Der Wahrheit verpflichtet

Kampf gegen Hetze und Lügen im Internet

Möchte, dass die User klug durch das Internet surfen: Andre Wolf nimmt über die Mimikama-Seite Hinweise auf verdächtige Postings sowie Fragen zu aktuellen Internetphänomenen entgegen und recherchiert deren Wahrheitsgehalt. | © Foto: Mimikama

24.03.2016 | 24.03.2016, 11:00

Vor einem Jahr wagte Andre Wolf den großen Schritt. Mit 37 Jahren kündigte er seinen Job beim Peckeloher Feinkosthersteller Nagel und zog aus seiner Wohnung im beschaulichen Oesterweg aus, um zusammen mit Ehefrau Claudia in die Millionenmetropole Wien zu ziehen. Der Grund: das Internet. Schon seit 2013 saß Andre Wolf ehrenamtlich mehrere Stunden täglich für Mimikama, einen Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch, vor dem Rechner und ging Falschmeldungen und Hetzpostings nach. Das macht er nun hauptberuflich – und klingt begeistert, wenn er von seinem Job erzählt.

„Hier kann ich mich selbst verwirklichen und das anwenden, was ich kann", sagt Andre Wolf. Gefragt sind Kenntnisse über Medien, Internet, Suchmaschinen, soziale Netzwerke sowie journalistische Kompetenz. „Man muss recherchieren und vor allem Quellen einschätzen können", erklärt der 38-Jährige. „Und das in Kombination mit der Möglichkeit, Menschen zu helfen", sagt Andre Wolf und verrät dann, dass er ursprünglich Pfarrer werden wollte. Nun sorgt er dafür, dass weniger Leute auf Facebookpostings hereinfallen und dadurch möglicherweise sogar einen Schaden erleiden. Das kann ein finanzieller sein, wenn es um Werbung geht, aber auch ein Imageschaden. „Vor kurzem ging doch wieder diese Welle durchs Netz, bei der alle öffentlich gegen die AGB von Facebook widersprochen haben", nennt er ein Beispiel. Dies habe natürlich überhaupt keine rechtliche Wirksamkeit und versuche genau deshalb für diejenigen, die das posten, einen Reputationsschaden, da sie darauf hereinfielen, nennt Andre Wolf ein Beispiel.

Falschmeldungen richten Schaden an

Ein noch größerer Schaden entsteht, wenn bewusst Falschmeldungen gestreut werden. Und auch bei diesem Feld kommt man momentan nicht am Thema Flüchtlinge vorbei. „Sehr häufig sind zur Zeit diese Meldungen über angebliche Vergewaltigungen im Schwimmbad oder unsittliches Anfassen", berichtet Andre Wolf aus der Praxis. Deren Wahrheits- beziehungsweise meistens Unwahrheitsgehalt lasse sich relativ leicht mit einer Nachfrage bei der Polizei überprüfen.

Komplizierter wird es, wenn es um die Benutzung falscher Videos und Bilder geht. So veröffentlichte Mimikama erst gestern den Hinweis auf ein Video, das sogar von renommierten Onlinemedien wie Focus oder Huffington Post verbreitet wurde. Angeblich zeigt es die Explosion am Brüsseler Flughafen, aufgenommen von einer Überwachungskamera. Die Recherche ergab aber, dass es in Wahrheit ein Überwachungsvideo vom Moskauer Flughafen Domodedowo war, auf dem 2011 ein Selbstmordattentäter einen Anschlag verübte.

Mit Bild- oder Videosuchmaschinen, der Rückwärtssuche von Google und anderem Handwerkszeug kommt Andre Wolf den Fakes auf die Spur. Veröffentlicht werden die Ergebnisse auf der Facebookseite von Mimikama »Zuerst denken, dann klicken«, die bereits über 630 000 Likes hat. „Unser Bekanntheitsgrad ist im letzten Jahr stark angestiegen", sagt Andre Wolf. Unter anderem, weil er und sein Kollege – zur Zeit die beiden einzigen Hauptamtlichen des Vereins – fast wöchentlich im Fernsehen oder von Zeitungen als Experten befragt werden.