Silvester

Feuerwerk: Steinhagener Tierärztin gibt Tipps gegen Panik bei Tieren

Lautes Feuerwerk ist für Haustiere eine körperliche und seelische Belastung. Doch Halter können auf viele Arten Angst nehmen. Die Tierschutzorganisation Tasso räumt mit einem verbreiteten Irrtum auf.

Die lauten Böller und die Lichter bedeuten für Tiere extremen Stress. Eine Steinhagener Tierärztin und die Tierschutzorganisation Tasso geben Tipps. | © Angelina Brückner / Tasso e.V.

Frank Jasper
30.12.2024 | 30.12.2024, 12:23

Steinhagen. Das Feuerwerk an Silvester mag schön aussehen, verstört aber jedes Jahr zahlreiche Hunde und Katzen. Nicht nur der Lärm, der durch das Abfeuern von Raketen und Böllern entsteht, übersteigt die Toleranzgrenze der Tiere. Auch das Geblitze der Feuerwerkskörper und der Rauchgeruch lösen bei Tieren Angst und Panik aus. Die Steinhagener Tierärztin Sarah Wellhöner kennt Extremfälle aus ihrer Kleintierpraxis.

"Es gibt Hundehalter, die aus leidiger Erfahrung über Silvester mit ihrem Hund auf eine einsame Nordseeinsel fahren, um von dem Krach möglichst wenig mitzubekommen", erzählt die Tierärztin. "Für die ist Silvester einfach furchtbar." Wie die Expertin berichtet, reagieren Hunde ganz unterschiedlich auf die Böllerei. "Einige sind schussfest, die sind daran gewöhnt, und es macht ihnen wenig aus. Andere geraten regelrecht in Panik." Schlimmstenfalls könnte ein Silvesterfeuerwerk in Folge des enormen Stressfaktors sogar epileptische Anfälle bei Haustieren auslösen.

In jedem Fall sollten Halter ein Auge auf erste Anzeichen von Angst und Stress bei ihren Tieren haben. "Hunde klemmen die Rute ein und hecheln vermehrt", berichtet Sarah Wellhöhner, "Katzen verkrümeln sich direkt."

An Silvester-Krach gewöhnen

Tierärztin Sarah Wellhöner führt die Kleintierpraxis am Mühlenteich in Steinhagen. - © Frank Jasper
Tierärztin Sarah Wellhöner führt die Kleintierpraxis am Mühlenteich in Steinhagen. (© Frank Jasper)

Ihr Rat: "Vor allem Hunde, die noch nie eine Silvesternacht erlebt haben, kann man etwas auf die Geräuschkulisse vorbereiten, indem man auf dem Tablet oder im TV bereits in den Tagen davor ein Feuerwerk abspielt." Idealerweise sollten Tierbesitzer daraus "kein großes Ding" machen, sondern die Geräusche im Alltag ganz nebenbei abspielen. "Wenn der Halter selbst aufgeregt ist und sich außergewöhnlich benimmt, überträgt sich das auf den Hund", sagt Sarah Wellhöner. Generell gelte: Je normaler man den Alltag an Silvester gestalte, desto entspannter seien die Haustiere.

Am Silvesterabend sollte das Haustier, egal ob Hund oder Katze, im Haus sein. Hunde sollten außerdem den ganzen Tag über angeleint Gassi geführt werden, damit die ersten Raketen, die bereits nachmittags hochgehen, das Tier nicht erschrecken und zum Weglaufen anreizen. "Außerdem die Rollläden und Vorhänge runterlassen, damit die Tiere die Blitze nicht mitbekommen. Denn auch die hellen Lichter könnten sie verstören", rät die Tierärztin.

Eierlikör zur Beruhigung?

Kater Sam verkrümelt sich unter dem Teppich - © Lars Wellhöner
Kater Sam verkrümelt sich unter dem Teppich (© Lars Wellhöner)

Das A und O sei Ablenkung. "Am besten den Fernseher anschalten oder Musik anmachen, um Hintergrundgeräusche zu schaffen", lautet ein weiterer Tipp von Steinhagens Tierärztin. Ablenkung funktioniere aber auch mit Leckerlis und Gerüchen. Für Katzen gibt es Duftstecker, aus denen Pheromone ausströmen. Das hat eine beruhigende Wirkung auf die Tiere."

Ein ganz spezielles Leckerli hat unlängst "Hundeprofi" Martin Rütter empfohlen: zur Beruhigung ein Schlückchen Eierlikör für den Hund. Was hält die Tierärztin davon? "Für Haustiere, die große Angst haben, gibt es zugelassene Arzneimittel", sagt Sarah Wellhöner, "darunter auch sanfte Mittel auf pflanzlicher Basis." Ausnahmsweise könne aber tatsächlich Eierlikör zum Einsatz kommen. "Ein Esslöffel pro zehn Kilo Hund", gibt sie eine Dosierempfehlung. "Das sollte aber natürlich nicht zur Routine werden. Und: Nicht jeder Hund mag Eierlikör ..."

Was Sarah Wellhöner grundsätzlich von Böllern und Feuerwerk zu Silvester hält? "Bei uns zu Hause verzichten wir darauf. Ich schaue mir höchstens gerne mal ein öffentliches Feuerwerk an."

Alle Tipps auf einen Blick

Auch die Tierschutzorganisation Tasso e.V. gibt Tipps für die lauteste - und stressigste - Nacht des Jahres:

Zu Hause bleiben

Ob Hund oder Katze, ob sichtbare Angst oder nicht. Am besten bleiben Tierhalterinnen und Tierhalter in der Silvesternacht bei ihren Vierbeinern und lassen sie nicht alleine. So haben diese immer die Gewissheit, dass ihre Menschen für sie da sind.

Reize aussperren

Rollos runter, Musik oder Fernsehen an. Alles was hilft, den ungewohnten Lärm auszusperren kann den Vierbeinern helfen, zu entspannen. Rückzugsort anbieten und respektieren: Einige Hunde und Katzen ziehen sich gerne zurück, wenn sie Angst haben. Ihre Menschen können sie dabei unterstützen, in dem sie freien Zugang zu diesen Rückzugsorten ermöglichen und diese gemütlich einrichten. Es ist hilfreich, diese Rückzugsorte bereits im Vorfeld, also Wochen vor Silvester, positiv zu verknüpfen. Beispielsweise indem man dem Hund dort seine Lieblingsdecke hinlegt und eine Kaustange anbietet.

Sozialen Beistand leisten

Wenn ein ängstliches Tier die Nähe seines Menschen sucht, sollte dieser für ihn da sein. Einige Tiere möchten ihre Zweibeiner nur in der Nähe wissen, andere suchen möglichst engen Kontakt und fordern Streicheleinheiten. „Es ist ein Mythos, dass sich die Angst der Tiere verstärkt, wenn wir für sie da sind", räumt Lisa Borchard, Referentin Tierschutz bei TASSO und Tierärztin mit dem Schwerpunkt Tierverhalten, mit einem weitverbreiteten Irrglauben auf.

Wegfahren

Gerade mit Hunden gilt: Wer in einem belebten Ort wohnt, in dem Silvester ausgiebig gefeiert wird, sollte nach Möglichkeit einfach wegfahren. „Beispielsweise zu Freunden oder Verwandten, die dort leben, wo es ruhig ist oder auf eine der Inseln auf denen das Böllern verboten ist", schlägt Borchard vor. „Wenn eine längere Abwesenheit nicht möglich ist, kann auch eine nächtliche Fahrt über die Autobahn oder ein Ausflug an Orte, wie Nationalparks oder in die Nähe von Flughäfen, wo Feuerwerk untersagt ist, helfen."

Sichern, sichern, sichern

Natürlich müssen Hunde auch an Silvester und Neujahr das Haus verlassen und sich lösen. Dabei ist es dann wichtig, sie gut zu sichern. Am besten doppelt, mit einer Leine am Halsband und einer weiteren am Geschirr. Für ängstliche Hunde bietet sich zudem ein Sicherheitsgeschirr mit zusätzlichem Bauchgurt an. Das gilt ab sofort, denn leider werden bereits mit dem Beginn des Feuerwerksverkaufs vielerorts Böller und Raketen gezündet.

Vorausplanen

Sollte dieser Jahreswechsel für Hund oder Katze schlimm gewesen sein, machen sich Tierhalter am besten direkt im Januar Gedanken über das nächste Silvester. Besteht die Möglichkeit, dem Lärm zu entgehen? Kann der Einsatz von Hilfsmitteln wie Gehörschutz, sogenannten Thundershirts oder entspannenden Massagen mit dem Tier trainiert werden oder braucht es sogar medizinische oder verhaltenstherapeutische Unterstützung? Über all das sollte nicht erst im Dezember 2024 nachgedacht werden.

Diesen Artikel haben wir das erste Mal im Dezember 2023 veröffentlicht.