Kein Wettkampf bei Bundesjugendspielen: Das sagen Steinhagener Lehrkräfte

Steinhagen. Erinnern wir uns zurück an die eigene Schulzeit: Für die einen waren die Bundesjugendspiele ein Grund zur Freude, für die anderen ein Graus. Während die Sportskanonen auf dem Rasen und der Aschebahn triumphierten, fühlten sich die Sportmuffel gedemütigt. Vom kommenden Schuljahr an gelten für die Bundesjugendspiele neue Regeln. Der Wettkampfcharakter soll weniger im Vordergrund stehen. Vielmehr soll es darum gehen, sich zu bewegen, Freude zu haben und sein Bestes zu geben. Statt von einem Wettkampf ist jetzt von einem Wettbewerb die Rede. Der Unterschied zeigt sich daran, dass der Wettbewerb nicht länger normiert ist. Das heißt: Maßband und Stoppuhr spielen eine untergeordnete Rolle. Es gibt keine festgelegten Punktetabellen mehr, und Schulen dürfen neben den klassischen Disziplinen wie 50-Meter-Sprint oder Weitsprung auch noch andere Aufgaben anbieten. Das neue Konzept soll Frust ersparen, gerade bei unsportlichen Kindern. An der Grundschule Brockhagen gibt es die Bundesjugendspiele schon seit etlichen Jahren nicht mehr. Sie wurden durch das Spiel- und Sportfest ersetzt, in dessen Rahmen die Kinder das Sportabzeichen ablegen. "Zusätzlich zu den Sportabzeichendisziplinen gibt es Disziplinen wie Sackhüpfen und Eierlaufen. Damit haben wir den Fokus längst auf den Spaß an der Bewegung gelegt und wollen das auch so beibehalten", berichtet Konrektorin Christine Neitemeier, die die Bundesjugendspiele ihrer eigenen Schulzeit als "schrecklich" in Erinnerung hat. Am Ende des Tages erhalten alle Schülerinnen und Schüler eine Teilnehmerurkunde. Das Sportabzeichen gibt's im Frühjahr des darauffolgenden Jahres. "Leistung gehört zum Sport dazu" Der Wettkampfgedanke sei beim Spiel- und Sportfest an der Grundschule Brockhagen dennoch gegeben. "Die Kinder treten ja gegeneinander an und messen sich, wer der schnellste ist. Und sie bereiten sich im Sportunterricht darauf vor, eine gute Leistung zu bringen", sagt Christine Neitemeier. Etwas kritischer blickt Lisa Dammeier, die an der Grundschule Amshausen Sport unterrichtet, auf die Änderungen des Regelwerks. "Der Leistungsgedanke gehört zum Sport dazu. Und auch mit den neuen Regeln werden die Kinder sich weiterhin vergleichen und feststellen, dass einige beim Laufen langsamer und andere schneller sind." Wichtig sei es, wie man die Schülerinnen und Schüler auf einen Wettkampf vorbereite, damit es am Ende keine Enttäuschung gebe. Messen mit dem Maßband fällt weg Lisa Dammeier ist auch als Trainerin in der Turnabteilung der Sportvereinigung Steinhagen tätig und erinnert daran, dass es im Sport auch darum gehe, Verbesserungen zu erreichen und diese festzuhalten. Dazu seien Maßstäbe wie Zeiten beim Laufen und Weiten beim Werfen nun mal notwendig. Ab sofort soll es jedoch beispielsweise beim Weitsprung nur noch Zonen geben, in die die Kinder springen. Das Messen mit dem Maßband fällt weg. Während der Fokus in der Diskussion meistens auf den Sportmuffeln liegt, nimmt Lisa Dammeier eine ganz andere Perspektive ein. "Es gibt eben auch Kinder, die in anderen Fächern schlechter sind und die im Sport glänzen können. Denen nimmt man jetzt eine Chance auf ein Erfolgserlebnis, indem man eben nicht mehr so genau hinschaut, wie stark sie beim Laufen oder Springen sind." Kein Problem, auch mal eine Niederlage zu erleben Ähnlich sieht das ihre Kollegin Kirsi Rohmeier von der Grundschule Laukshof. "In anderen Unterrichtsfächern gibt es auch unterschiedliche Leistungen, die unterschiedlich benotet werden. Warum soll das im Sport anders sein?", sagt die Lehrerin, die wie Lisa Dammeier auch als Trainerin bei der Sportvereinigung Steinhagen tätig ist. "Wir müssen die Kinder auf ein Leben in einer Leistungsgesellschaft vorbereiten. Wichtig ist mir, dass wir ihnen gleichzeitig Fairness vermitteln, und dass es kein Problem darstellt, auch mal eine Niederlage zu erleben." In der HK-Leserschaft wird die Neuregelung der Bundesjugendspiele ebenfalls heiß diskutiert. In den sozialen Netzwerken sammeln sich die Kommentare unter der Berichterstattung: "Ich find's super und schon ewig überfällig. Wer Wettkampf will, soll das im Sportverein machen", begrüßt eine Leserin die Reform der Bundesjugendspiele. Eine andere erinnert sich an die eigene Schulzeit zurück: "Ich war eine sportliche Niete und hatte schon vorher Angstschweiß, schlechten Schlaf und morgens Übelkeit." Ex-Profisportler Marc Blume äußert sich Auch der ehemalige in Steinhagen wohnende Leichtathlet Marc Blume nimmt Stellung und schreibt: "Ich finde, Kinder sollten sich im Wettkampf auch messen und vergleichen können. Sport hat auch immer etwas mit Motivation, Erfolgserlebnis und Disziplin zu tun. Wenn alles nur noch weichgespült wird und die Urkunden jetzt am besten noch als erstes verteilt werden, dann zählt Leistung bald in unserer Gesellschaft überhaupt nichts mehr." Und er ergänzt: "Beim Bewerten der sportlichen Leistung lernen die Kids nebenbei noch etwas ganz wichtiges: Verlieren. Das stärkt den Charakter mehr, als immer nur die oder der Beste zu sein."

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