Hängematten zwischen Grabsteinen: Steinhagener Friedhof ist jetzt ein Park

Steinhagen. Die Neugestaltung des Alten Friedhofs an der Brockhagener Straße ist nahezu abgeschlossen. Die Anlage wurde in den vergangenen Monaten komplett umgestaltet und hat enorm an Aufenthaltsqualität gewonnen. Wer möchte, kann sich nun in eine der vier knallroten Hängematten lümmeln oder auf einen der orangen Sitzhockern niederlassen. Tod und Trauer haben auf dem Areal gegenüber des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses aber noch immer ihren Platz. Denn rund 150 Gräber auf dem Gelände sind weiterhin aktiv. 2010 fanden auf dem Alten Friedhof die letzten Beerdigungen statt. Weil die Totenruhe 30 Jahre gilt, laufen die Gräber teilweise also noch bis zum Jahr 2040. Entsprechend behutsam ist Landschaftsarchitektin Tanja Minardo bei der Planung vorgegangen. "Da muss man schon mit dem nötigen Feingefühl arbeiten", erzählt die Brockhagenerin und nennt ein Beispiel: "Um eine der neu aufgestellten Bänke zu erreichen, musste man über ein ehemaliges, inzwischen abgeräumtes Grab laufen. Von dem Grab ist zwar nichts mehr zu sehen, dennoch hatte die Nachfahrin der Toten ein schlechtes Gefühl damit. Also haben wir dort einen Findling platziert. Jetzt muss man um die Stelle herumlaufen, um zu der Bank zu gelangen." Grundsätzlich seien die ersten Reaktionen positiv, berichtet Tanja Minardo, für die die Umgestaltung des Friedhofs in einen Park ein "Herzensprojekt" ist, wie sie sagt. Der Park werde bereits gut angenommen. "Viele freuen sich über die gepflegte Anlage", so die Landschaftsarchitektin. Park ist dabei nicht gleich Park. Anders als der Bürgerpark an der Bahnhofstraße, der mit seinen Kletterbäumen und Sportgeräten ganz bewusst zu Aktivitäten einlädt, soll der Alte Friedhof ein Ort der Stille und des Innehaltens bleiben. Ein Brunnen aus alten Grabplatten An vielen Stellen bewahrt der Park ein Stück Friedhofskultur. So wurden etliche Grabsteine von ehemaligen Gräbern nicht beseitigt, sondern in Absprache mit den Hinterbliebenen an einer Stelle zusammen aufgestellt. Auf dem Hauptweg von der Brockhagener Straße zum Hochkreuz, das noch immer das Zentrum auf dem Gelände bildet, informieren Infotafeln über Totenbräuche wie den Trauerzug und die Totenglocke. Einige Gräber werden mit QR-Codes ausgestattet. Über das Handy können die Besucherinnen und Besucher dann Informationen über die Persönlichkeiten abrufen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. "Auch hierbei haben wir eng mit den Nachfahren zusammengearbeitet", erläutert Tanja Minardo. Rund 15 QR-Codes werden in Kürze angebracht. Dahinter verbergen sich beispielsweise Texte und Fotos zum Bäckermeister Dopheide und zum Apotheker Leykauf. An diesen Stellen hat der Alte Friedhof schon den Charakter eines Open-Air-Museums. "Der Brunnen besteht aus alten Grabplatten", verrät die Architektin. "Eine Sonderanfertigung der Firma Budde aus Warendorf. Das sind schließlich hochwertige Natursteine. Ein Jammer, wenn die einfach geschreddert werden." Jetzt fehlt nur noch der Stromanschluss, dann plätschert hier das Wasser. Alte Wege tauchen zweimal pro Jahr auf Zur Akzeptanz des neuen Parks habe sicherlich auch die Baumpflanzaktion beigetragen. Steinhagener Bürgerinnen und Bürger haben Patenschaften für 180 Bäume übernommen, die neu gepflanzt worden sind. "Es hätten sogar noch mehr werden können - so groß war das Interesse", freut sich Tanja Minardo. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten hat der neue Park viel zu bieten. Derzeit blühen überall auf dem Grundstück gelbe Narzissen. "Sie markieren das ehemalige Wegenetz des Friedhofs. Zweimal im Jahr ist es zu erkennen: im Frühling, wenn die gelben Narzissen blühen, und im Herbst, wenn die Herbstkrokusse lila aus der Erde gucken. EU übernimmt die Kosten In einem Bereich der Anlage wachsen jetzt sogenannte Zukunftsbäume. "Das sind Arten, die als besonders trockenresistent gelten und mit dem Klimawandel klarkommen", erklärt die Expertin. Etwa die Hopfenbuche und der Wollapfel. Dass einige Freiflächen nur einmal im Jahr gemäht werden, hat seine Richtigkeit. Hier befindet sich eine Wiese, in der sich Insekten tummeln sollen. Das Garten- und Landschaftsbauunternehmen Buchalla hat die Maßnahmen ausgeführt. Etwa 600.000 Euro hat die Umgestaltung des Alten Friedhofs gekostet. Die Summe wird komplett von der EU übernommen. Rund um den 1. Mai soll der neue Park, der noch immer auch ein Friedhof ist, offiziell eröffnet werden. Ein Besuch lohnt bereits jetzt.

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