„Die Rettung von 61 Arbeitsplätzen ist schon eine Hausnummer. Wir können wirklich froh sein“, sagt Gaby Böhm, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in der Region Bielefeld im Gespräch mit dem Haller Kreisblatt. Es seien harte und schwierige Verhandlungen gewesen, die aber immer fair gewesen seien. Der »Sicherungstarifvertrag« war zwischen Geschäftsleitung, Gewerkschaft und Betriebsrat ausgehandelt worden. Allerdings konnten nicht alle Arbeitsplätze gerettet werden. Die Kündigung von 89 der insgesamt 150 entlassenen Mitarbeitern bleibt bestehen.
Die 61 Arbeitsplätze, die sich ausschließlich in den Bereichen Produktion und Logistik befinden, sollen, so heißt es in einer Pressemitteilung der Nölke-Geschäftsleitung, mit Mitarbeitern besetzt werden, „denen wir im ersten Zug der Restrukturierung keine Weiterbeschäftigung ermöglichen konnten“. Wer von den Entlassenen nun wieder neu eingestellt wird, war nach HK-Informationen nicht Teil der Verhandlungen, sondern wird von der Geschäftsleitung entschieden.
Laut Geschäftsführer Axel Knau, der sich am Abend im Tennispark unter die Gäste des Wirtschaftsdialogs der Stadt mischte, sei die Wiedereinstellung der Mitarbeiter als erster Erfolg der Restrukturierungsmaßnahmen zu werten. Allerdings müssen die verbliebenen Mitarbeiter auch einen Preis für den Erhalt der Arbeitsplätze zahlen: Die tariflich anstehende Lohnsteigerung von sieben Prozent greift erst am 1. Januar 2017.
Mitarbeiter wurden Donnerstag informiert
Pünktlich um 15 Uhr hatte gestern die Mitgliederversammlung der Gewerkschaft im Altstadthotel begonnen, auf der die Neuigkeiten verkündet wurden. Anders als in der Vergangenheit war dieses Mal im Vorfeld nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Mitarbeiter der Spätschicht waren per Aushang über die Einzelheiten der Tarifvereinbarung informiert worden."Ich bin nicht so kaltherzig"
Demonstrativ war die Versmolder SPD dem Wirtschaftsdialog der Stadt am gestrigen Abend ferngeblieben. „Wir sind mit der Wahl des Hauptredners durch den Bürgermeister (Clemens Tönnies, Red.) zur jetzigen Zeit nicht einverstanden und empfinden es als falsches Signal an die vielen gekündigten Nölkianer in ihrer schwierigen persönlichen Situation“, teilte SPD-Fraktionschefin Liane Fülling im Vorfeld schriftlich mit. Das Statement war offenbar auch Clemens Tönnies zu Ohren gekommen. Denn als er die gute Nachricht von der Wiedereinstellung verkündete, schloss er an: „Ich hätte das gerne auch Frau Fülling gesagt, aber die hat mich ja gefressen; für sie bin ich offenbar ein Feindbild.“ Damit bezog er sich auf die starke Kritik der SPD-Fraktion, die Tönnies’ Engagement in Versmold öffentlich als Unheil betrachtet hatte. „Ich bin alles andere als kaltherzig und der Kapitalist, als den mich alle bezeichnen“, sagte Tönnies später im Gespräch mit dem HK. Er wisse durchaus um die soziale Verantwortung und Bedeutung eines Unternehmens.Noch während der Versammlung meldeten sich die Geschäftsführer Axel Knau und Frank Göbel in einer Pressemitteilung zu Wort: „Wir haben immer betont, dass wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen werden und hart arbeiten, um Nölke und um seine Top-Marke Gutfried wieder erfolgreicher am Markt zu platzieren. Das gelingt uns Schritt für Schritt.“
Tönnies: "Wir wollen weiter einstellen"
Clemens Tönnies, privater Eigentümer der Zurmühlen-Gruppe und damit seit Dezember auch Nölke-Besitzer, ließ es sich nicht nehmen, die guten Nachrichten am Abend beim Wirtschaftsdialog im Tennispark der versammelten Versmolder Unternehmerschaft zu verkünden. „Uns ist bewusst, dass es eine schwere Medizin war, die die Nölke-Mitarbeiter zunächst zu schlucken hatten“, sagte er später im Gespräch mit dem HK. Nölke sei aber auch „schwerstkrank“ gewesen. Nun wolle man das Unternehmen gut weiter entwickeln, denn „wir wollen ja auch weiter einstellen“, sagte Tönnies.Zunächst scheint es aber eher darum zu gehen, die Mitarbeiterzahlen zu halten. Nach Informationen des HK haben die Verhandlungsparteien vereinbart, dass bis 2020 mindestens 400 Mitarbeiter am Standort in Versmold beschäftigt bleiben müssen. Erst danach soll die Anzahl sukzessive auf 360 und später auf 340 fallen dürfen. Alle Auszubildenden bis 2020 sollen zunächst mit Jahresverträgen übernommen werden. Außerdem sollen keine zusätzlichen Werkverträge mehr abgeschlossen werden. Aktuell seien nur die Reinigung und die Bewachung ausgelagert. Die Kommissionierung soll nach HK-Infos, anders als zunächst angekündigt, in Nölke-Hand bleiben.
Unter großen Teilen der Belegschaft soll die Ankündigung für Freude gesorgt haben und als wichtiger Schritt zur Verbesserung des – zuletzt arg gebeutelten – Betriebsfriedens gewertet worden sein. „Wir wollen jetzt nur noch nach vorne schauen“, sagte Axel Knau.