen aber dürfen die jungen Sänger die Aufmerksamkeit, die dem Christophoros-Jugendkammerchor momentan zuteil wird, in vollen Zügen.

„Bombastisch" findet Henning das Ergebnis vom Freitagabend, das er so nie erhofft hätte. Ein Drittel aller Zuschauer fand: Der beste Chor im Westen ist der Versmolder Schulchor. Die 39 Nachwuchssänger setzten sich mit deutlichem Abstand gegen die erfahrenen Stimmen der Konkurrenz durch. Insgesamt traten fünf NRW-Chöre im Finale des WDR-Wettbewerbs gegeneinander an.

Von grandios bis sensationell reichten die Bewertungen der dreiköpfigen Jury. Coach Giovanni Zarrella, der die Versmolder in den vergangenen Wochen begleitet hatte, war ganz begeistert: „Ihr seid der Chor mit der größten Veränderung." Er meinte damit vor allem die Optik, legten die Sänger doch beim Halbfinalsong Yesterday und jetzt beim ersten Titel, dem argentinischen Tango »El ultimo café«, ihre bekannten blau-schwarzen Roben zugunsten eines moderneren Outfits ab.

Hans-Ulrich Henning indes ist von der ständigen Kleider-Frage eher genervt. „Über Chorkleidung kann man natürlich streiten. Aber wir haben gezeigt, dass wir flexibel sind", sagt er. Im kirchenmusikalischen Bereich, in dem sein Chor hauptsächlich unterwegs ist, passe das Outfit. Zudem sei Blau die Farbe des CJD.

Genau in der klassischen Garderobe jedenfalls überzeugten die Sänger im Finale am meisten. „Engelsgleich und schön" hätte der Chor das Kirchenlied »In dulci jubilo« gesungen, schwärmt Henning noch Stunden nach der Liveshow. 30 Versmolder drückten im Studio die Daumen; Hunderte taten es zu Hause am Bildschirm und freuten sich riesig über den Sieg. Den Bekanntheitsgrad von Schule und Stadt dürfte die Teilnahme ohne Frage gesteigert haben.

Das grandiose Abschneiden seiner Schützlinge haute selbst den Chef um. Nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses sank Henning zu Boden, blieb dort einen Moment mit ausgestreckten Gliedmaßen liegen, um anschließend die Trophäe in die Luft zu recken. „Ich wollte was Verrücktes machen. Ich bin so ne Rampensau", sagt Henning im Gespräch mit dem Haller Kreisblatt.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Chorleiter längst wieder zu Hause und mit dem Kopf bereits beim bevorstehenden Weihnachtskonzert in Dissen, das der Christophorus-Jugendkammerchor am Nachmittag gibt. „Hätte ich das gewusst, ich hätte die Gage erhöht", frotzelt er. Nein – auf mehr Geld ist der langjährige Leiter keinesfalls aus, sagt er im nächsten Atemzug. Das Interesse an seiner Arbeit und der Leistungen der Sänger aber beflügelt ihn.

Glückwünsche und Konzertanfragen aus dem gesamten Bundesgebiet häufen sich, so Henning. Am heutigen Montag ist der 66-Jährige Gesprächsgast in der WDR-Lokalzeit. Die Stadt hat angekündigt, dem Chor kurzfristig einen Empfang bereiten zu wollen. Am Dienstag ist eine Fahrt zum Varieté nach Münster geplant – da dürfen sich die Sänger zurücklehnen und das Bühnenprogramm genießen.

„Das haben sie sich verdient. Ich bin unglaublich stolz auf die Kinder", sagt der 66-Jährige, der den Christophorus-Jugendkammerchor als so etwas wie sein Lebenswerk bezeichnet. Die Mitglieder wiederum sind stolz auf ihren Leiter. „Die Schule kann sich glücklich schätzen, einen Chorleiter wie Herrn Henning zu haben", sagt Nora Leiendecker stellvertretend für die Sänger. Sie gehört zu den Ehemaligen, die dem Chor extra für dem Wettbewerb ihre Stimme gaben. „Ich wünsche mir, dass er dem Chor noch einige Jahre erhalten bleibt."

Der Erfolg jedenfalls dürfte Hans-Ulrich Henning und seine Frau Sibylle, die für Stimmbildung zuständig ist, in ihrer Arbeit bestätigen. Der Weg zum TV-Sieg war aufregend und anstrengend. Vor allem das Finale in Köln hatte es in sich. Um 23 Uhr saß die Gruppe – kaputt, aber euphorisiert – im Bus Richtung Heimat. Eine Stärkung zu später Stunde gab’s übrigens in einem Fastfoodrestaurant. „Guten Abend, hier kommt der beste Chor im Westen", soll Henning beim Betreten gegrüßt haben. Wie Recht er hat.